Am Ostermontag des Jahres 1952 konnte ich in meiner Heimat in der Pfarrkirche Sankt Martin meine Primiz feiern. 60 Jahre später darf ich an demselben Feiertag für alles danken, was mir seither im priesterlichen Dienst geschenkt wurde. Von ganzem Herzen danke ich dem dreieinen Gott für die Berufung in das Priesteramt und für die Gnade, es sechs Jahrzehnte lang ausüben zu dürfen. Mein Dank gilt zugleich allen, die mir als Werkzeuge der Liebe Gottes dabei geholfen haben. Ich danke meinen Eltern und Geschwistern und allen, die mir den Weg zum Weihealtar ermöglicht haben, allen, die mich auf diesem Weg begleitet, ermutigt und gestärkt haben. Mein Dank gilt allen, die mir bei meinem priesterlichen Wirken zur Seite standen, die mir durch Gebet und Opfer und durch ihr Vorbild geholfen haben. Gott allein kennt ihre Zahl und das, was sie für mich getan haben. Miteinander haben sie mich die Gemeinschaft erfahren lassen, die das heutige Evangelium in den Blick rückt. Es ist eine Weggemeinschaft, eine Wortgemeinschaft und eine Mahlgemeinschaft.
Emmausgemeinschaft
Weggemeinschaft
Lukas berichtet, wie zwei Jünger mit dieser dreifachen Gemeinschaft beschenkt wurden. Sie erleben, was uns allen zugedacht ist. Ratlos und mutlos haben sie sich auf den Weg in das Dorf Emmaus gemacht. Sie tauschen sich über das aus, was sie in den letzten Tagen erlebt haben. Es ist eine Katastrophe; eine Welt ist für sie zusammengebrochen, eine Welt, ohne die sie nicht mehr leben können. Diese Not bedrängt sie auch da weiter, als ein Unbekannter sich zu ihnen gesellt und mit ihnen geht. Dass er von all dem, was ihnen zu schaffen macht, nichts zu wissen scheint, macht sie noch trauriger. Wie kann einer das nicht wahrnehmen, was doch die ganze Welt betrifft? Um ihm zu helfen erzählen sie ihm, was geschehen ist. Sie berichten von dem, was Jesus getan hat und was er erleiden musste. Besonders bewegt sie, dass ausgerechnet die geistlichen Autoritäten ihn zum Tod verurteilt und ans Kreuz gebracht haben. Ihre Hoffnung, er werde Israel erlösen, ist dahin. Das ändert sich auch nicht durch die Berichte von Frauen, die verbreiten, der Gekreuzigte lebe. Der Evangelist hält fest, dass sie wie mit Blindheit geschlagen sind und den nicht erkennen, der mit ihnen geht. Ihnen ergeht es wie Ungezählten seither.
Ihnen wird nicht bewusst, wer ihr Begleiter ist; der Herr geht mit ihnen und sie erkennen es nicht. Bevor er mit ihnen redet schenkt er ihnen seine Gegenwart. Er lässt es sich gefallen, dass man ihn für einen Unwissenden hält. Er nimmt teil an dem, was sie bewegt. Er ist ganz Ohr für das, was sie zu sagen haben. Mögen sie ihn verkennen, er ist da, um ihnen zu helfen.
Als solidarischer Begleiter schenkt er ihnen sodann sein Wort und damit eine noch tiefere Gemeinschaft.
Wortgemeinschaft
Der Herr geht auf das ein, was sie bewegt. Er nimmt ernst, was sie ihm mitgeteilt haben. Er greift die Fragen auf, die sie selber nicht beantworten können. Dennoch offenbart er sich ihnen nicht sogleich. Er sagt ihnen nicht einfach: „Seht her, ich bin es, den ihr betrauert.“ Schritt um Schritt erschließt er ihnen, was dem Geschick des Erlösers voraufgegangen ist, was Mose und die Propheten über ihn gesagt haben. Zugleich schenkt er ihnen Schritt um Schritt die Gnade der Erkenntnis. Mehr noch als ihrem Verstand wird sie ihrem Herzen zuteil. Das lässt sie später sagen: „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss?’“ (Lk 24,32). In der Weggemeinschaft vollzieht sich die Wortgemeinschaft. Kein Wunder, dass sie diese Gemeinschaft bewahren und fortsetzen wollen. Als sie Emmaus erreicht haben bedrängen sie ihn daher, doch bei ihnen zu bleiben. Der Herr, der zunächst so tut, als wolle er weitergehen und sie allein zurücklassen, erfüllt ihren Wunsch. Lukas hält fest, dass er mit ihnen hineingeht, „um bei ihnen zu bleiben“ (Lk 24,29). Über die Weggemeinschaft und die Wortgemeinschaft hinaus schenkt er den beiden die Mahlgemeinschaft.
