Würzburg (POW) Theater kann einen Zugang bieten, um Religiosität verstehen zu lernen und den Austausch darüber kritisch zu führen. Das hat die schauspielerisch umgesetzte Erzählung „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ des Autors Éric-Emmanuel Schmitt gezeigt. Für seine Darstellung im Burkardushaus am Mittwoch, 25. Oktober, erhielt der Regisseur und Schauspieler Kai Christian Moritz langanhaltenden Applaus. Die etwa 70 Besucher folgten über eineinhalb Stunden gespannt der Darbietung. Die erste Veranstaltung der Theaterreihe „Trilogie des Unsichtbaren. Große Weltreligionen in drei Monologen“, die in Kooperation zwischen der Domschule Würzburg und dem Rudolf-Alexander-Schröder-Haus im Rahmen der Reihe „Fokus Religionen“ stattfindet, nahm den Dialog zwischen Judentum und Islam in den Blick. In dem Stück geht es um die Freundschaft zwischen dem jüdischen Jungen Moses und dem muslimischen Ladenbesitzer Monsieur Ibrahim. „Am Herzen liegt uns der interreligiöse Dialog“, betonte Dr. Anni Hentsche, Leiterin des Rudolf-Alexander-Schröder-Hauses, bei der Begrüßung. Bereits das Verständnis für die verschiedenen Religionen sei unverzichtbar.
Die Parabel spielt in der Rue Bleue, einer Straße in Paris, in der hauptsächlich Juden wohnen. So auch der zu Beginn des Stücks elfjährige Moses mit seinem Vater. Während der tagsüber arbeitet, muss Moses sich um den Haushalt kümmern. Für den Einkauf geht er in den Laden von Monsieur Ibrahim, der als einziger Moslem in der Straße wohnt. Alle nennen ihn den „Araber“, obwohl er keiner ist. Als Monsieur Ibrahim eines Tages herausfindet, dass Moses ihn beklaut, stellt er ihn - dennoch werden sie Freunde. Der Ladenbesitzer beruft sich bei den vielen Fragen, die Moses ihm über das Leben stellt, häufig auf den Koran; jedoch könne Bücherwissen keine Menschenkenntnis ersetzen. „Will man etwas lernen, greift man nicht zum Buch, sondern spricht mit den Menschen“, erklärt Monsieur Ibrahim seinem Schützling. Die Erzählung wird in ihrer chronologischen Reihenfolge durch moralische oder religiöse Gedanken und Dialoge unterbrochen. Moses hinterfragt sich selbst und kommentiert die Handlung. Mit offenherzigem bis schwarzem Humor und detailreicher Beobachtung schafft der Junge ohne komplizierte Diskurse den interreligiösen Dialog.
„Am besten nähert man sich dem Stoff in Geschichten“, erklärt Schauspieler Moritz. Er befürworte Offenheit zwischen allen Glaubensrichtungen. „Das angeblich Fremde zu ignorieren ist einfach sinnlos.“ Unter einem interreligiösen Dialog verstehe er die Diskussion miteinander und das persönliche Ringen um Haltung. „Ich denke, dass diese erweiterte, erzählte Art, die nicht gängige Form des Stücks, die Zuschauer persönlich ansprechen kann“, sagt Moritz. Für das Projekt und die Kooperation hatte er sich entschieden, weil er seinen eigenen kleinen Beitrag auf künstlerische Art leisten möchte. „Ich bin kein Missionar – ich bin Schauspieler. Es geht mir nicht um Dogmatik, sondern um Anreiz und Inspiration“, sagt Moritz. Kirche solle sich zunehmend unterschiedlicher medialer Zugänge bedienen, um interreligiösen und -kulturellen Dialog zu fördern. Theater sei eine Form des Zugangs. „Die Religion muss mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen: Wir stempeln keinen ab“, betont Moritz.
Eines Tages fragt Monsieur Ibrahim Moses: „Was bedeutet es für dich jüdisch zu sein?“ Er weiß es nicht und fragt seinen Vater. Der hadert mit seiner Religion, weil sie für ihn bedeute, „schlechte Erinnerungen“ zu haben. Nachdem Moses Vater seine Arbeit verliert, lässt er den mittlerweile 15-Jährigen zurück. Der Junge versucht nach außen den Schein zu wahren, doch eines Tages teilt die Polizei mit, dass sich sein Vater umgebracht habe. Moses fühlt sich ungeliebt und glaubt, dass sein Vater sich vor Enttäuschung über ihn das Leben genommen habe. Monsieur Ibrahim jedoch erklärt ihm, dass sein Vater nicht verkraften konnte, dass seine Eltern von den Nazis getötet worden seien: „Er hat sich Vorwürfe gemacht, überlebt zu haben.“
Monsieur Ibrahim adoptiert den Jungen, sie kaufen ein Auto und fahren quer durch Europa in die Heimat des Ladenbesitzers, in die Türkei. Dort tanzt Moses mit den sufistischen Derwischen und findet in dieser Form zu beten eine erfüllende Langsamkeit und sein Glück: „Ich drehte mich, um nicht zu denken.“ Monsieur Ibrahim stirbt bei einem Autounfall. Moses kehrt in die Rue Bleue zurück, übernimmt den Laden seines Adoptivvaters und bezeichnet sich fortwährend als Mohammed, der Araber: „Moses ist weg, Madame. Er hatte die Nase voll.“ Nicht mit Vorurteilen, sondern mit Neugier, Ausprobieren und Humor erkundet Moses die Glaubensrichtung seines Freundes Monsieur Ibrahim. Die zwei orientieren sich an erster Stelle an dem Menschen, nicht an dessen Glaubenszugehörigkeit. Gleichzeitig sind sie offen und interessiert an der Religion des anderen.
Auch im Stück „Die Nacht der Ölbäume“ (11. November, 19 Uhr), in der sich Schmitt mit dem Christentum auseinandersetzt, und in „Milarepa“ (25. November, 19 Uhr), bei dem der Buddhismus im Fokus steht, möchte Moritz die Zuschauer im Würzburger Burkardushaus anregen, ihre persönliche Haltung zum Glauben zu hinterfragen und sich gleichzeitig kritisch anderen Religionen zu öffnen: „Was gibt es Intimeres als Spiritualität? Als zu sagen: Daran glaube ich.“
Karten zum Stückpreis von 15 Euro, ermäßigt zwölf Euro, gibt es an der Abendkasse und unter Telefon 0931/38643111. Weitere Informationen bei: Domschule Würzburg, Am Bruderhof 1, 97070 Würzburg, E‑Mail info@domschule-wuerzburg.de, Internet www.domschule-wuerzburg.de.
ch (POW)
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