Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

„Mädchen und Frauen zu einem neuen Anfang verhelfen“

Bischof Jung besucht Einrichtungen der Oberzeller Franziskanerinnen – Gespräche mit Vertreterinnen der frauenspezifischen Wohn- und Begleitangebote sowie der Antonia-Werr-Zentrum GmbH – Besichtigung verschiedener Wohngruppen

Kloster Oberzell/Würzburg/Sankt Ludwig (POW) Über das Engagement der Oberzeller Franziskanerinnen in Oberzell, Würzburg und Sankt Ludwig (Landkreis Schweinfurt) hat sich Bischof Dr. Franz Jung bei einem Besuch am Freitag, 24. Februar, informiert. Die Gründerin der Gemeinschaft, Antonia Werr (1813-1868), richtete ihre ganz Kraft auf das Wohl und die Würde von Frauen in Not. „Unser Auftrag ist bis heute, Mädchen und Frauen in prekären Lebenssituationen wieder zu einem neuen Anfang zu verhelfen“, sagte Generaloberin Dr. Katharina Ganz. Wie den Mädchen und Frauen in ihren schwierigen Lebenssituationen geholfen wird, darüber sprach Bischof Jung mit Vertreterinnen der frauenspezifischen Wohn- und Begleitangebote im Wohnverbund Berscheba und Haus Antonia Werr sowie der Antonia-Werr-Zentrum GmbH, einer gemeinnützigen heilpädagogisch-therapeutischen Einrichtung für Mädchen und junge Frauen.

Nach einem gemeinsamen Gottesdienst mit den Ordensschwestern in der Klosterkirche Sankt Michael in Oberzell erhielt der Bischof Einblicke in das Alten- und Pflegeheim Antoniushaus. Die kommissarische Einrichtungsleiterin Christine Scheller berichtete, dass hier aktuell 33 Ordensschwestern und sieben Seniorinnen aus der Umgebung leben. Die Betreuung sei sehr familiär und individuell, geprägt vom christlichen Menschenbild als Grundlage allen Handelns. Die Gottesdienste in der hauseigenen Kapelle seien ein offenes Angebot für alle.

Der „Fachbereich Frauen“ der Oberzeller Franziskanerinnen gliedert sich in zwei Abteilungen mit einer Vielzahl von individuellen Begleitangeboten. Der eine Bereich bietet Hilfen für Frauen in Krisensituationen an, der andere Bereich widmet sich psychisch erkrankten Frauen.

Weitere Bilder

Im Wohnverbund Berscheba in der Würzburger Innenstadt empfingen die Diplom-Sozialpädagoginnen Karola Herbert und Ute Berger den Bischof. Hier erhalten psychisch erkrankte Frauen Hilfe, wenn sie Opfer von psychischer, physischer oder sexualisierter Gewalt wurden oder andere schwierige Lebensereignisse sie aus der Bahn geworfen haben. Der Wohnverbund umfasst eine stationäre Einrichtung für 17 bis 30 Jahre alte Frauen sowie ambulant betreutes Wohnen für Frauen ab 18 Jahren. Berscheba sei ein Ort, an dem Frauen ankommen, mit dem Lebensnotwendigen versorgt werden, Beistand erfahren, eigene Ressourcen entdecken und Lebensqualität erwerben können. „Jede Frau darf und soll so sein, wie sie ist, und ist hier willkommen“, betonte Berger. Rund zwei bis vier Jahre leben die Frauen in den drei stationären Wohngemeinschaften und werden sozialtherapeutisch unterstützt. Ziel sei es, dass die Frauen ihr Leben wieder selbstbestimmt führen können und lernen, wie sie mit den Auswirkungen ihrer psychischen Erkrankung umgehen können. Nach dem stationären Aufenthalt bestehe für die Frauen die Möglichkeit, ambulant betreut in einer eigenen Wohnung im Stadtgebiet zu wohnen oder eine Wohneinheit im Haus Antonia Werr zu beziehen.

„Im Haus Antonia Werr halten wir für alle Notlagen Wohn- und Begleitmöglichkeiten für Frauen vor“, erklärte Herbert. Dazu zähle das vorübergehende Wohnen in Krisensituationen. „Eine Krisensituation kann zum Beispiel eine Trennung oder Scheidung vom Partner sein, der Verlust der Wohnung oder Mietschulden.“ Die Sozialpädagoginnen helfen bei Fragen der Existenzsicherung und bei Behördengängen, sodass die Frauen nach rund sechs bis 18 Monaten wieder eine eigene Wohnung finden. Ein weiteres Angebot bestehe für wohnungslose Frauen in Form von Kurzzeitübernachtungen. Maximal sieben Nächte im Monat haben Frauen ohne festen Wohnsitz die Möglichkeit, im Haus Antonia Werr zu schlafen, sich zu waschen oder ihre Wäsche zu waschen. „Die Frauen, die in die Kurzzeitübernachtung kommen, sind Einzelkämpfer“, erzählte Herbert. Auch hier wird sozialpädagogische Beratung und Unterstützung angeboten, doch in erster Linie gehe es um die Bereitstellung einer Übernachtungsmöglichkeit. Das dritte Angebot im Haus Antonia Werr richte sich an haftentlassene Frauen, die motiviert sind, mit Unterstützung einen Neubeginn zu wagen. Auch hier ginge es darum, die eigene Existenz zu sichern, Frauen zu resozialisieren und um eine straffreie und eigenverantwortliche Lebensführung. „Gemeinsam schauen wir auch nach beruflichen Perspektiven.“ So arbeite eine der haftentlassenen Frauen inzwischen im Reinigungsbereich eines Hotels, eine andere Frau als Schulbegleiterin.