Mahlgemeinschaft
Anders als viele moderne Menschen wissen die Zeitgenossen Jesu zu schätzen, was es bedeutet, wenn man sich bei Tisch zusammenfindet. Das ist mehr als eine Gelegenheit, sich durch das gemeinsame Mahl zu stärken; ihnen ist klar, dass Essen und Trinken nicht nur Leib und Seele zusammenhält, sondern auch die Menschen tiefer miteinander verbindet, die miteinander Mahl halten. All das erfahren sie auf neue Weise als ihr Weggefährte den Lobpreis spricht, das Brot bricht und es ihnen reicht. Da gehen ihnen die Augen auf und sie erkennen ihn (Lk 24,31). Vor ihren Augen geschieht aufs Neue, was Jesus immer wieder getan hat. Auch wenn manche daran Anstoß nahmen hat er sich nicht nur mit seinen Freunden, sondern auch mit Zöllnern und Sündern und selbst mit Pharisäern am Tisch vereint. Im Abendmahlssaal hat er das alles vollendet und sich selbst in Brots- und Weinsgestalt auf die innigste Weise mit ihnen vereinigt. In Emmaus vereint er sich mit den beiden Weggefährten.
Sie sind der Überzeugung, dass dies nicht nur sie persönlich, sondern viele andere betrifft. Daher drängt es sie, das sogleich in Jerusalem zu berichten. Sofort brechen sie auf und geben weiter, was sie unterwegs erlebt haben und wie sie ihn erkannten, als er das Brot brach (Lk 24,35). Dass er sich dann ihren Blicken entzog, mindert ihre Erkenntnis nicht. Sie haben den erkannt, der bei ihnen bleiben will, auch wenn er nicht zu sehen ist. Die Gemeinschaft mit ihm ist für immer gegeben.
Was die Emmausjünger erlebt haben wirft Licht auf den priesterlichen Dienst.
Priesterliche Gemeinschaft
Gemeinschaft aller Christgläubigen
Alle, die an ihn glauben, will der Herr so eng mit sich verbinden, dass sie in seinen priesterlichen Dienst hineingenommen werden. Alle, die ihm folgen, werden „des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi zuteil“ . Alle Glieder der Kirche sind berufen, in der Weggemeinschaft, der Wortgemeinschaft und der Mahlgemeinschaft mit ihrem Erlöser zu leben und zu wirken. Wie das Konzil lehrt, wirken alle Christgläubigen kraft ihres königlichen Priestertums „an der eucharistischen Danksagung mit und üben ihr Priestertum aus im Empfang der Sakramente, im Gebet, in der Danksagung, im Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und durch tätige Liebe.“
Gemeinschaft aller Priester
In besonderer Weise nimmt die Priesterweihe in diese Heilsgemeinschaft hinein. Sie vertieft die Weggemeinschaft, die Wortgemeinschaft und die Mahlgemeinschaft mit Christus. Mit den Worten des Konzils gesagt: „Denn im Empfang des Weihesakramentes Gott auf neue Weise geweiht, sind sie lebendige Werkzeuge Christi des Ewigen Priesters geworden, damit sie sein wunderbares Werk, das mit Kraft von oben die ganze menschliche Gemeinschaft erneuert hat, durch die Zeiten fortzuführen vermögen.“ Sie sind berufen, beim Messopfer „in besonderer Weise an Christi Statt“ zu handeln.“ Ihnen ist der „Dienst der Versöhnung“ (2 Kor 5,18) anvertraut. Mit Paulus dürfen sie sagen: „Wir sind also Gesandte an Christi Statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20). In allem priesterlichen Wirken geht es um die Einheit mit Gott, mit allen Christen und letztlich mit allen Menschen. Was für eine Gabe, was für eine Aufgabe! Lasst uns miteinander dem Herrn für all das danken. Bitten wir ihn wie die Emmausjünger: „Herr, bleibe bei uns!“ (Lk 24,29). Amen.