Aschaffenburg/Miltenberg (POW) Die Bürger im Großraum Aschaffenburg hatten es der Jury leicht gemacht: Mit einem eindeutigen Votum schlugen sie den Miltenberger Pfarrer Ulrich Boom für den „Mutig-Preis 2006“ vor. Die Jury stimmte dem Vorschlag zu. Die Auszeichnung war vor zwei Jahren ins Leben gerufen worden und soll Menschen überreicht werden, die sich durch mutiges und gemeinnütziges Verhalten hervorgetan haben. Mit dem überregionalen Preis wurde in diesem Jahr der katholische Bischof Dr. Franjo Komarica aus der Diözese Banja Luca in Bosnien-Herzegowina geehrt.
„Es braucht Menschen, die ihrem Gewissen folgen“, forderte der Aschaffenburger Oberbürgermeister Klaus Herzog in seinem Grußwort. Und genau das kann man vom Miltenberger Pfarrer Ulrich Boom sagen. Er hatte am 22. Juli 2006 die Glocken seiner Jakobuskirche 20 Minuten lang läuten lassen und damit die Kundgebung einer NPD-Jugendorganisation in seiner Stadt verhindert. Der Kapuzinerpater Felix Kraus, Guardian des Klosters in Altötting und noch durch seine Zeit in Aschaffenburg sehr mit dem Mutig-Preis verbunden, hielt die Laudatio auf den regionalen Preisträger. „Glocken sollen die Lebenden rufen, die Toten begleiten und Blitze brechen“, erklärte Pater Felix in seiner Rede. Dies sei Pfarrer Boom in jeder Beziehung gelungen, denn den Lebenden sei sein Glockengeläut ein Friedenszeichen geworden. An die durch den Naziterror im Zweiten Weltkrieg Gefallenen hätten sie außerdem erinnert und die Blitze, die sich in den Runenzeichen der Nazis wiederfinden, hätten sich in Miltenberg nicht entladen können. Kraus äußerte sich zufrieden damit, dass die gegen Boom erhobene Anklage am 16. November 2006 fallen gelassen worden sei.
Boom nahm den Preis mit den Hinweis entgegen, dass Läuten alleine nicht gegen das rechte Gedankengut helfe. Die Gesellschaft müsse sich vor allem überlegen, wie sie den jungen Leuten helfen könne, damit sie nach Schule und Lehre ihr Leben mit Sinn gestalten können. Dazu sollten die Glocken auch wach machen.
Die 500 Euro, die als Preisgeld mit der regionalen Auszeichnung verbunden sind, spendete Boom an den überregionalen Preisträger Bischof Dr. Franjo Komarica. Dieser musste in den Jahren 1992 bis 1995 die Verfolgung der katholischen Bevölkerung seiner Diözese durch die bosnischen Serben miterleben. Dabei hat er „durch unerschrockenen und unermüdlichen Einsatz bewaffnete Konflikte größeren Ausmaßes verhindert“, heißt es in der Urkunde, die dem Bischof überreicht wurde. Die von ihm aufgebaute Caritas ließ in dieser Zeit allen Menschen – gleich welcher Nationalität und Religion – humanitäre Hilfe zuteil werden. Sein Ordinariat wurde in der Krisenzeit zu einem Hospital umgebaut, in dem alle behandelt wurden. Bischof Komarica verließ trotz großer Gefahr für Leib und Leben die Stadt nicht, weil er wusste, dass er für viele eine moralische Stütze war. In der Laudatio wies Doris Pack, Abgeordnete im Europäischen Parlament, darauf hin, dass die Zustände in Bosnien-Herzegowina immer noch beklagenswert seien. „Bischof Franjo wird auch heute noch als Störenfried bezeichnet, wenn er die Ungerechtigkeiten benennt“, sagte die Politikerin.
Der Bischof betonte in seiner Dankesrede, dass mit diesem Preis auch seine vielen Mitarbeiter geehrt würden, von denen einige in den Krisenjahren ihr Leben lassen mussten. „Die Geschichte von Deutschland und die meines Landes muss uns lehren, wohin das Schweigen führt“, sagte er sichtlich bewegt. Er schloss mit den Worten: „Ich habe nicht die richtigen Worte, um meinen Gefühlen Ausdruck zu geben“ und stimmte deswegen ein einfaches kroatisches Danklied an. Seine Rede und sein Lied wurden von der Versammlung mit stehendem Applaus beantwortet.
Der Aschaffenburger Mutig-Preis versteht sich als „Bürgerpreis“, der nicht von einer Institution oder Organisation verliehen wird. Inspiriert von der Geschichte des Kapuzinerpaters Bernhard, der 1631 die Stadt Aschaffenburg durch seinen mutigen Einsatz vor der Zerstörung gerettet haben soll, haben Wolfgang Gärthe und Harald Maidhof gemeinsam mit Kapuzinerpater Felix Kraus diese Auszeichnung ins Leben gerufen. Sie wollen damit zum Nachdenken anregen und Mut zur Zivilcourage machen. Die Preisträger erhalten eine Urkunde und einen silbernen Teller, der sich auf die Legende von Pater Bernhard bezieht. In der Jury sitzen Vertreter aus Wirtschaft, Medien und Kirche, die Kosten für die Übergabe und das Preisgeld werden aus Spendengeldern finanziert. Der Preis wurde heuer zum zweiten Mal vergeben. Die nächste Preisverleihung ist im November 2008 geplant.
Burkard Vogt (POW)
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