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Im Gespräch

„Mehr als Jingle Bells“

Abt Michael Reepen über Weihnachtstraditionen und Rituale im Benediktinerkloster Münsterschwarzach

Münsterschwarzach (POW) Alle Jahre wieder sind der Advent und Weihnachten erfüllt mit Bräuchen und Ritualen wie Adventskränzen, Plätzchenbacken und Krippenspielen. All das gibt es in der Benediktinerabtei Münsterschwarzach auch. Missionsbenediktiner Abt Michael Reepen verbringt sein 38. Weihnachten im Kloster. Was die Unterschiede der Advents- und Weihnachtszeit im Kloster sind, erzählt er im Gespräch.

POW: Was finden Sie das Schönste an Weihnachten im Kloster?

Abt Michael Reepen: Mir gefällt dieses Ruhige in der ganzen Adventszeit. Bei uns ist der Advent wirklich eine stille Zeit. Traditionell gehe ich die erste Woche im Advent auch in Exerzitien, das heißt, dass ich mich zurückziehe und für mich alleine an einem Ort bin. Mir gefällt auch die Weihnachtsnacht am 24. Dezember. Unsere Weihnacht in der Kirche ist sehr nüchtern. Diese Nüchternheit des Weihnachtsfests ist es, was Weihnachten im Kloster für mich ausmacht. Ich habe nichts gegen „Stille Nacht“ und Co., aber ich merke da, dass es noch um etwas anderes als „Jingle Bells“ und „Süßer die Glocken nie klingen“ geht. Da ist mehr!

POW: Wie läuft der Heiligabend ab?

Reepen: Die Kirche und die Räume werden geschmückt. Wir haben jedes Jahr andere Krippen! Wir sind Missionsbenediktiner und haben die Fair-Handel GmbH, wo es Krippen aus aller Welt gibt. Jedes Jahr ist es eine Überraschung, welche wir für die Kirche bekommen und was Pater Meinrad Dufner noch künstlerisch daraus macht.

Nach einer alten Tradition beginnt bei uns der Heiligabend schon am Morgen mit einer Messe. In den liturgischen Texten an diesem Tag gibt es eine Steigerung: „Heute sollt ihr wissen, dass der Herr kommt und morgen werdet ihr schauen seine Herrlichkeit.“ Wenn man den Texten nachgeht, passiert so etwas Ähnliches, wie es bei Kindern passiert: Die Vorfreude und die Spannung steigen. Am Nachmittag feiern wir eine lateinische Vesper. Da singen wir uns hinein in das Weihnachtsfest. Diese ist interessanterweise sehr gut besucht. Nach der Vesper haben wir ein bisschen Zeit für uns, dann findet die Weihnachtsfeier im Refektorium (Speisesaal) statt: Wir kommen zusammen, es ist alles mit vielen Kerzen schön geschmückt, der Kantor singt die Ankündigung der Weihnacht, wir spielen Musik, tragen Gedichte vor, ich halte eine kurze Ansprache und es gibt ein festliches Abendessen.

Nach dieser Feier ziehen wir uns alle nochmal zurück, damit wir für die Christmette um 22.45 Uhr fit sind. Bei der sind wir alle in Weiß gekleidet. Wir singen uns eine Stunde lang mit Psalmen hinein in die Weihnacht. Unsere Weihnacht in der Kirche ist, wie schon gesagt, sehr nüchtern: Wir singen keine typischen Weihnachtslieder, und Christbaum und Krippe sind nicht so sehr im Fokus. Es geht darum, dass das Wort Gottes Mensch geworden ist. Die theologische Aussage, dass Gott einer von uns wird, ist das Thema. Um Mitternacht läuten alle Glocken und die Eucharistiefeier beginnt. Wir haben uns schon gefragt, ob wir unseren Gottesdienst nicht anpassen müssen, damit mehr Leute kommen, denn unsere Liturgie ist eben anders. Da kommen nämlich nicht viele Menschen. Wir beten direkt in der Nacht im Anschluss noch die Laudes. Da sind wir sowieso grade in Fahrt. Das hat auch den angenehmen Vorteil, dass man morgens länger schlafen kann (lacht). So um halb zwei gehen wir dann aus der Kirche. Ein paar junge Brüder oder manche, die Lust haben, setzen sich noch zusammen und feiern Weihnachten.

POW: Gibt es eine Bescherung?

Reepen: Nein, so im klassischen Sinn tatsächlich nicht. An Heiligabend liegt auf dem Platz von jedem Bruder etwas Kleines, entweder ein Büchlein, das grade neu in unserem Vier-Türme-Verlag erschienen ist, oder etwas aus dem Fair-Handel. Aber gegenseitig beschenken wir uns nicht.

POW: Gibt es eine bestimmte Mahlzeit?

Reepen: In jeder Familie gibt es eine Tradition. Ich komme aus dem Badischen, bei uns gab es immer Schäufele, nicht das Fränkische, sondern badisches Schäufele mit Kartoffelsalat. Allein wenn der Duft durch das Haus zog, war Weihnachten. Hier bei uns im Kloster gibt es seit einigen Jahren eine Fisch-Käse-Platte und wir trinken Wein dazu.

POW: Sehen Sie Ihre Familie zur Advents- und Weihnachtszeit mehr als sonst?

Reepen: Die Klostergemeinschaft ist meine Familie. Mit meinen Geschwistern telefoniere ich an Weihnachten und wir treffen uns zweimal im Jahr. Würden wir alle unsere Geschwister oder Freunde zur Weihnachtszeit treffen, wäre ja das ganze Kloster ausgeflogen.

POW: Vermissen Sie etwas von dem Weihnachten aus Ihrer Kindheit?

