Aschaffenburg (POW) Mit dem Dialogprozess in der Diözese Würzburg sowie mit dem Umgang von Gesellschaft und Kirche mit der Krise in den Paarbeziehungen hat sich der Diözesanrat der Katholiken im Bistum Würzburg bei seiner Frühjahrsvollversammlung am Samstag, 31. März, befasst. Wegen des Umbaus des Sankt Burkardus-Hauses in Würzburg fand das Treffen der rund 120 Delegierten in diesem Jahr im Aschaffenburger Martinushaus statt.
„Es ist in unserer Gesellschaft ein Tabu, über eine Krise der auf Dauer angelegten Paarbeziehungen zu sprechen“, stellte Referent Norbert Wilbertz im Studienteil der Vollversammlung fest. Als langjähriger Leiter der Ehe-, Familien- und Lebensberatung (EFL) des Bistums Münster ist es ihm ein Anliegen, die Bedeutung der Qualität von dauerhaften Paarbeziehungen für die Gesellschaft bewusst zu machen. In seinem Vortrag betonte er, dass die Zufriedenheit in der Partnerschaft entscheidend sei für das körperliche und seelische Wohlbefinden von Eltern und deren Kindern. „Wenn Kinder merken, dass ihre Eltern sich gernhaben, fühlen sie sich frei und unbeschwert und leben gern“, sagte Wilbertz. Das sei für die Entwicklung der Kinder von schicksalhafter Bedeutung, und auch die Eltern lebten in stabilen Beziehungen gesünder. Neben diesen persönlichen Faktoren hätte von dieser Lebensform aber auch die Gesellschaft als Ganze etwas: Studien bewiesen, dass an der sinkenden Geburtenrate, der Explosion der Kosten im Gesundheitswesen und der steigenden Kinderarmut misslingende Paarbeziehungen einen nicht zu unterschätzenden Anteil hätten. „Die Gesellschaft muss sich klar machen, was es ihr wert ist, dass dauerhafte Partnerschaften gelingen.“ Der Staat gebe nach einer Schätzung rund vier Milliarden Euro aus, um die Folgen von gescheiterten Paarbeziehungen auszugleichen, wende aber nur einen im Promillebereich liegenden Anteil für die Prävention auf.
In drei Workshop-Runden konnten die Delegierten erfahren, was die Diözese Würzburg in der Begleitung von Beziehung zum Beispiel durch die Beratungsarbeit der EFL, den Kontakt über die Kindergärten oder in der Liturgie bereits leistet. Ergänzend zum Studienteil verabschiedete die Vollversammlung einen Antrag, der als ein offizielles Bekenntnis des Diözesanrates zur Wertigkeit von Ehe und lebenslanger Partnerschaft verstanden werden soll. Unter anderem werden darin Land und Kommunen aufgefordert, eine verbesserte staatliche Förderung der Eheberatung zu garantieren und mehr in Prävention zu investieren. Zugleich wird darin die Diözesanleitung aufgefordert, nach Wegen für eine erweiterte seelsorgliche Praxis bei wiederverheirateten Geschiedenen zu sorgen.
Über den Stand des Dialogprozesses im Bistum Würzburg berichtete die Diözesanbeauftragte Monika Albert. Im Oktober 2011 waren vor allem die Laiengremien vor Ort um Rückmeldungen zur Situation der Kirche gebeten worden. Nach einem eher schleppenden Start seien bei der Koordinierungsstelle in Würzburg inzwischen 171 schriftliche Rückmeldungen eingetroffen, davon 71 aus Pfarreiengemeinschaften und 63 von einzelnen Pfarrgemeinderäten. Dazu kommen Eingaben von Verbänden, einzelnen Initiativgruppen und dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Der hatte eine eigene Plakataktion gestartet, an der sich etwa 500 Jugendliche beteiligt haben. Obwohl der offizielle Eingabeschluss vorüber ist, treffen immer noch Rückmeldungen ein.
