Stadelhofen (POW) Wie arbeiten Landwirte im 21. Jahrhundert? Welche Herausforderungen müssen sie bewältigen? Antworten aus erster Hand hat Bischof Dr. Franz Jung am Donnerstag, 20. Februar, bei einem Besuch in zwei landwirtschaftlichen Betrieben im 185-Einwohner-Ort Stadelhofen (Landkreis Main-Spessart) bekommen. „Ich habe heute ganz viel über die moderne Landwirtschaft gelernt und gesehen, wie hier hochprofessionell daran gearbeitet wird, jedem einzelnen Tier gerecht zu werden. Und es ist deutlich geworden, wie viel Einfluss die Digitalisierung schon in den Ställen genommen hat“, lautete das Resümee des Bischofs zum Ende des Nachmittags.
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Der Bayerische Bauernverband hatte den Bischof zu der Begegnung eingeladen. „Mein erstes Jahr als Bischof galt dem Kennenlernen des Bistums, jetzt möchte ich mich auch näher mit der Lebenswelt der Menschen in Unterfranken beschäftigen“, sagte Bischof Jung. Stefan Köhler, Bezirkspräsident des unterfränkischen Bauernverbands, hob bei der Begrüßung des Gasts hervor: „Wir sind uns der Verantwortung gegenüber der Schöpfung sehr bewusst.“ Er ließ zugleich durchblicken, dass sich die Landwirte durch gesetzliche Vorgaben gegängelt und zu Unrecht an den Pranger gestellt fühlen. „Auch über die Aussagen einiger kirchlicher Vertreter im Zusammenhang mit dem Bienen-Volksbegehren haben wir uns geärgert“, ergänzte Wilhelm Böhmer, Direktor des Bauernverbands Franken.
Erste Station der Besichtigung war der Milchviehbetrieb der Brüder Martin (38) und Frank Scheiner (36). Beide führen die elterliche Landwirtschaft in fünfter Generation fort. Weil sie nicht auf jährlichen Urlaub und auch einmal ein freies Wochenende verzichten wollten, hätten die Brüder 2016 beschlossen, einen neuen größeren Stall zu bauen, von dessen Ertrag dann beide leben können. „Es gibt wohl derzeit in Unterfranken kaum eine modernere Anlage“, erklärte Landwirtschaftsmeister Martin Scheiner. 120 Milchkühe plus Nachzucht sind in dem sogenannten Kaltluftstall untergebracht. „Fränkisches Fleckvieh – keine Klappergestelle wie die in Norddeutschland verbreiteten Schwarzbunten.“ Ganz nebenbei bekomme er beim Verkauf der Tiere seiner Rasse, die sowohl für Milch- als auch für Fleischerzeugung geeignet sei, einen ordentlichen Preis vom Metzger. Ein Kunststoffnetz an den Seiten des Stalls schützt die Tiere vor Zugluft, sorgt aber zugleich für Belüftung und ein für die Tiere angenehm kühles Klima. Zudem ist das Dach isoliert. Im Stall können die Tiere sich frei bewegen, haben speziell gepolsterte Liegeflächen und automatische Rotationsbürsten, an denen sie sich das Fell striegeln lassen können. Im Sommer gibt es auch einen Außenbereich, den die Tiere dann vor allem in der Kühle der Nacht gerne nutzen. „Das Futter erzeugen wir zu mehr als 99 Prozent selbst“, betonte Martin Scheiner. Mit seiner Bedarfsschätzung von rund 50 Kilogramm pro Tag und Kuh lag der Bischof zum Erstaunen von Martin Scheiner richtig. Mit rund 200 Hektar bewirtschafteter Fläche habe der Hof genug Reserven, um auch Ausfälle in trockenen Jahren auffangen zu können, erklärte er dem Bischof.
Je nach Tier ein- bis viermal pro Tag reihen sich die Kühe beim Eingang zum Melkroboter ein. Fasziniert beobachtete Bischof Jung, wie die Maschine die Zitzenbecher kameragesteuert ansetzt und melkt. „Auf der Anzeige können wir dabei ablesen, welche Kuh gerade gemolken wird, wie viel Liter anhand der vergangenen Tage und der aktuellen Laktationskurve heute zu erwarten sind und wie viel davon bereits gemolken sind.“ Über einen Transponder im Halsband kann der Computer das jeweilige Tier erkennen. Regelmäßig würden die Meßwerte der Milch jeder einzelnen Kuh erfasst. Ändere sich beispielsweise die elektrische Leitfähigkeit, weise das frühzeitig auf Mangelerscheinungen oder eine beginnende Erkrankung hin. Alle zwei Tage kommt dann der Kühl-Lkw und bringt die Milch in die Molkerei nach Würzburg. „Wer bestimmt eigentlich den Milchpreis?“, wollte der Gast aus Würzburg wissen. „Die Discounter“, lautete die lakonische Antwort der Vertreter von Bauernverband und Katholischer Landvolkbewegung (KLB). Bischof Jung interessierte sich auch für das Thema Gülle und erfuhr, dass diese komplett als Dünger auf die Felder aufgebracht werde. „Und zwar insgesamt in deutlich geringerer Menge als beispielsweise in anderen Teilen Deutschlands, wo bis zu drei Kühe pro einen Hektar gehalten werden“, wie Martin Scheiner betonte.
In Schutzanzug und Überschuhen ging es dann weiter in den Schweinemastbetrieb von Peter Kraft. „Kühe sind sehr robuste Tiere, Schweine ähneln von der Empfindlichkeit für Infektionen eher Kleinkindern“, erklärte dieser die notwendige Maßnahme. 2000 errichtete Kraft den außerhalb des Orts gelegenen Stall, 2007 erweiterte er diesen nochmals um die gleiche Größe. „Jeder Stall war zu seiner Zeit das Aktuellste.“ Im älteren Teil sind jeweils 30 Schweine in Kleingruppen zusammen, im neuen werden die Tiere in Großgruppen gehalten. Nach den gesetzlichen Bestimmungen könnte er in der Anlage insgesamt 1500 Tiere halten. Da er sich der Initiative für Tierwohl angeschlossen habe, halte er aber nur 1350 Tiere. Für die Region sei die Anlage damit „eher groß“. „Die Tiere haben hier mehr Platz und Licht und bekommen zudem Beschäftigungsmöglichkeit wie zum Beispiel Stroh. Und auch der Verlust an Tieren reduziert sich dadurch“, erklärte er dem Bischof. Gerne würde Kraft beispielsweise einen Außenbereich für die Schweine schaffen. „Es gibt aber weit und breit keinen Vermarkter, mit dessen Hilfe diese Investition sich finanzieren ließe. Es wird auf dem Markt nur Bio, Tierwohl oder gesetzlicher Standard nachgefragt. Dazwischen nix.“ Er selbst liefere seine Tiere nach Crailsheim, weil es in Unterfranken selbst keine Weiterverarbeitung in großem Stil mehr gebe.
Die Ferkel der Rasse Danzucht Duroc mit einem Gewicht zwischen 25 und 30 Kilogramm bezieht Kraft aus Dänemark. „Wichtig ist, die Tiere immer aus dem gleichen Betrieb zu bekommen, damit es keine Probleme mit eingeschleppten Infekten gibt.“ In viereinhalb Monaten werden diese dann auf das Schlachtgewicht von etwa 120 Kilogramm gemästet. Erfreulich sei für die Schweinemäster die derzeit hohe Nachfrage aus China. Früher habe das fernöstliche Land selbst 53 Prozent der Weltproduktion an Schweinefleisch erzeugt. Wegen der afrikanischen Schweinepest sei dieser Wert jetzt auf 28 Prozent gesunken – bei konstant hoher Nachfrage. „Das stabilisiert uns nach mehreren schlechten Jahren derzeit ganz massiv die Preise.“ Beim Gang durch die Ställe erfuhr Bischof Jung dann unter anderem, dass die Schweine sehr reinliche Tiere sind. „Sie haben einen festen Bereich zum Koten, einen zum Fressen, einen zum Liegen und einen für Aktivität.“ Im Übrigen seien die Schweine entgegen ihres Rufs auch sehr intelligente Tiere. „Meinen Vater und mich erkennen sie an der Stimme und sind dann völlig entspannt. Sobald sie aber unbekannte Stimmen vernehmen, werden sie neugierig.“ Von Seiten des Tierwohllabels gebe es dreimal im Jahr Kontrollen – auch unangekündigt. „Das ist für mich natürlich ein zusätzlicher Leistungsansporn.“
Auch im Schweinestall gab es für Bischof Jung ein Beispiel des Einflusses der modernen Technik zu entdecken: Gebannt ließ er sich im Büro von Landwirt Kraft zeigen, wie anhand optischer Vermessung jedes einzelnen Tieres in der Futterbucht vom Computer bis auf 100 Gramm genau dessen Schlachtgewicht und das zu erwartende Gewicht von wichtigen Fleischstücken wie Schinken oder Lachs errechnet wird.
mh (POW)
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