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Kultureller Beitrag für die Gesellschaft

Wort von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann zur Eröffnung der Diözesanbibliothek Würzburg am 12. November 2008

Die Diözese Würzburg hat im Mittelalter und in der frühen Neuzeit eine reichhaltige Bibliothekslandschaft besessen, die in manchen Bereichen sogar zur europäischen Spitze gezählt hat. Das Ereignis der Säkularisation hat demgegenüber der Kirche nicht nur viele Bücher genommen, sondern mit der Zerstörung vieler überkommener und zuweilen auch fehlgeleiteter Strukturen das kirchliche Bibliothekswesen selbst in wesentlichen Teilen ausgelöscht. Die Kontinuitätsreste in wenigen Klöstern und die überschaubaren Neuansätze, insbesondere die Gründung bischöflicher Dekanatsbibliotheken, haben diesen Mangel nicht ausgleichen können. Vielleicht wurde auch die Notwendigkeit eigener kirchlicher Bibliotheken nicht überall gesehen, denn schließlich gab es nun hervorragende staatliche Bibliotheken, hier in Würzburg insbesondere die Universitätsbibliothek, die in umfassender Weise den Auftrag der öffentlichen Informationsversorgung angingen und bis heute erfüllen. Warum also noch ein eigenes kirchliches Bibliothekswesen aufrechterhalten oder sogar ausbauen, wo doch andere Aufgaben viel drängender erscheinen? Muss sich nicht der sekundäre Bereich der Bibliothek als einer Dienstleistungseinrichtung den eigentlichen pastoralen Aufgaben unterordnen?

In den letzten Jahren hat sich die katholische Kirche in verschiedener Weise intensiv mit der Bedeutung und den Herausforderungen des kirchlichen Bibliothekswesens beschäftigt. Insbesondere die Päpstliche Kommission für die Kulturgüter der Kirche, der ich zeitweise angehören durfte, hat schon 1994 in Anlehnung an zahlreiche Äußerungen des kirchlichen Lehramts die Bedeutung und den Auftrag kirchlicher Bibliotheken formuliert. Ich möchte im folgenden einige zentrale Punkte aus der einschlägigen Veröffentlichung dieser Kommission über „Kirchliche Bibliotheken in der Sendung der Kirche“ hervorheben und auf unsere Würzburger Situation beziehen:

Bibliotheken und ihre Inhalte, die Bücher, sind wesentliche Zeugnisse der menschlichen Kultur. Die christliche Botschaft wendet sich ja nicht abstrakt und in überall gleicher Weise an die Menschen, sondern sucht sie in ihrer je eigenen Geschichte und Identität auf und geht eine enge Beziehung mit diesen ein; wir sprechen deshalb vom Prozess der Inkulturation des Evangeliums. Die Verbreitung und die Lektüre von Büchern und vergleichbaren Medien sind daher untrennbar mit dem Missionsauftrag der Kirche verbunden. Diese Bedeutung der Bücher und anderer Medien lässt es aber nicht zu, dass die Kirche auf den Unterhalt eigener Bibliotheken verzichtet. Sie versteht diese vielmehr als „Kulturwerkstätten“, die dem Dialog und einem breit angelegten, restriktionsfreien Umgang mit der jeweiligen Kultur verpflichtet sind. Die genannte Päpstliche Kommission kommt daher zu dem Schluss, dass die Sorge um die Kulturgüter und insbesondere um die Bibliotheken nicht hinter vermeintlich wichtigeren pastoralen Aufgaben zurückstehen darf, sondern selbst als wesentliches Instrument der Evangelisierung zu betrachten ist – oder mit den Worten der Kommission selbst: „Wir stellen nochmals fest, dass das dringendste und tiefgreifendste Problem darin besteht, der kirchlichen Gemeinschaft – und ihren Hirten – das Gespür für die Rolle der kirchlichen Kulturgüter als wahrhaft und eigentlich pastorale Güter wiederzugeben.“ Diese Sichtweise der Kulturgüter ist mir persönlich schon seit langem ein besonderes Anliegen. Dies habe ich noch bei der eben zu Ende gegangenen Weltbischofssynode in Rom ausdrücklich betont. Die Zeugnisse der Archive, der Bibliotheken und der Kunst sind je eigene Erscheinungsformen der Kultur, die uns auf ihre Weise den Weg zur Botschaft Gottes ebnen können. Wir dürfen sie nicht vernachlässigen, sondern müssen ihnen den Raum im Leben der Kirche und der Menschen geben, der ihnen zusteht.

Während die Öffentlichen Büchereien, die in unserer Diözese in vielen Pfarreien eine bedeutende Funktion in der Literaturversorgung und Informationsbeschaffung einnehmen, dank unserer KBA, der Kirchlichen Büchereiarbeit, und des Einsatzes zahlreicher Ehrenamtlicher aufrechterhalten werden können, sind die Voraussetzungen für die Erhaltung oder gar den Ausbau eines wissenschaftlichen Bibliothekswesens im Bistum im Verlauf des 20. Jahrhunderts immer schlechter geworden. Insbesondere der Rückgang finanzieller Ressourcen lassen allzu hochfliegende Pläne nicht zu, noch dazu wenn man bedenkt, dass die Professionalisierung des Bibliotheks- und Informationssektors inzwischen ein hochspezialisiertes Fachpersonal verlangt.