Reepen: Schäufele und Kartoffelsalat! (lacht) Ich habe eine gute Erinnerung an Weihnachten zu Hause in meiner Familie und darüber bin ich auch sehr froh, aber vermissen tue ich nichts.

POW: Wie bereiten Sie sich in der Klostergemeinschaft auf Weihnachten vor?

Reepen: In der Gemeinschaft haben wir eine ganze Reihe an Ritualen. Zum Beispiel am Samstagabend, jeweils vor den Adventssonntagen, findet eine Lichtfeier in unserem Refektorium zum Anzünden der Adventskerze statt. Wir singen das Rorate und lesen einen meditativen Text. Dabei brennt nur die Adventskerze, sonst ist alles dunkel. Der Sonntag beginnt ja mit der Vesper am Vorabend, deshalb ist das schon am Samstag. Im Anschluss essen wir gemeinsam. In der Adventszeit drehen sich alle Texte im Stundengebet und in der Messfeier um die Ankunft und Wiederkunft des Herrn und das Warten auf ihn. Das ist auch eine große Vorbereitung. Sieben Tage vor Weihnachten singen wir außerdem die O-Antiphonen. Das sind alte Anrufungen des Messias. In der Vesper stimmen wir diese an. Der Abt beginnt, und dann steigen alle anderen mit ein. Parallel dazu läutet die große Glocke. Da spürt man, wie die Spannung steigt. Das ist auch sehr schön! Liturgisch bereiten wir uns also sehr intensiv auf Weihnachten vor. Normalerweise halten wir, wenn wir in der Klausur, also im inneren Bereich des Klosters sind, sowieso das Schweigen. Im Advent besinnen wir uns noch einmal besonders darauf. Im Alltag wird es nämlich auch mal lauter, weil wir wieder mehr reden.

POW: Haben Sie ein Lieblingsweihnachtslied?

Reepen: Seit meiner Kindheit gefällt mir „Oh du fröhliche“. Meistens singen wir das beim Mittagessen am Weihnachtstag. Das ist übrigens auch wunderbar! Die Mitarbeiter aus der Küche kommen dazu und wir singen zusammen „O du fröhliche!“. Das ist inzwischen Tradition.

POW: Sie waren zwei Jahre in Tansania. Wie haben Sie Weihnachten dort erlebt?

Reepen: In Tansania sind die Voraussetzungen völlig anders. Es ist die heißeste Zeit im Jahr. Das Drumherum fällt weg. Die amerikanischen Blinklichter und Weihnachtsmänner sind gerade im Kommen, aber als ich dort war, war das noch nicht so stark. Weihnachtsspiele lieben die Afrikaner sehr. Das ist so ähnlich wie unser Krippenspiel. Dort finden sie aber mit einem echten Baby und mit echten Schafen und Hühnern statt. Das ist unheimlich lebendig. Bei einer Christmette im Kloster musste der Abt einschreiten. Es gibt schon Texte, aber die Afrikaner sind so spontan, dass sie sich nicht so streng an das Skript halten. Mittlerweile gibt es eigene Weihnachtslieder. Sie singen auch „Stille Nacht“ in Kisuaheli, aber wenn dort deutsche Weihnachtslieder angestimmt werden, dann ist das wie eine Bremse. Ihre eigenen Lieder sind im Rhythmus mit den Trommeln und den Rasseln! In Tansania sind die Gottesdienste allgemein lebendiger als in Deutschland.

POW: Müssen Sie aufgrund von Corona die Weihnachts- und Adventszeit im Kloster anders verbringen, als sonst?

Reepen: Intern feiern wir Weihnachten wie immer, weil wir als eine Hausgemeinschaft zählen. Wir werden die Menschen vermissen, die wahrscheinlich weniger an den Gottesdiensten teilnehmen werden. Das war unsere Erfahrung auch in den Kar- und Ostertagen. Die Kirche war leer. Aber wir machen ja die Gottesdienste nicht um eine Wirkung zu erzielen, nicht für eine Pfarrei, da wir keine Pfarrkirche sind, sondern um Gott zu loben und zu preisen. Wir versuchen die Menschen natürlich via Livestream und Gebetsanliegen miteinzubeziehen. Wir haben auch Schutzmaßnahmen. Immerhin leben hier 80 Brüder zusammen und viele davon gehören der Risikogruppe an. Wir sitzen beim Essen oder beim Chorgebet weiter auseinander, und gerade haben wir auch die Regelung, dass niemand zu privaten Veranstaltungen nach draußen geht

POW: Was würden Sie gerne Menschen außerhalb vom Kloster über Weihnachten mitgeben?

Reepen: Weihnachten ist auch dann, wenn ich traurig bin, leide, wenn ich alleine oder in Quarantäne bin. Weihnachten hängt nicht am Gefühl, sondern daran, dass Gott bei mir ist, dass Gott einer von uns geworden und mir nahe geworden ist – näher, als ich mir selber bin. Weihnachten ist, auch wenn es mir schlecht geht. Trotz allem und in allem bin ich nicht alleine. Gott sagt: „Ich bin bei dir.“ Das Tolle ist ja, dass Jesus nicht im Hotelzimmer oder in der Wohnung geboren wurde, sondern im Stall, wo es sehr einfach ist. Also ist Gott auch da, wo ich bin, wo es bei mir sehr einfach ist. Jesus wurde mittenrein geboren, wo es schmutzig ist, wo Ochs und Esel leben. Das heißt auch, dass es keinen Ort bei uns gibt, wo er nicht hineinkommt.

Interview: Magdalena Rössert (POW)

(5120/1316; E-Mail voraus)

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