Auffallend häufig würden nach einer ersten Auswertung Themen benannt, die sich um die Wertschätzung der ehrenamtlichen Arbeit drehen. Der Tenor sei dabei, das Engagement der Laien ernst zu nehmen und mit Verantwortung auszustatten, statt es nur als Zuarbeit für den priesterlichen Dienst zu verstehen. Weitere Themen seien zum Beispiel die Frage nach der Glaubensweitergabe, der Spagat der Priester zwischen Management und Seelsorge, die Zölibat-Regelung oder der Umgang der Kirche mit Frauen und mit wiederverheirateten Geschiedenen.
Die Rückläufe werden derzeit ausgewertet und sollen bis Juli gebündelt an die Dekanate zurückgespiegelt werden. Der Diözesanrat wird sich in seiner Herbstvollversammlung mit den Ergebnissen beschäftigen. Ab Mitte November soll die Phase des „Wahrnehmens und Bewertens“ mit vier regionalen Dialogtagen abgeschlossen werden. In Aschaffenburg, Würzburg, Schweinfurt und auf dem Volkersberg werden dann den Vertretern der Laienräte Ergebnisse der ersten Phase des Dialogprozesses präsentiert. Außerdem soll dort genügend Zeit und Raum sein, um mit Vertretern der Bistumsleitung in den Dialog treten zu können. Danach stehen die Themen fest, die 2013 auf Diözesanebene weiterverfolgt werden sollen und in den Dialogprozess auf Bundesebene eingespeist werden.
Die Vollversammlung verabschiedete noch zwei weitere Anträge. Der Sachausschuss Mission-Gerechtigkeit-Frieden beantragte, dass der Diözesanrat Mitglied beim Aktionsbündnis „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ wird. Dieses Projekt läuft bis zur Bundestagswahl 2013 und hat die Aufnahme eines grundsätzlichen Exportverbots von Waffen und Rüstungsgütern im Grundgesetz zum Ziel. Ein Antrag aus den Reihen des BDKJ fordert die Freisinger Bischofskonferenz auf, ihren Beschluss noch einmal zu überdenken, die „Fachstelle für Prävention sexueller Gewalt an der Landesstelle für Katholische Jugendarbeit in Bayern“ nach nur einem Jahr wieder einzustellen. Da es noch nicht in allen Bistümern Bayerns entsprechend fachlich qualifizierte Anlaufstellen gäbe, sei eine Weiterarbeit dieser Stelle auch ein wichtiges Signal nach außen. Beide Anträge wurden angenommen.
Am Ende der Frühjahrsvollversammlung sprach Bischof Dr. Friedhelm Hofmann ein Grußwort zu den Delegierten. Dabei ging es ihm im Schwerpunkt um die Zukunft der Kirche. „Der heute festzustellende Übergang der Volkskirche in eine Minderheitenkirche zeigt sich nicht nur in den leerer werdenden Kirchenbänken, sondern auch im Pfarralltag“, sagte der Bischof. Die Veränderung der Strukturen alleine könne das nicht auffangen. Er vermutet, dass die Kirche der Zukunft kleiner und ärmer und eine flächendeckende Pastoral nur noch bedingt möglich sein wird. Dagegen werden „geistliche Zentren“ eine größere Rolle spielen, die Kirche würde sich stärker als Weltkirche begreifen, ökumenischer handeln und vor allem eine Gemeinschaft im Glauben sein. „Ältere müssen den Jüngeren von ihren Lebenserfahrungen erzählen und so Gott als ein Du konkret werden lassen, dem ich mich zuwenden kann“, forderte der Bischof in seiner Ansprache.
In der anschließenden Aussprache nahm er auch Stellung zu einem in einzelnen Medien laut gewordenen Vorwurf, er würde als Vorsitzender der Kommission für das Neue Gebet- und Gesangbuch über Rom versuchen, bestimmte Kirchenliederautoren wie Huub Oosterhuis aus der Liedersammlung zu verbannen. „Da wird die Wahrheit auf den Kopf gestellt“, sagte Bischof Hofmann. In Rom würden lediglich die Texte auf ihre Eignung für bestimmte liturgische Verwendungen überprüft. Er äußerte die Gewissheit, dass das neue Gebet- und Gesangbuch gerade für die Menschen der heutigen Zeit eine Hilfe sein werde.
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