Anja Sauerer, Geschäftsführerin und Gesamtleiterin der Antonia-Werr-Zentrum GmbH, führte über das Gelände der gemeinnützigen heilpädagogisch-therapeutischen Einrichtung im Kloster Sankt Ludwig bei Wipfeld. „Das Antonia-Werr-Zentrum ist eine Einrichtung für Mädchen und junge Frauen, hauptsächlich aus traumatisierten Hintergründen, aus herausfordernden Lebensumständen, wie wir sagen.“ In kleinen Wohnhäusern und Wohngruppen werden bis zu acht Mädchen pro Haus familienähnlich betreut. Insgesamt verfügt die Einrichtung über 76 vollstationäre Plätze. Mit auf dem Gelände ist die Von-Pelkhoven-Schule. Hier können die Mädchen Klassen mit Förderschwerpunkten besuchen oder zur Berufsschule gehen. „Sie leben hier, sie gehen hier zur Schule, sie machen hier ihre Ausbildung, organisieren den Haushalt und verbringen hier ihre Freizeit“, führte Sauerer weiter aus. Im Vordergrund stehe aber die Therapie und Einzelbetreuung. „Bis die Mädchen bei uns landen, haben sie schon ganz viele Settings hinter sich und traumatisierende fremdbestimmte Situationen erlebt.“ Selbstverletzungen und Ausraster seien keine Seltenheit, weshalb jede Wohneinheit 24 Stunden lang mit Betreuerinnen besetzt ist. Erziehungsleiterin Carina Enderes erklärte: „Bei jeder Selbstverletzung sprechen wir über die kurz- und langfristigen Konsequenzen. Gemeinsam schauen wir dann, was tut dem Mädchen gut, wie können wir ihr helfen, damit es ihr besser geht und damit sie das nicht mehr macht.“

Wenn die Mädchen erkennen, dass sie mehr als ihr Trauma sind und dass in ihnen auch etwas Gutes ist, dann sei das für Sauerer ein sehr heilsamer Schritt und auch eine Art spirituelle Selbstermächtigung. Durch Atemübungen, Meditation oder auch Gebete versuchen die Betreuerinnen, auch einen religiösen Erfahrungshorizont zu eröffnen. Dabei können sie auf die Kompetenz der Oberzeller Franziskanerinnen zurückgreifen. Neun Ordensschwestern leben auf dem Gelände und sind als Gruppenpatinnen auch Ansprechpartnerinnen für die Mädchen und die Betreuerinnen. „Die Unterstützung, die wir durch die Wertschätzung der Schwestern erhalten, schätze auch ich sehr“, erklärte Enderes. Es habe sie selbst sehr berührt, wenn eine Schwester ihr sagte, sie würde heute auch eine Kerze für sie als Betreuerin anzünden. „Die Traumata der Mädchen machen ja auch was mit der eigenen Lebensgeschichte.“

Sehr beeindruckt von dem breiten Angebot der Oberzeller Franziskanerinnen zeigte sich Bischof Jung nach einer gemeinsamen Vesper zum Abschluss des gemeinsamen Tages. „Das Anliegen der Schwestern ist nicht, einfach etwas für die Menschen zu machen, sondern mit den Frauen gemeinsam in ihren jeweiligen Lebenssituationen eine Perspektive zu entwickeln.“ Der differenzierte Blick, das geschulte Fachpersonal und der hohe Betreuungsschlüssel ermöglichten es, gemeinsam einen guten Weg zu gehen. Er schätze besonders das Konzept des guten Grundes, das die Einrichtungen an den Tag legen. „Es geht von den Ressourcen aus, die ein Mensch hat, und nicht von den Defiziten. Oft sehen wir das, was schlecht ist, was nicht funktioniert“, sagte der Bischof. In den Einrichtungen würden die Defizite aber als große Stärke gesehen, denn die Mädchen hätten es geschafft, mit ihrer belastenden Lebenssituation einen guten Umgang zu finden. „Das war ihre persönliche Überlebensstrategie. Und aus dieser Erfahrung der Traumatisierung heraus haben sie versucht, einen Weg in das Leben zu finden, zur Selbstwirksamkeit die eigene Geschichte anzunehmen als Teil des eigenen Lebens.“

rr (POW)

(1023/0265; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet