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POW-Serie „12 Wege“ (10)

„Man kommt innerlich zur Ruhe“

Der Kreuzweg Breitbrunn verbindet Kunst, Natur und Spiritualität – 14 Skulpturen aus Sandstein machen Leidensweg Jesu erfahrbar

Breitbrunn (POW) Es ist ein unerwarteter Anblick: Jesus liegt entspannt in einer Schale aus Stein. Der Kopf mit den geschlossenen Augen ist nach rechts geneigt, als würde er schlafen. Nur die unnatürlich hochgezogene linke Schulter deutet an, dass hier etwas nicht stimmen kann. „Eigentlich sollte Jesus hier ganz normal am Kreuz hängen“, sagt Kilian Zettelmeier vor der Station „Jesus stirbt am Kreuz“. „Aber die Künstlerin wollte ihn behütet wissen. Deswegen ist er in diese Steinschale eingebettet.“ Wer mit Kilian (84) und Mechtilde (80) Zettelmeier auf dem Kreuzweg Breitbrunn unterwegs ist, erfährt viele solcher Details über die insgesamt 14 Skulpturen. Seit der Einweihung des Kreuzwegs am 8. Mai 2011 durch Bischof Dr. Friedhelm Hofmann hat das Ehepaar unzählige Menschen auf dem rund eineinhalb Kilometer langen Weg geführt. „Es macht uns viel Freude. Wir haben hier schon so viele schöne Erlebnisse gehabt“, sagt Mechtilde Zettelmeier.

Die Stationen des Kreuzwegs sind eingebettet in einen idyllischen Rundweg am Ortsrand von Breitbrunn. Jede einzelne wurde so geschickt in die Landschaft integriert, als wäre sie schon immer da gewesen. Die Idee dazu sei im Zuge der Flurbereinigung entstanden, erzählt Kilian Zettelmeier. Bürgermeisterin Gertrud Bühl habe sich einen Kreuzweg aus heimischem Sandstein gewünscht, um die Gemeinde kulturell aufzuwerten. Einen Partner dazu fand sie im Amt für Ländliche Entwicklung. Das Projekt wurde mit 80.000 Euro über die Flurbereinigung gefördert, die Bürger spendeten insgesamt weitere 120.000 Euro und investierten außerdem viele hundert ehrenamtliche Arbeitsstunden. Den Zuschlag im Wettbewerb, der 2009 ausgeschrieben wurde, erhielt die Bildhauerin Steff Bauer aus Schweinfurt. Auf ihrer Homepage ist eine zierliche Frau neben riesigen Steinen zu sehen. „Man glaubt nicht, dass sie mit solchen Brocken arbeitet“, sagt Kilian Zettelmeier.

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Wie geschickt Bauer mit unterschiedlichen Perspektiven spielt, wird schon an der ersten Station deutlich: „Jesus wird zum Tode verurteilt“. Ein winziger Pilatus sitzt zwar hoch oben auf seinem Richterstuhl, aber Jesus ist mit ihm fast auf Augenhöhe. „Pilatus sitzt weit oben, aber Jesus ist mächtig“, erklärt Kilian Zettelmeier. Jede Station ist architektonisch wie gärtnerisch so gestaltet, dass es zum jeweiligen Geschehen passt. So steht beispielsweise die zweite Skulptur, „Jesus nimmt das Kreuz an“, inmitten von weiß blühenden Blumen und Sträuchern. Das sei ein Zeichen für die Unschuld Jesu, sagt Mechtilde Zettelmeier. Wenn Jesus das erste Mal unter dem Kreuz fällt, tut er das in einem kleinen Teich, der an diesem Tag allerdings komplett ausgetrocknet ist. „Hier war ursprünglich das Rückhaltebecken von der Flurbereinigung“, erklärt Kilian Zettelmeier. Daraus habe man ein Wasserbecken gemacht. „Niemand kann zu Jesus, niemand kann ihm helfen. Er muss alleine schauen, wie er zurechtkommt.“ Und wenn Jesus seiner Mutter begegnet, dann findet das inmitten von roten Rosen und rotlaubigen Sträuchern statt. „Das steht für die Liebe der Mutter“, sagt Mechtilde Zettelmeier.

Am eindrucksvollsten sind jedoch die Gesichter der Figuren. „Es ist wichtig, dass man in die Gesichter schaut, denn jedes einzelne Gesicht passt zum Geschehen.“ Kilian Zettelmeier umrundet Jesus und Simon von Cyrene, der ihm hilft, das Kreuz zu tragen. „Simon wurde ja gezwungen zu helfen. Aber jetzt geht er auf Jesus zu und klopft ihm auf die Schulter“, sagt der 84-Jährige und zeigt auf die linke Hand des Simon, die auf der Schulter von Jesus ruht. Jesus dreht den Kopf ganz leicht nach hinten, seine Augen scheinen verwundert danach zu suchen, wer ihm da hilft. „Solche Helfer gibt es auch heute noch, zum Beispiel im Krankenhaus oder in der Notfallseelsorge“, sagt Kilian Zettelmeier. Wie Karikaturen wirken dagegen die höhnisch verzerrten Gesichter der Gaffer, wenn Jesus zum dritten Mal unter dem Kreuz fällt. „Wenn jemand ganz unten ist, sind meistens die da, die ihre Freude daran haben“, sagt Kilian Zettelmeier. Wie man selbst reagiert hätte, kann man an der nächsten Station überlegen. Denn der Kopf desjenigen, der Jesus seiner Kleider beraubt, ist eine glatte, gesichtslose Kugel. „Jeder sollte überlegen, ob sein Gesicht auf diesen Kopf passt“, erklärt Kilian Zettelmeier die Gedanken der Künstlerin.

