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Im Gespräch

Lebendigkeit neu entdecken

Moraltheologe Professor Dr. Michael Rosenberger über einen positiven Zugang zur Fastenzeit

Würzburg/Linz (POW) Alkohol, Süßigkeiten, Fleisch, Fernsehen und Rauchen sind laut einer Studie der Krankenkasse DAK die häufigsten Fastenvorhaben der Deutschen. Am Aschermittwoch, 17. Februar, hat die Fastenzeit begonnen. Über die Hintergründe, die positiven Seiten und seine eigenen Erfahrungen des Fastens erzählt Professor Dr. Michael Rosenberger im Gespräch. Er ist Priester des Bistums Würzburg und Moraltheologe an der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz.

POW: Herr Professor Dr. Rosenberger, was bedeutet für Sie das Fasten?

Professor Dr. Michael Rosenberger: Fasten bedeutet für mich, die eigenen Ansprüche zu reduzieren und dadurch mehr Lebendigkeit zu erreichen. Es bedeutet, sich bewusster zu werden, was einem im Leben alles geschenkt wird, und sich neu auf die Werte hinzuorientieren, die wir im Leben finden können. Die Fastenzeit ist keine Zeit, in der es darum geht, eine Leistung zu erbringen. Wir müssen nicht beweisen, dass wir irgendeinen Verzicht 40 Tage lang durchhalten. Selbst wenn man hinterher stolz darauf ist. Das darf man auch sein, aber das ist nicht das primäre Motiv. Es geht darum, zu spüren, dass es so viel Gutes in meinem Leben gibt und ich so reich beschenkt worden bin, dass ich auf manches für eine gewisse Zeit verzichten kann. Es soll aus der Dankbarkeit heraus gefastet werden. Diese positive Sicht des Fastens ist mir ein Anliegen. Es geht darum, meine Lebendigkeit neu zu entdecken und ihr neu Raum zu geben. Für Jesus heißt Fasten innere Erneuerung, lebendig werden und sich öffnen für etwas Neues, was in mir schon steckt, aber noch nicht die Möglichkeit hatte, sich zu entfalten.

POW: Durch welches Fasten, also durch welchen Verzicht ist das möglich?

Rosenberger: In der kirchlichen Tradition gibt es aus der Bergpredigt abgelesen drei Möglichkeiten des Fastens. Einmal das Fasten der Ernährung oder bestimmter Grundbedürfnisse, wie zum Beispiel Auto-, Fernseh-, Internet- oder Handyfasten. Das bedeutet, dass ich ganz bewusst eigene Ansprüche reduziere und schaue, wie ich ohne deren Verwirklichung leben kann. Der zweite Bereich ist das Gebet. Die durch Punkt eins frei werdende Zeit kann zum Nachdenken, Beten und Lesen guter Bücher genutzt werden. Die dritte Ebene ist die des sozialen Tuns. Die frei werdende Zeit wird dafür genutzt, um sich den Mitmenschen oder zum Beispiel dem Umweltschutz zu widmen. Das heißt, dass ich mich für andere und deren Wohlergehen einsetze. Alle drei Bereiche gehören zusammen. Wenn ich Gutes für die Schöpfung oder meine Mitmenschen tun möchte, muss ich Zeit dafür haben. Das gelingt durch den Konsumverzicht. Genauso ist es, wenn ich mehr Zeit zum Nachdenken und Innehalten möchte. Deshalb gehen diese drei Möglichkeiten und Ziele des Fastens Hand in Hand. Am Aschermittwoch lesen wir deshalb auch den Ausschnitt aus der Bergpredigt, in dem uns Jesus diese drei Dinge empfiehlt.

POW: Wie passt das Fasten denn in eine Zeit, die sowieso schon durch viele coronabedingte Einschränkungen geprägt ist?

