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Letzte Messe

Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand profaniert im Namen von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann die Klosterkirche Sankt Kilian in Lebenhan

Lebenhan (POW) Zum Abschluss der Feier ist es mucksmäuschenstill im Gotteshaus. Die Altarkerzen sind gelöscht, die Blumen entfernt, die Altardecken abgenommen. Ein Loch klafft in der Altarplatte; dort, wo über Jahrzehnte die Reliquien von Heiligen ruhten. Der Tabernakel steht offen – leer. Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand steht mit dem Allerheiligsten im Chorraum. Von 17 Patres und Priestern, einem Diakon und den Gläubigen der Rhön-Gemeinde Lebenhan begleitet, trägt er den Kelch mit dem eucharistischen Brot aus der weihrauchgeschwängerten Klosterkirche Sankt Kilian durch die dunklen Dorfstraßen der 400-Seelen-Gemeinde zur Kuratiekirche Mariä Geburt.

Es ist die letzte heilige Messe in der Klosterkirche Sankt Kilian in Lebenhan, die Generalvikar Hillenbrand am Abend des Christkönigsfests 2008 feiert. Rund 90 Jahre diente das Gotteshaus den Missionaren von der Heiligen Familie als spiritueller Ort inmitten ihrer Klosteranlage. 1919 erwarb der Orden das Schloss. 1921 wurde die Klosterkirche eingeweiht. Klosteranlage, Missionsschule und Internat entstanden neu. 1938/39 hoben die Nationalsozialisten die Missionsschule auf, 1946 wurde sie wieder eröffnet. Bis 1978 kamen Kinder und Jugendliche in die Ordensschule und wohnten im Internat. Mangelnde Auslastung zwang zur Schließung. Anfang des 21. Jahrhunderts drängte der massive Nachwuchsmangel die Missionare dazu, über den Verlauf des Missionshauses nachzudenken. Am 11. November 2008 war es schließlich soweit: die Klosteranlage wechselte den Besitzer. Zum 1. Dezember 2008 gehört sie der Stiftung Weltkulturerbe der Weisheitslehren.

„Gewiss ist der heutige Tag mit Wehmut verbunden. Die Schließung tut weh, aber wir gehen im Glauben“, sagt der Provinzial der Missionare von der Heiligen Familie, Pater Egon Färber beim Gottesdienst. Dekan Prälat Bernold Rauch aus Bad Neustadt spricht von einem schmerzlichen Einschnitt. Viel Segen sei von diesem Gotteshaus ausgegangen. Provinzial Färber nennt das Gute in den Kyrie-Bitten beim Namen: „Viele junge Menschen wurden hier zu Missionaren ausgebildet, die später in Deutschland, Brasilien, Argentinien, Indonesien und Nord-Norwegen wirkten.“ Er blickt in die Gegenwart und nennt den Einsatz der Missionare von der Heiligen Familie in der Pfarrseelsorge im Raum Bad Neustadt, der auch nach der Klosterschließung fortgesetzt werde. Neue Wege müssten die Patres und die Menschen künftig gehen, die in der Klosterkirche Gottesdienst feierten.

90 Jahre Kloster Lebenhan: Da gibt es aber auch die dunkle Seite, den sexuellen Missbrauch Minderjähriger in den 1970er Jahren, der in diesen Tagen neu ins Licht rückt. „Es wurde hier auch jungen Menschen viel Leid zugefügt und ihnen der Weg in ein unbeschwertes Leben erschwert. Gottes heilende Kraft ist größer als alles Leid“, betet der Provinzial. Und in den Fürbitten bitten die Gläubigen für „die Menschen, denen an diesem Ort großes Leid zugefügt wurde. Stehe ihnen, ihren Ehefrauen und Kindern, ihren Eltern und den Menschen, die ihnen besonders nahe sind, mit Deinem Trost und Deiner Hilfe bei.“

