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Neue Einblicke in totaler Dunkelheit

Café Blind Date macht auf Schwierigkeiten blinder Menschen aufmerksam – Kooperation von Deutscher Pfadfinderschaft Sankt Georg und Café Domain – Noch bis Freitag jeweils von 18 bis 21 Uhr für die Öffentlichkeit zugänglich

Würzburg (POW) Die Verwirrung scheint komplett: „Ist das hier ein Feldweg?“, fragt Mareika Schmieg (18) unsicher, als sie sich mit dem weißen Stock in der Hand auf dem Kopfsteinpflaster vortastet. „Bleib stehen, da kommt ein Auto“, entgegnet Sabrina Zink (18) und packt ihre Mitschülerin energisch am Arm. Mareika ist eine von insgesamt 75 Studierenden der Fachakademie für Sozialpädagogik Sankt Hildegard, die sich am Dienstag, 24. Oktober, für ein paar Minuten in der Welt von Blinden orientieren. Ausgerüstet mit Verdunkelungsbrille und Blindenstock versuchen sie, die Eingangshalle und den Hof des Würzburger Kilianeums zu erkunden.

Bereits zum dritten Mal laden das Café Domain und die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) gemeinsam in das Kilianeum – Haus der Jugend ein, um eine Auseinandersetzung mit der Lebenswelt Blinder und Sehbehinderter zu ermöglichen. Während sich ein gutes Dutzend Jungen und Mädchen vor der Tür zum Dunkelcafé spielerisch mit dem Nichtsehen auseinandersetzt, sitzt ein anderes Dutzend im komplett verdunkelten großen Saal des Domain.

„In der Mitte des Tisches stehen Süßigkeiten für Euch. Bedient Euch und versucht zu erkennen, was es ist“, ermuntert Irmgard Guttenthaler-Güthlein. Zusammen mit zwei ebenfalls blinden Kolleginnen bedient sie die Gäste. Besonders Mutige bestellen sich zu ihrer Getränkeflasche ein Glas. „Ich muss immer schmunzeln, wenn ich mitbekomme, dass die Gäste das Dunkel nutzen, um Rosinen und andere Trockenfrüchte aus der Schüssel in die Flasche zu stopfen“, erklärt Guttenthaler-Güthlein. Nicht alle Gäste bleiben in der Dunkelheit gelassen: Gleich nachdem Evelyn Bausch, Behindertenreferentin der DPSG, ein erstes Grüppchen an den Tisch geführt hat, muss sie ein Mädchen durch die Lichtschleuse wieder mit ins Helle nehmen. „Manche bekommen durch die komplette Dunkelheit einfach Beklemmungen.“

Drinnen löchern die Jugendlichen die Bedienungen mit Fragen. Sie erfahren zum Beispiel, dass es ein spezielles Farberkennungsgerät gibt, das Blinden hilft, farblich passende Kleidungsstücke auszuwählen; dass der weiße Stock und nicht die drei schwarzen Punkte auf gelbem Grund offizielles Erkennungszeichen der Blinden ist; oder dass Ordnung die einzige Chance ist, bestimmte Dinge in der Wohnung wieder zu finden.

„Was ist das denn Komisches?“, fragt ein Mädchen, als es ein größeres rundes Stück mit Loch in der Mitte aus der Schüssel mit den Süßigkeiten fischt. Jutta Meddermeyer, die den Tisch betreut, weiß zunächst auch keine Antwort: „Es fühlt sich porös an. Ich weiß nicht, was es sein soll. Probier doch mal, wie es schmeckt.“ „Ein bisschen sauer.“ „Dann muss es ein Apfelring sein.“

Vor der Tür zum verdunkelten Saal verfolgt Lehrer Dr. Frithjof Grell, wie andere Schüler mit Verdunkelungsbrillen auf den Augen Akustikmemory spielen: Sie schütteln kleine Döschen und versuchen, jeweils Paare zu erhorchen, die gleiche Geräusche machen. „Hier erfahren die zukünftigen Erzieherinnen und Erzieher, dass Behinderung nicht einfach ein abstraktes Thema ist, das wie andere auch im Unterricht behandelt wird. Wer etwas am eigenen Leib erlebt, hat einen ganz anderen Zugang dazu.“

Dem kann Mareika nur zustimmen. „Es ist ungewohnt und schwierig, sich auf das Gehör und den Stock verlassen zu müssen, um den Weg zu finden.“ Und Sabrina gibt zu, dass sie deutlich mehr Anweisungen gegeben hat, als es Vorgabe war. „Ich habe doch gesehen, wie schwer sie sich getan hat. Und dann kam da noch plötzlich dieses Auto vom Parkplatz.“ Geradezu panisch habe sie sich gefühlt, schildert Min Schamberger (19) ihre Erfahrung im Dunkelcafé. Und auch Veronika Albert (19) fand die Erfahrung, plötzlich gar nichts mehr sehen zu können, sehr komisch und befremdlich. Ganz cool geben sich dagegen die Jungs wie Jochen Schleiermacher (22) und Toni Witt (22). Anfangs sei die Dunkelheit ganz neu gewesen, doch dann hätten sie es schnell geschafft, sich zurechtzufinden und mit der Situation umzugehen. „Aber ein Leben lang blind sein – das ist schon schlimm“, sind sich die beiden sicher.

Das Café Blind Date im Kilianeum – Haus der Jugend, Ottostraße 1, in Würzburg ist noch bis einschließlich Freitag, 27. Oktober, täglich von 18 bis 21 Uhr für die Öffentlichkeit geöffnet.

(4306/1489; E-Mail voraus)

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