Immer wieder komme es zu berührenden Begegnungen, erzählt Mechtilde Zettelmeier. Als sie eine Kindergruppe der Lebenshilfe begleitet habe, habe ein Mädchen plötzlich gesagt: „Den Jesus mag ich. Darf ich ihn einmal streicheln?“ Später habe das Kind die Jesusfigur umarmt, die ans Kreuz geschlagen wird, um sie zu trösten. Rings um diese Figur hat die Künstlerin eine Arena aus Stein geschaffen. „Sie will, dass die Leute oben stehen und auf Jesus herunterschauen“, erklärt Mechtilde Zettelmeier. Die Vorstellung, man könnte vor rund 2000 Jahren unter den vielen Zuschauern gewesen sein, lässt trotz der warmen Sonne frösteln. Hier singen sie mit den Leuten „Oh heilges Kreuz, sei uns gegrüßt“, erzählen die beiden. „Wenn ich Gebete gesprochen habe, sage ich immer: Jetzt halten wir ein bisschen Stille“, fährt Mechtilde Zettelmeier fort. Dann seien alle andächtig, nicht nur die älteren Menschen.

Vor der Station „Jesus stirbt am Kreuz“ würden die Menschen oft von ihren Schicksalen erzählen. Auch Steff Bauer verbinde mit dieser Station eine besondere Geschichte. Denn mitten in der Arbeit am Kreuzweg habe sie die Station umkonzipiert, erzählt Kilian Zettelmeier. Sie ließ Jesus nicht am Kreuz hängen, sondern bettete ihn in den Stein wie in eine schützende Decke. Aus persönlichen Gründen habe sie diese Station allen Krebspatienten und ihren Angehörigen gewidmet, ist im Flyer zum Kreuzweg zu lesen. „Sie hat in diese Arbeit nicht nur ihr Herz gelegt, sondern auch ihre Seele.“ Für die letzte Station, „Jesus wird ins Grab gelegt“, nutzte die Künstlerin die spezielle Farbgebung des Sandsteins. „Der Stein ist zweifarbig, unten von grün-bläulicher Tönung“, zeigt Kilian Zettelmeier. „Je mehr man hineinmeißelt, desto heller wird er. Das steht für das neue Licht der Auferstehung.“

Wer mag, kann zum Abschluss die Marienkapelle besuchen. Das schlichte, nach einer Seite hin offene Gebäude wurde vom ehemaligen Diözesanbaumeister Jürgen Schädel geplant und in den Jahren 2002/2003 von den Breitbrunnern nahezu komplett aus Breitbrunner Sandstein in Eigenleistung errichtet. Ausgestattet ist die Kapelle mit einer „Muttergottes mit dem Jesuskind“. Die Kapelle und die Muttergottesfigur wurden von Mechtilde Zettelmeiers Bruder Dr. Dr. Eberhard Laubender gestiftet. Eine Bank vor der Kapelle lädt dazu ein, den Blick über die sanft gewellte Landschaft zu genießen, bis hinunter zu den Häusern von Breitbrunn. Für Mechtilde und Kilian Zettelmeier, die zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter Gruppen auf dem Kreuzweg führen, ist der Weg weit mehr als nur ein schöner Spaziergang: „Man kommt innerlich zur Ruhe.“

Stichwort: Kreuzweg Breitbrunn

Der Kreuzweg Breitbrunn in 96151 Breitbrunn (Landkreis Haßberge) startet am Ortsrand von Breitbrunn am Ende des Neubrunner Wegs. Der Weg durch den Ort wie auch der Kreuzweg selbst sind gut ausgeschildert. Der Rundweg umfasst 14 Stationen auf etwa eineinhalb Kilometern und endet an der Marienkapelle. Er ist für alle Altersgruppen und auch für Kinderwägen oder Rollatoren gut geeignet. Eine Führung dauert rund eineinhalb Stunden. Informationen zum Kreuzweg und seiner Geschichte sowie Ansprechpartner für Führungen gibt es auf der Homepage des Freundeskreises Kreuzweg Breitbrunn unter www.kreuzweg-breitbrunn.de. Wer mehr über die Künstlerin Steff Bauer erfahren möchte, findet auf www.steffart.de mehr zu ihrer Arbeit und auch eine Bildergalerie zur Entstehung des Kreuzwegs.

sti (POW)

(4119/1084; E-Mail voraus)

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