Generalvikar Hillenbrand greift die Missbrauchsfälle in seiner Predigt auf. Da jeder Mensch seine Würde habe, wertvoll sei und in der Begegnung mit ihm etwas von Gott zu finden sei, sei es umso schlimmer, wenn diese Menschenwürde von Christen verletzt werde. „Dies steht im schreienden Widerspruch zur Botschaft Jesu. Deshalb sind die jetzt bekannt gewordenen Vorfälle aus den 1970er Jahren, als Schüler des damaligen Internats sexuell missbraucht wurden, nicht nur in sich bedauerlich und beschämend. Sie wirken gerade deshalb bedrückend, weil doch Erziehung im Glauben die menschliche Entwicklung fördern und nicht schädigen soll.“ Die notwendige Betroffenheit über dieses schlimme Geschehen solle das Bemühen bestärken, einander aufzurichten. Diese Aufgabe bleibe über den heutigen Tag hinaus bestehen, betont der Generalvikar.

Auch wenn einige Patres noch weiter im Raum Bad Neustadt tätig seien, werde dieser Abzug doch von vielen Menschen mit Wehmut gesehen, sagt Hillenbrand weiter. Denn die Missionare von der Heiligen Familie hätten das kirchliche Leben im Ort und in der Region ganz wesentlich mitgeprägt. Die Menschen in Lebenhan sollten sich nicht nur dankbar an die Ordensgemeinschaft erinnern, sondern darüber hinaus darauf achten, dass Familiensinn und missionarische Weltverantwortung miteinander verbunden blieben. Die Profanierung der Klosterkirche erfülle sicher zahlreiche Menschen mit Schmerz. Sie bedeute jedoch nicht, dass dem Glauben hier am Ort die Beheimatung genommen werde. Und schon gar nicht bedeute sie, dass Gott auf dem Rückzug sei, betont der Generalvikar. Von allen Gläubigen sei die verstärkte Sorge darum gefordert, wie der Glaube angesichts neuer Herausforderungen vor Ort gelebt und an die nächste Generation weitergegeben werden könne.

Zum Abschluss der letzten festlichen Eucharistiefeier in der Klosterkirche verliest Hillenbrand das Profanierungsdekret des Bischofs von Würzburg: „Mit Wirkung vom 23. November 2008 verfüge ich hiermit auf Antrag der Missionare von der Heiligen Familie und nach Anhörung der Verantwortlichen die Profanierung der Hauskapelle Sankt Kilian in Lebenhan. Dekanat Bad Neustadt, gemäß Canon 1212 des Kirchenrechts.“ Das Gotteshaus ist ab sofort kein liturgischer Raum mehr. Betroffenheit, Nachdenklichkeit, Stille in der Klosterkirche. Die Altäre werden abgeräumt. Bald werden sie im Kloster in Betzdorf stehen, teils in Kirchen des Bistums Würzburg eine neue Heimat finden. Die Malteser werden die Kirchenbänke nach Rumänien bringen. „Als Kirche sind wir Gottes Volk unterwegs auf dem Pilgerweg zur ewigen Vollendung. Wenn wir jetzt diese Kirche verlassen, wird deutlich, dass wir hier keine bleibende Stätte haben. Wir ziehen aber weiter zur Kirche Mariä Geburt in Lebenhan, die weiterhin für diese Gemeinde als Zentrum des gottesdienstlichen Lebens dienen wird. Auf diesem Weg begleitet uns Christus selbst“, spricht der Generalvikar.

Schweigend zieht die Gläubigenschar mit dem Allerheiligsten aus dem profanierten Gotteshaus. Die Tür der Klosterkirche wird verschlossen. Von Fackeln und Blasmusik begleitet, schreitet die Prozession durch den dunklen Ort. „Dieser Vorgang ist nicht einfach Zeichen für den Abbruch einer wichtigen Phase in ihrer Ortsgeschichte. Sie können diese Handlung im Gegenteil als Signal des Aufbruchs verstehen, als Ausdruck der Gewissheit, dass Jesus mit seiner ganzen Kirche und mit jedem Einzelnen von uns auf dem Weg ist und uns seine liebende Nähe niemals entzieht.“ Die Gedanken des Generalvikars am Schluss seiner Predigt dürften manchen Gläubigen und besonders die Missionare von der Heiligen Familie beim Zug durch die dunklen Ortsstraßen begleiten.

(4808/1446; E-Mail voraus)

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