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Lernen und frei werden

Wie die Caritas in Ägypten mit deutscher Hilfe Perspektiven schafft – Nabila Gad im Auftrag von Misereor im Bistum Würzburg unterwegs

Würzburg (POW) Bildung hilft zu einem selbstbestimmten Leben. Davon ist Nabila Gad, Mitarbeiterin der Caritas Ägypten, überzeugt. Auf Einladung des Hilfswerks Misereor ist sie im Bistum Würzburg unterwegs, um über ihre Arbeit zu berichten. Die Katholiken in Deutschland sind eingeladen, über die Misereor-Kollekte einen Beitrag gegen Hunger und Armut in der Welt zu leisten.

„Analphabetismus ist in Ägypten ein Problem, das vor allem Frauen betrifft“, berichtete Gad am Freitag, 23. März, in Würzburg. Seit 16 Jahren arbeitet sie für das Bildungsprogramm der ägyptischen Caritas. Die Unterstützung von Misereor sei wichtig und gebe den Menschen eine Perspektive. Jeder Dritte in ihrer Heimat könne weder lesen noch schreiben, zwei Drittel davon seien Frauen. Unter dem Titel „Lerne und werde frei“ bietet die Caritas vor allem in ländlichen Gebieten Kurse an. Das sei nicht zuletzt deswegen notwendig, weil Kindern ohne Geburtsurkunde der Zugang zur staatlichen Schule verwehrt bleibt. Auch aus formalen Gründen wie zu geringer Körpergröße oder fortgeschrittenen Alters bleibe einigen die reguläre Schulbildung versagt. „Auf dem Land ist es nichts Ungewöhnliches, dass Kinder ab etwa sechs Jahren in der Landwirtschaft mitarbeiten. Mädchen finanzieren sich so oft ihre Aussteuer.“

Die Alphabetisierungskurse der Caritas sind offen für allen Interessenten – ohne Blick auf die religiöse Zugehörigkeit „Wir beschränken uns beim Unterricht auch nicht auf das Vermitteln von Lesen und Schreiben. Bei uns lernen die Teilnehmer, überwiegend Mädchen und Frauen, Probleme zu analysieren. Sie wählen ihre Themen selbst.“ Oft gehe es dabei um Fragen der Gesundheit, der Ersten Hilfe oder der Sexualität. „Die Aufklärungsarbeit ist sehr schwierig. Gerade auf dem Land ist die Beschneidung, das heißt die Genitalverstümmelung von Mädchen, genauso verbreitet wie das frühe Verheiratetwerden durch die Eltern“, erklärte Gad. Wo immer es möglich sei, würden bei einer öffentlichen Versammlung Eltern, religiöse Führer und der Arzt in die Aufklärung einbezogen. „Wo eine gemeinsame Veranstaltung nicht möglich ist, laden wir nach Geschlechtern getrennt ein.“

Nicht alle Interessenten können nach Gads Erfahrung an den Alphabetisierungskursen teilnehmen. „Zum Teil, weil die Tradition älteren Frauen das Verlassen des Haushalts nicht erlaubt oder weil das Geldverdienen wichtiger ist als Bildung. „Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht und das Programm ‚Bildung für Freunde’ aufgelegt. Viele der Mädchen und Frauen in unseren Kursen bekommen spezielles Unterrichtsmaterial mit nach Hause und verpflichten sich, noch am gleichen Tag, solange das Erlernte frisch ist, ihr Wissen weiterzugeben.“ Das Konzept geht auf, wie Gad berichtete. „Diese Schülerinnen sind meist besonders motiviert und wissbegierig. Ihre Klassen sind oft besonders lebhaft.“ Die Rückmeldungen seien sehr positiv: Ein Ehemann habe seiner Frau das Haushaltsgeld erhöht aus Dank für die Bildung, die ihm durch sie zuteil wird. Ein anderer brenne förmlich darauf, was er am Abend neues lernt. Weil viele Kinder mangel- oder unterernährt seien, widme sich der Kurs, der aus zwei Blöcken von je neun Monaten besteht, auch dem Thema gesunde Ernährung. „Es geht uns dabei um Bewusstseinsbildung. Und um ganz praktische Aspekte: Deswegen absolvieren die Teilnehmer einen Kochkurs und bekommen von uns Rezepte für günstige und gesunde Speisen.“

Abschluss des Alphabetisierungskurses ist – je nach Wunsch – das Zertifikat der Caritas oder eine staatliche Prüfung. Allein letztere ermöglicht den Besuch einer weiterführenden staatlichen Schule. „Unsere Absolventen schneiden bei den Prüfungen so gut ab, dass das Fernsehen einfach einen unserer Kurse besucht hat, um dann bei der Ausstrahlung zu behaupten, es sei ein staatlicher gewesen“, sagte Gad mit Verärgerung. Derzeit besuchten über 20.000 Menschen insgesamt über 900 Kurse der Caritas.

„Das gesamte Leben im Ort profitiert davon. So hat sich eine Dorfgemeinschaft als Folge der Alphabetisierung aufgerafft und einen verschmutzten und nicht mehr genutzten Bewässerungskanal zugeschüttet und asphaltiert. „In einem anderen Ort haben sich die Einwohner zusammengetan und der Ratten- und Mäuseplage ein Ende bereitet.“ Für Gad allesamt Beispiele, wie Bildung die Menschen freier und glücklicher macht. „Auch wenn einige Väter und Männer, vor allem bei den Muslimen, anfangs oft skeptisch sind, weil die Frau oder Tochter auf einmal kritisch nachfragt oder widerspricht: Viele sind uns hinterher dankbar für das, was wir leisten.“ Damit die Wirkung nachhaltig ist, setzt die Caritas in Ägypten darauf, möglichst viele Bibliotheken zu eröffnen. „Kultur weitet den Horizont. Und außerdem muss das Lesen auch regelmäßig geübt werden, damit es nicht verlernt wird.“ Weil viele arabische Bücher aus dem Ausland vom Niveau zu hoch seien, habe man inzwischen begonnen, eigene Bücher für die Zielgruppe zu entwerfen. „Drei ehemalige Schülerinnen haben zum Beispiel ein Buch getextet und gezeichnet, in dem Bedeutung und Ablauf von demokratischen Wahlen erklärt werden.“

(1307/0487; E-Mail voraus)

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