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„Miteinander sind wir Volk Gottes“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann anlässlich des 50. Jubiläums der Julius-Echter-Gilde am 24. März 2012 in der Pfarrkirche Stift Haug in Würzburg

Liebe Schwestern und Brüder,

heuer feiert die Julius-Echter-Gilde ihr 50-jähriges Bestehen. In der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie am 18. Dezember 1961 durch die Gesellschaft Sankt Sebald in Nürnberg gegründet. Ihr Ziel: Die Erneuerung und Vertiefung unseres Glaubens mit der entsprechend ausgerichteten Auswirkung auf die Gestaltung und Formung unserer Gesellschaftsordnung. Wenn auch die Julius-Echter-Gilde bei uns nur 41 Mitglieder zählt, so ist doch ihre Bedeutsamkeit gerade heute im Blick auf die christliche Erneuerung Europas wichtig.

Zusammen mit anderen Freundeskreisen des ‚Cartell Rupert Mayer’ waren Vorbild bei der Gründung die mittelalterlichen Dombauhütten, die in solidarischer Gemeinschaft großartige Dome errichteten. Jetzt aber sollen dank Ihrer Anstrengungen nicht steinerne Kathedralen erbaut werden, sondern geistige Dome. Die Mitglieder stellen deshalb an sich selbst zuerst die Aufgabe der Pflege des religiösen Lebens, die aktive Mitarbeit (der Laien) an der Heilssendung der Kirche und die Bereitschaft, sich bei der Auseinandersetzung mit Zeitfragen und Zeitströmungen zu beteiligen.

Deshalb sind auch eine qualifizierte Leistung in Beruf und Gesellschaft Voraussetzung und die Pflege der Freundschaft und regelmäßige Zusammenkünfte notwendig.

Vor einiger Zeit fuhren Busse durch europäische Großstädte mit der provokanten Aufschrift: „Eine schlechte Nachricht: Wahrscheinlich gibt es Gott nicht – und die gute Nachricht: Du brauchst ihn auch nicht.“ Mit diesen wenigen Sätzen werden wir auf die Problematik unserer Zeit gestoßen. Vorbei sind die Zeiten, da der Glaube den Lebensalltag prägte. Selbst bei vielen Katholiken ist der Kontakt zu ihren Pfarrgemeinden, zu katholischen Verbänden und Organisationen zurückgegangen.

Wir merken dies nicht nur an den leerer werdenden Kirchenbänken sondern ganz konkret auch im Pfarralltag. Das höre und erlebe ich auch wieder ganz konkret bei meinen Visitationen. Viele fragen sich: Wird der Glaube an Gott zur Marginalie in unserer Gesellschaft? Wie geht es mit unserer Kirche weiter? Das heutige Tagesevangelium führt uns mitten in die zeitaktuelle Debatte: Für wen halten die Leute den Menschensohn? Jesus Christus steht im Mittelpunkt.

Die Auseinandersetzungen um Jesus spitzen sich gefährlich zu. An Jesus scheiden sich die Geister, spalten sich die Meinungen. Er ist so anders als sie alle, „noch nie hat ein Mensch so gesprochen“, und zugleich ist er wie einer wie sie, und dazu einer, der aus dem wenig geachteten Galiläa kommt. Das geht schwer zusammen. Auch für uns ist das oft so: Jesus, Mensch und Gott zugleich? Ein Gott, der am Kreuz stirbt? Für uns? Damit wir leben? Rechne ich mit ihm in meinem Alltag? Befrage ich ihn? Spreche ich ihn an?

„Nicht nur Gott kennen wir allein durch Jesus Christus, auch uns selbst kennen wir nur durch Jesus Christus, Leben und Tod kennen wir allein durch Jesus Christus. Ohne ihn wissen wir weder, was unser Leben, noch was unser Tod, noch was Gott ist, noch was wir selber sind.“ (Blaise Pascal)

An der Person Jesu scheiden sich die Geister: damals wie heute. Für die einen ist er nur ein Prophet („Er ist wahrhaftig der Prophet“) und für andere der Messias, der göttliche Erlöser („Er ist der Messias.“) Die Gerichtsdiener wundern sich: „Noch nie hat ein Mensch so gesprochen.“ Und Nikodemus fasst sich den Mut, ihn vor einer übereilten Verurteilung zu retten: „Verurteilt etwa unser Gesetz einen Menschen, bevor man ihn verhört und festgestellt hat, was er tut?“ Die Hohenpriester und Pharisäer glauben sich im Recht zu sein: „Lies doch nach: Der Prophet kommt nicht aus Galiläa.“

An der Person Jesu Christi entscheidet sich die Wirkkraft unseres Glaubens. Zentrale Mitte unseres Glaubens ist die Einheit von Erlösungstod und Auferstehung Jesu Christi.