Rosenberger: Ich glaube, die Coronazeit hat uns gezeigt, dass man Zeit, die frei wird, wie es durch die coronabedingten Einschränkungen der Fall ist, sehr gegensätzlich „nutzen“ kann. Wir wissen, dass in manchen Familien die Aggressivität und die Gewalt, besonders gegen Frauen und Kinder, massiv angestiegen ist. Es muss nicht gleich Gewalt sein: In vielen Familien ist die Anspannung gestiegen. Das zeigt, dass dieses Freiwerden von Zeit durch die Unmöglichkeit von Ausflügen, Reisen und vielen Freizeitmöglichkeiten sehr bewusst gestaltet werden muss. Ich kenne Familien, die das von Anfang an getan haben. Die haben sich zum Beispiel regelmäßig einen Spieleabend vorgenommen. Das ist eine Möglichkeit, diese frei werdende Zeit so zu gestalten, dass sie eben nicht in die Aggressivität mündet. Manche haben sich auch ganz bewusst mehr Zeit fürs Gebet genommen und mit ihren Kindern regelmäßiger, bewusster und auch länger gebetet. Manche haben auch überlegt, wo in der Nachbarschaft oder im Bekanntenkreis Menschen sind, die Hilfe brauchen. Die sich zum Beispiel, weil sie alt und gebrechlich sind, nicht trauen, selber einkaufen zu gehen, und haben für sie Einkäufe erledigt. Es gibt viele Menschen, die die frei werdende Zeit ganz im Sinne der Fastenzeit genutzt haben. Aber es gibt leider auch viele, die das nicht geschafft haben. Da könnte der Impuls der Fastenzeit sein, nochmal einen Versuch zu machen und gegen Ende dieser Coronazeit etwas wirklich Positives daraus zu machen. Das kann durchaus auch durch Verzicht sein. Manche sind in der Coronazeit nur noch vor Netflix oder Ähnlichem gesessen. Bei manchen ist der Alkoholkonsum angestiegen. Die Fastenzeit ist eine Chance, solche Dinge zu korrigieren.

POW: Es wirkt, als könnte man diese Tipps das ganze Jahr gut gebrauchen.

Rosenberger: Klar, aber einmal im Jahr so eine Fastenzeit zu haben, ist wichtig, weil wir als Menschen schwache Wesen sind, die gute Vorsätze haben, aber diese Vorsätze nicht immer durchhalten. Die Fastenzeit gibt einmal im Jahr eine Chance, diese guten Vorsätze umzusetzen. Der Fasching ist vorbei – gut, der fällt dieses Jahr eh weitgehend aus –, aber normalerweise wäre Fasching eine ausgelassene Zeit, in der man lockerlässt. Das ist auch gut, dass es so eine Zeit gibt. Danach ist die Fastenzeit eine Möglichkeit zu sagen, jetzt halte ich inne und überlege mir, wo ich momentan in meinem Leben stehe und was ich gerne verbessern und verändern möchte. Das tut gut, wenn man erstens so einen von außen vorgegebenen Zeitpunkt hat, und zweitens, wenn man das in der Gemeinschaft macht. Die gegenseitige Inspiration hilft. Außerdem fühlt man sich verbunden und ist motivierter, weil man sieht, dass sich andere gerade auch anstrengen und versuchen, eine Kurskorrektur vorzunehmen. Das macht es leichter.

POW: Einige Gruppen sind vom Fasten ausgenommen. Wenn man das Fasten aus dieser positiven Perspektive sieht, gibt es doch gar keinen Grund dafür?

Rosenberger: So würde ich das auch sehen. Das Fastengebot im Kirchenrecht richtet sich nur an die Menschen der mittleren Altersgruppen. Man will die Jüngeren und Älteren nicht verpflichten, etwas zu tun, was ihrer Gesundheit schadet. Natürlich können Kinder auch fasten. Wenn die sehen, dass die Erwachsenen fasten, dann wollen sie auch mitmachen und ein Stück erwachsen sein. Fasten soll nicht die Gesundheit schädigen. Diese Gruppen können sich aber auf ihre Weise einen Verzicht vornehmen. Sich beispielsweise mehr Zeit nehmen für die Mitmenschen und das Gebet. Dazu sind sie auch eingeladen.

POW: Wie fasten Sie persönlich?

Rosenberger: Ich nehme mir jedes Jahr Alkoholverzicht vor. Ich trinke zwar auch so nicht übermäßig viel, aber ich genieße durchaus gerne mal ein Glas Wein oder ein Bier. Zu sagen, dass das 40 Tage lang wirklich tabu ist, macht einem dann auch wieder bewusst, wie wertvoll das ist. Eine Woche in der Fastenzeit faste ich mit einer Gruppe von 30 bis 40 Personen strikt. Das bedeutet, dass ich nur Flüssigkeit zu mir nehme. Das mache ich schon seit über 30 Jahren. Die Gruppe trifft sich abends auch zum Gespräch – wenn nötig wie im vergangenen Jahr per Video. Da lesen wir gemeinsam die Bibel und überlegen, was ein bestimmter biblischer Text uns zu sagen hat und was wir daraus mitnehmen können. Das ist immer eine ganz fantastische Erfahrung. Es entsteht eine sehr tiefe Gemeinschaft. Das strikte Fasten ist sehr herausfordernd und alle, die in der Gruppe sind, haben eine hohe Motivation, deshalb fühlt man sich so verbunden miteinander. In der offenen Atmosphäre entstehen gute Gespräche, in denen man sich von seinem Leben und seinen Problemen erzählt. Man kann sehr viel an Ermutigung, Stärkung und Neuorientierung aus diesen Treffen mitnehmen.

Interview: Magdalena Rössert (POW)

(0821/0179; E-Mail voraus)

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