Würzburg (POW) Kunst kommt am Leid nicht vorbei. Das hat Bischof Dr. Friedhelm Hofmann bei einem Vortrag im Würzburger Juliusspital zum Thema „Leid in der Kunst“ am Donnerstagabend, 15. März, betont. „Die Frage des Leids ist auch für die Kunst unausweichlich.“ Kunst ästhetisiere bisweilen Leid und biete dadurch die Möglichkeit, über die Grausamkeit des Augenblicks in die Zukunft zu schauen. „Zu allen Zeiten wollte Kunst zeigen, dass Leid und Tod nicht das letzte Wort haben“, sagte der Bischof.
Anhand ausgewählter Kunstwerke zeigte der promovierte Kunsthistoriker Leid und Tod in der klassischen antiken Überlieferung, im Alten und Neuen Testament, in der Geschichte des Christentums und in der Modernen Kunst auf. So verdeutliche beispielsweise die „Vertreibung aus dem Paradies“ von Massacio aus der Zeit um 1427, dass Sündenfall und Vertreibung Ursachen für das Leid in der Welt seien. Die zentrale Auseinandersetzung mit der Frage des Leids finde im Alten Testament im Buch Hiob statt. In der frühchristlichen Kunst sei die Darstellung Hiobs im Elend häufig zu finden, später finde man sie eher selten. Der fromme Gottesdiener gelte als Vorbild für die Passion Christi. Darstellungen des „Christus in der Rast“ in der Gotik gingen deshalb auf das Vorbild des Hiob im Elend zurück. „Der Mensch versenkte sich in Christi Leid, um das eigene Leid zu bewältigen“, sagte der Bischof mit Blick auf Hans Leinbergers „Christus in der Rast“ von 1525. Das Kunstwerk mache deutlich, auch der Rechtschaffene werde von Schicksalsschlägen nicht bewahrt, am Ende werde Gott ihm aber Gutes widerfahren lassen.
Neben dem „Christus in der Rast“ sei im Mittelalter die Geißelung Christi als Teil jedes Passionszyklus’ bedeutsam. Aus ihr habe sich das Andachtsbild des Schmerzensmanns entwickelt, der auch als eucharistisches Bild galt: „Christi Passion wird in der Eucharistie nachvollzogen.“ Vor allem das Blut, das Christus während der Geißelung vergoss, habe den mittelalterlichen Menschen die Gewissheit gegeben, erlöst zu sein. Als besondere Kreuzigungsdarstellungen betrachtete Bischof Hofmann das Gerokreuz des Kölner Doms und das „Klein-Kruzifix“ von Matthias Grünewald. Das romanische Gerokreuz zeige Christus als Triumphator am Kreuz stehend. Noch nicht vorstellbar sei um die Jahrtausendwende die Idee eines leidenden Gottes. Das Kreuz gelte als Sieges- und Triumphzeichen. Der Tod am Kreuz sei kein Verlöschen, sondern die Überwindung des Todes. Bei Grünewalds „Klein-Kruzifix“ von 1505/06 trage Christus am Kreuz dagegen Pestbeulen und mache so deutlich, dass kein Pesttoter umsonst sterbe, sondern Christus mit und für ihn sterbe. Als Haupttypus des marianischen Gnadenbilds im Mittelalter stellte der Bischof die Pietá vor: Die Menschen fanden in dieser Darstellung der Schmerzensmutter mit dem toten Jesus – beispielsweise in der Pietá von Mariabuchen – das eigene Leid ausgedrückt.
Zahllos sind für Bischof Hofmann die Darstellungen unterschiedlicher Martyrien in der Geschichte des Christentums. Lucas Cranachs „Martyrium der heilige Katharina“ zeige eine Frau, die gefasst und betend in den Tod gehe. Bei Giovanni Domenico Tiepolos „Steinigung des Stephanus“, das früher in der Abtei Münsterschwarzach hing und demnächst wieder nach Franken zurückkehrt, werde die körperliche Rohheit der Soldaten durch die vergeistigte Haltung des Stephanus kontrastiert. Der Engel mit Krone und Märtyrerpalme lasse schon den Sieg im Leid erahnen. Das Gemälde betone, Leid und Tod werden schlussendlich einmal überwunden.
In der modernen Kunst würden mit den Erfahrungen der Kriege und des Holocausts sowie des Glaubensschwundes alte Gewissheiten wegbrechen, führte Bischof Hofmann aus. „Leid wird nun oftmals nur noch in seiner Ausweglosigkeit thematisiert.“ Für Francis Bacon artikuliere sein „Crucifixion“ von 1965 Enttäuschung, Schmerz, Qual, Einsamkeit, Ohnmacht und Angst vor dem Tod. Die Brutalität seiner Darstellung von Folter und zerfleischten Leibern betone dies. Bei Alfred Hrdlickas „Plötzenseer Totentanz“ werde der Tod Christi in den Ereignissen von Plötzensee während der NS-Zeit aktualisiert. „Christus leidet mit und in den Opfern des Nationalsozialismus.“ Herbert Falkens „Gitterköpfe“ von 1991/93 sagten schließlich, Leid und Verheißung bedürften sich gegenseitig.
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