Woher nehmen wir die Gewissheit, dass Jesus wirklich auferstanden ist? Es heißt doch immer: Es ist noch keiner von den Toten zurückgekommen. Doch, einer ist zurückgekommen: Jesus Christus. Das bezeugen die Frauen am leeren Grab. Einige werden mit Namen genannt: Maria von Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus und Salome. Maria von Magdala bringt Petrus und Johannes dazu, zum Grab zu laufen und sich zu überzeugen, dass das Grab leer ist. Das Märchen vom gestohlenen Leichnam Jesu macht die Runde.

Die Apostel können das Wunder der Auferstehung noch nicht begreifen. Sie müssen erst selbst dem Auferstandenen begegnen. Das geschieht am Ostersonntagabend. Zwei weitere Jünger begegnen dem auferstandenen Herrn auf dem Weg nach Emmaus. Andere Begegnungen schließen sich an und werden in den Heiligen Schriften festgehalten. Die Begegnung mit Thomas – im Kreis der Apostel – ist nur eine davon.

Paulus bemerkt an einer Stelle, dass noch 500 Personen leben, die dem Auferstandenen begegnet sind (Vgl. 1 Kor 15,6).

Man kann also nicht von Einbildung, Halluzination einiger religiöser Fanatiker reden. Die Zahl der Augen- und Ohrenzeugen ist zu groß, der Zeitraum, in dem sie dem Auferstandenen begegnet sind, zu lange, der Preis für diese Botschaft, der eigene Tod, zu hoch. Mit der Auferstehung Jesu Christi kommt erst unsere Auferstehungshoffnung ins Blickfeld. Das bedeutet: Die Sicht auf unser Leben verändert sich damit völlig. Denn jetzt gilt nicht mehr der einfache Kreislauf von Geborenwerden und Sterben, von Aufblühen und Vergehen, vom lapidaren Satz: Lasst uns heute leben, denn morgen sind wir tot.

Jetzt gilt vielmehr, dass unser Leben sich in das ewige Leben Gottes hinein verantworten muss. Mit dem Blick auf das Weiterleben nach dem Tode verändert sich die Sicht auf unser Heute. Jetzt kommt eine neue Werteordnung zum Tragen: Nicht eine Ellenbogenmentalität schafft Vorteile und Zufriedenheit, sondern Nächstenliebe und Einhaltung der göttlichen Ordnung. Nicht innerweltlich lässt sich das eigentliche, wahre Glück finden, sondern erst vollendet im Himmel.

Was heißt das für die Zukunft der Kirche?

Es gilt die heutige Krisensituation ernst zu nehmen und uns innerkirchlich nach dieser Osterbotschaft auszurichten! Auch für unsere Zeit gilt: Ecclesia semper reformanda! – Die Kirche ist ständig zu reformieren. Das heißt aber nicht, dass wir uns einfach der säkularen Welt anpassen. Wir müssen vielmehr uns kritisch-konstruktiv mit ihr auseinandersetzen. Es geht nicht um eine möglichst liberale und angepasste Kirche, sondern um eine im ursprünglichen Wortsinn radikale, also eine von den Wurzeln (radix) her erneuerte Kirche, die aus dem Wort Gottes und den Sakramenten lebt, aus dem Gebet und dem Geist der Umkehr, im Dienst für Andere.

Das Zweite Vatikanische Konzil deutet Kirche als Volk Gottes unterwegs – durch die Zeiten und zu den Menschen. Miteinander sind wir Volk Gottes in dieser Zeit und für diese Zeit.

Kardinal Kasper schreibt in seinem Buch Katholische Kirche: „Wer die Kirche erneuern will, muss sich begeistern lassen … von einer wahrhaft katholischen Vision der Kirche, wie sie uns in der Heiligen Schrift, bei den Kirchenvätern und im letzten Konzil begegnet.“

Dass die Julius-Echter-Gilde (JEG) in aller Festesfreude auch weiterhin den Grundsatz des heiligen Ignatius von Loyola „Alles zur größeren Ehre Gottes“ verwirklichen möge, ist mein Wunsch am heutigen Tage. Amen.