Würzburg (POW) Der Würzburger Wolfgang Scharl (52), Landvolkseelsorger der Diözese Würzburg und Leiter der Landwirtschaftlichen Familienberatung der Diözese Würzburg, ist bei der Weltversammlung der Internationalen Vereinigung der Katholischen Landvolkbewegungen (FIMARC) auf dem Volkersberg zum neuen FIMARC-Präsidenten gewählt worden. Für vier Jahre, bis zur nächsten Weltkonferenz 2018, wird er den Verband ehrenamtlich leiten. In folgendem Interview erzählt er von seiner neuen Aufgabe.
POW: Wie fühlen Sie sich als neuer Präsident der FIMARC?
Wolfgang Scharl: Ich freue mich, habe aber auch ein bisschen Respekt vor der Aufgabe. Seit 2002 bin ich als Vertreter der Katholischen Landvolkbewegung (KLB) in der FIMARC aktiv. Das hat mir viel Spaß gemacht und ich habe viele Kontakte in die einzelnen Länder, zu den Menschen an der Basis. Von 2002 bis 2010 war ich zudem Mitglied im erweiterten Vorstand. Ich habe alle vier Kontinente, auf denen es FIMARC-Mitgliedsbewegungen gibt, bereits besucht, denn ich war seit 2002 bei allen Weltkonferenzen und bei verschiedenen Vorstandssitzungen. Ich finde es wichtig, in der Kirche wie in der Politik die Stimmen der Menschen vom Land zu unterstützen. Es geht uns dabei nicht nur um die Landwirtschaft, sondern auch um die Landbevölkerung und alle Themen, die sie betreffen. Und das sind Themen, die die ganze Menschheit betreffen: Jeder braucht Nahrung, jeder braucht eine gesunde Umgebung. Doch wie schaffen wir es, zu einer gerechteren Welt zu kommen?
POW: Wo sehen Sie die Schwerpunkte Ihrer Arbeit als Präsident?
Scharl: Ein wichtiger Punkt meiner Arbeit ist es, den Kontakt zu den Mitgliedsbewegungen und zu anderen Verbänden zu pflegen. Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Finanzen. Die FIMARC finanziert sich zu mehr als 90 Prozent über Zuwendungen von kirchlichen Hilfswerken, doch diese sind in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Auch hier werde ich Gespräche führen. Die FIMARC ist außerdem Mitglied in verschiedenen UN-Gremien, etwa dem Menschenrechtsrat in Genf, und internationalen katholischen Gremien und Einrichtungen, in die wir Vertreter entsenden. Eine wichtige Aufgabe des Vorstands und des Präsidenten besteht auch darin, die politischen Forderungen der FIMARC weiterzugeben und – gemeinsam mit anderen Nichtregierungsorganisationen – gegenüber den Regierungen zu vertreten. So werden wir zum Beispiel an den kommenden Weltsozialforen und anderen Veranstaltungen teilnehmen.
POW: Die FIMARC ist eine weltweite Organisation und umspannt die Kontinente Afrika, Asien, Europa und Amerika. Müssen Sie da nicht ständig unterwegs sein?
Scharl: Ich bin und bleibe hauptberuflich Landvolkseelsorger und Leiter der Landwirtschaftlichen Familienberatung und habe nicht vor, meine Stunden zu reduzieren. Seit vier Jahren mache ich zudem eine sehr intensive Zusatzausbildung als Ehe-, Familien- und Lebensberater, die im Juli zu Ende geht. Die frei werdende Zeit kann ich dann für die Arbeit in der FIMARC verwenden. Was den Zeitaufwand betrifft: Der innere Vorstand der FIMARC trifft sich mindestens ein- bis zweimal im Jahr. Außerdem trifft sich das Exekutivkomitee einmal im Jahr für zehn Tage, um inhaltliche Themen zu diskutieren. Den weiteren Kontakt im Vorstand werden wir hauptsächlich mit E-Mails, Telefon und Skype halten. Ich habe Einladungen auf alle Kontinente erhalten, aber ich muss sehen, wie ich das zeitlich und finanziell angehe.
POW: Was wird Ihre erste Aufgabe als Präsident sein?
Scharl: Anfang Juli wird es ein Treffen mit dem Generalsekretär und dem Kassier in unserem Büro in Assesse/Belgien geben. Dabei wird es um die weitere Planung, aber auch den Abschluss der diesjährigen Weltkonferenz und die Finanzen des Verbands gehen. Im Oktober trifft sich dann der engere Vorstand. Vordringlich ist auch die Umsetzung der Abschlussresolution, die auf der diesjährigen Weltkonferenz verfasst wurde. Darin geht es vor allem um eine Selbstverpflichtung der Mitgliedsbewegungen, sich angesichts der weltweiten Krisen und der daraus resultierenden Not für eine alternative weltweite Entwicklung einzusetzen, die zu mehr Würde, Selbstbestimmung und Demokratie für alle führt. Die stärkere Unterstützung der bäuerlichen familienorientierten Landwirtschaft, der regionalen Wirtschaftskreisläufe und neuer landwirtschaftlicher und ländlicher Entwicklungsprojekte betrachten wir als wichtige Schritte in diese Richtung. Ein ständig wachsendes Problem stellt der fehlende Zugang der Bauern zu Land dar. Durch die Übernahme von Land durch multinationale Großkonzerne und fremde Regierungen (Landgrabbing) geht den Bauern vor Ort ihre Lebensgrundlage mehr und mehr verloren. Es braucht in vielen Ländern der Erde dringend eine effektive Landreform. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass die familienorientierte Landwirtschaft (familiy farming) in die Neuformulierung der Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen aufgenommen wird. Die bäuerliche Landwirtschaft ist ein notwendiger und wichtiger Schritt zur Überwindung des Hungers weltweit. Außerdem unterstützen wir die geplante Deklaration des UN-Menschenrechtsrats zur Erklärung der Bauernrechte als grundlegende Menschenrechte. Die FIMARC möchte damit ihren Beitrag zu einer neuen Form der Geschwisterlichkeit leisten, die anstelle des derzeitigen ungerechten Systems der Gleichgültigkeit und Unmenschlichkeit treten soll, das auch von Papst Franziskus angeprangert und verurteilt wird.
Interview: sti (POW)
(2314/0550; E-Mail voraus)
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