Insofern war es eine mutige und wegweisende Entscheidung, dass Bischof Matthias Ehrenfried 1943, mitten im Zweiten Weltkrieg und unter extrem schwierigen Rahmenbedingungen, die Einrichtung einer Diözesanbibliothek verfügte. Die Zerstörung Würzburgs am 16. März 1945 ließ diese Pläne weitgehend scheitern. Zwar konnte wieder recht schnell ein ansehnlicher Buchbestand zusammengetragen werden, es gelang jedoch unter den Bedingungen des Wiederaufbaus über lange Jahre nicht, die notwendigen baulichen, finanziellen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen für eine funktionierende wissenschaftliche Zentralbibliothek des Bistums zu schaffen. Erst unter meinem Amtsvorgänger, Bischof Paul-Werner Scheele, wurden mit Monsignore Hermann Wütschner 1982 erstmals ein Diözesanbibliothekar berufen und Stellen für bibliothekarisches Fachpersonal geschaffen.

Sowohl Bischof Matthias Ehrenfried als auch Bischof Paul-Werner Scheele versuchten damit bereits umzusetzen, was die Päpstliche Kommission 1994 als Gebot der Zeit formulierte, als sie den Auf- und Ausbau von Diözesanbibliotheken als zentrale Einrichtungen forderte, die aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit die sachgerechte Restaurierung und Aufbewahrung der alten und wertvollen Bücher ebenso garantieren, wie sie einen angemessenen Raum für die Benutzung der wesentlichen Werke des christlichen Denkens bieten könnten. Wenige Jahre nach der Publikation dieser wegweisenden Forderung beschloss die Diözese Würzburg einen Neubau, der nicht nur den seit langem überfälligen Platz für das Diözesanarchiv bieten, sondern auch die Voraussetzungen für eine öffentlich zugängliche Diözesanbibliothek schaffen sollte. Die organisatorische Vereinigung von Archiv und Bibliothek und einige bauliche Anpassungen machen es möglich, die personellen Ressourcen der beiden Einrichtungen bestmöglich zu nutzen. Es gibt künftig nicht nur eine gemeinsame Aufsicht für die beiden Lesesäle und eine enge Zusammenarbeit etwa im Bereich der Bestandserhaltung und Restaurierung. Darüber hinaus soll auch durch die Beratung aus einer Hand ein optimales Informationsangebot für die Besucher des Hauses geboten werden.

Diese enge Zusammenarbeit von Archiv und Bibliothek sehen wir als Chance, unsere kirchlichen Kulturgüter in vertiefter Weise erschließen und nutzbar machen zu können. Dabei sind wir uns allerdings auch bewusst, dass die Synergieeffekte zwischen den beiden Einrichtungen nicht unbegrenzt sind, sondern jede von ihnen ihren eigenen Ort fachlicher Kompetenz und Zuständigkeit hat.

Insbesondere im Bereich der Diözesanbibliothek sind wir freilich noch lange nicht am Ziel, sondern die heutige Eröffnung markiert eine wichtige Etappe auf einem langen Weg, der unter meinen Vorgängern begonnen wurde und der konsequent weitergegangen werden soll. Die Herausforderungen des digitalen Zeitalters, die Medienvielfalt mit ihren technischen Möglichkeiten und Folgeproblemen sind ebensowenig vollständig gelöst wie unsere Sorge um die historischen Buchbestände in unserer Diözese, die teilweise im Neubau der Diözesanbibliothek zusammengeführt sind, teilweise aber auch an anderen Orten ein prekäres Schattendasein führen.

Die veränderte Situation, die mit der Gründung einer Diözesanbibliothek entstanden ist, hat noch nicht überall zu den notwendigen Anpassungen bei der Beschaffung, der Aufbewahrung und der Nutzung wissenschaftlicher Bücher und Medien geführt. Hier müssen wir die notwendigen Maßnahmen im Rahmen unserer Möglichkeiten konsequent weiter umsetzen. Es hat mich deshalb besonders gefreut, dass unser Regens Herbert Baumann von sich aus auf die Diözesanbibliothek zugegangen ist und mit ihr eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen hat, nach der die Diözesanbibliothek künftig die fachliche Betreuung der Bibliothek des Priesterseminars übernehmen wird. Wenn wir in diesem Geist der Zusammenarbeit voranschreiten, dann wird es uns auch unter schwierigen Rahmenbedingungen gelingen, sinnvolle und tragfähige Lösungen für die Zukunft zu finden. Richtschnur unseres Handelns kann dabei immer nur das Buch der Bücher, die Hl. Schrift, sein. Durch sie muss man auch beim Betreten der Bibliothek symbolisch hindurchschreiten, denn um den Treppenaufgang sind Reproduktionen aus einer deutschen Bibel von 1485 angebracht, die auf den Ausgangs- und Zielpunkt unserer Beschäftigung mit den Zeugnissen der menschlichen Kultur hinweisen sollen.

Bevor wir diesen Weg gehen, möchte ich an dieser Stelle allen, die zur heutigen Eröffnung der Diözesanbibliothek beigetragen haben, ein herzliches Wort des Dankes sagen. Dieser Dank schließt alle ein, die an den Planungen, der Organisation und der Einrichtung der neuen Bibliothek Anteil hatten, insbesondere natürlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses selbst und natürlich besonders Herrn Professor Dr. Merz. Ich wünsche ihnen und uns allen, dass diese Diözesanbibliothek ihren Auftrag als Zeugnis und Instrument der Evangelisierung erfüllen und auch ihren kulturellen Beitrag in unserer Gesellschaft leisten kann.