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Mahnmal mit Mehrwert

Ausstellung im Würzburger Kilianeum-Haus der Jugend zeigt zehn Entwürfe des Projektseminars Religion/Kunst des Würzburger Röntgen-Gymnasiums zum Thema Hexenverfolgung

Würzburg (POW) Zehn Entwürfe für ein „Mahnmal Hexenverfolgung“, jeweils mit ausführlichem Begleittext, sind bis Freitag, 1. Februar, im Würzburger Kilianeum-Haus der Jugend, Ottostraße 1, ausgestellt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines gleichnamigen Projektseminars am Würzburger Röntgen-Gymnasium stellten ihre Entwürfe und die zugrunde liegenden Gedanken am Freitag, 18. Januar, bei einer Vernissage der Öffentlichkeit vor. Alle Entwürfe folgen den Vorgaben der Seminarleiter, auf figürliche Darstellung zu verzichten und ein Denkmal zu entwerfen, das nicht an der Oberfläche stehen bleibt, sondern Gefühle zum Ausdruck bringt, und zeigen neben viel Kreativität auch, dass sich die Gymnasiasten tief mit der komplexen Materie auseinandergesetzt haben.

Wie der evangelische Religionslehrer Pfarrer Martin Wohlleber erläuterte, hätten sich die sechs Männer und vier Frauen in dem Kurs zunächst ausgiebig mit dem Thema Hexenverfolgung beschäftigt. In zahlreichen Referaten sei mit den gängigsten „Mythen“ aufgeräumt worden. So sei die Hexenverfolgung kein Phänomen des Mittelalters, sondern vielmehr vor allem der frühen Neuzeit gewesen. „Auch waren durchaus Männer, teilweise sogar Kinder Opfer des Wahns“, sagte Wohlleber, der das Projektseminar interdisziplinär mit Kunstlehrer Hubert Pfingstl leitete. Das in manchen Filmen gern gezeigte Verbrennen der Verurteilten bei lebendigem Leib zum Beispiel sei entgegen allgemein verbreiteter Vorstellung nicht die gängige Praxis gewesen. „Die Körper der Opfer wurden in der Regel erst nach der Hinrichtung verbrannt.“

Als „schockierend“ bezeichneten es bei ihren Kurzreferaten für die Ausstellungsbesucher die Schüler, dass auch heute noch zahlreiche Menschen, vor allem in einzelnen Ländern Afrikas und Asiens, wegen angeblicher Hexerei verfolgt und umgebracht würden. Auf rund 900 Personen werde die Zahl der Opfer von Hexenverfolgung im Hochstift Würzburg geschätzt. „Schier unfassbar“ sei auch, dass in Würzburg erst 1749 das letzte Opfer der Hexenverfolgung starb: Renata Singer, die damalige Superiorin des Klosters Unterzell.

Die Bandbreite der gezeigten Entwürfe ist sehr groß. Vorgabe für alle war unter anderem, dass das Modell die Grundfläche 50 auf 50 Zentimeter hat und der Umriss eines Menschen dem Betrachter den Maßstab verdeutlicht. Beim Entwurf „Verloren im Untergrund“ schwebt Max Dobry ein Monument unter der Oberfläche vor, das einen labyrinthartigen Weg im Boden von zwei Metern Breite, drei Metern Tiefe und einer Gesamtlänge von rund 50 Metern umfasst. Die unüberschaubare Anordnung des Wegs soll beim Durchschreiten ein Gefühl von Verirrung, Hilflosigkeit und vielleicht auch Angst vermitteln. Die Namen aller bekannten Opfer sind in die Wände gekratzt – als Erinnerung daran, dass damals wie heute Menschen in Gefangenschaft auf diese Weise versuchen, wenigstens eine letzte Spur zu hinterlassen.

Im Zentrum von Isabel Zendehs Entwurf „Der Auflistung Ebenbild“ steht eine wassergelagerte Steinkugel von zwei Metern Durchmesser. Um dorthin zu gelangen, läuft der Betrachter an Spiegelscherben vorbei, auf denen die Namen von den 157 zwischen 1627 und 1629 auf Würzburger Stadtgebiet als Hexen hingerichteten Männern und Frauen stehen. Mit Kreide können Besucher Kommentare auf die Kugel schreiben, bei der Drehung der Kugel verschwinden diese aber als Zeichen der Vergänglichkeit. Der Kugelsockel und die Beschriftung der Spiegel sind in Weiß, der Farbe der Unschuld, in östlichen Kulturen der Farbe des Todes gehalten. Die Spiegel sind in den Boden gerammt und symbolisieren so, dass auch nach ihrer Entfernung Narben bleiben würden.

„Ich kann bis heute nicht verstehen, wie ein Klima in der Gesellschaft entstehen konnte, dass die bloße Behauptung, jemand sei der Hexerei verdächtig, zu dessen Ächtung und schließlich Hinrichtung führen konnte. Die Folter als Verhörmethode war inhuman und hat immer die von den Hexenjägern gewünschten ‚Aussagen und Geständnisse‘ hervorgebracht“, fasste Janine Stafflinger ihre ganz persönlichen Erkenntnisse aus dem P-Seminar zusammen. Für ihren Mitschüler Justus Wiese hat die Beschäftigung mit der Hexenverfolgung wichtige Leitlinien für die Gesellschaft deutlich gemacht: „Wir sind alle aufgefordert, die Individualität jedes Menschen zu respektieren. Nur so gelingt es uns, Vorurteile zu vermeiden, die sonst schnell eine fatale Eigendynamik entwickeln können.“

Kursleiter Wohlleber sieht übrigens gute Chancen, dass einer der zehn gezeigten Entwürfe bald verwirklicht wird. 2016 habe der Würzburger Stadtrat einen Grundsatzbeschluss für ein Denkmal zur Hexenverfolgung gefasst. „Am 22. Januar ist Anhörung zur künftigen Gestaltung des Kardinal-Faulhaber-Platzes. Ich denke, ich gehe mal hin.“  

mh (POW)

(0419/0100; E-Mail voraus)

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