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Neue Wege gehen

Wort von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann bei der Herbstvollversammlung des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Würzburg am Freitag, 13. Oktober 2006

(Es gilt das gesprochene Wort!)

Liebe Schwestern und Brüder!

Ich möchte mein Wort zu dieser Vollversammlung in einen größeren Rahmen stellen. Ich möchte beginnen beim Besuch des Heiligen Vaters in seiner Heimat und dann ausführlich auf die Prozesse eingehen, die unser Bistum in der kommenden Zeit prägen und für die Zukunft bereiten werden.

1. Eindrucksvoll und tief bewegend waren die Tage des Besuchs unseres Heiligen Vaters Papst Benedikt XVI. in unserem Land. Das Leitwort „Wer glaubt, ist nie allein“, unter dem sie standen, wurde eindrücklich mit Leben gefüllt. Hunderttausende haben an den Begegnungen mit dem Papst, den Gottesdiensten und Gebeten in München, Altötting und Regensburg teilgenommen, Millionen haben diese an den Bildschirmen verfolgt. Es war etwas spürbar von der großen Gemeinschaft der Glaubenden, es war wirklich etwas erfahrbar von der allumfassenden Katholizität der Kirche. Ich hoffe, dass diese Erfahrungen weiterwirken können und die Impulse des Heiligen Vaters zu einer Vertiefung unseres Glaubens und des Glaubenslebens führen werden. Allein das tiefe Erlebnis, im Glauben nicht allein zu sein, sondern in einer nahezu unüberschaubaren Zahl Gleichgesinnter zu stehen, Alten und Jungen, Frauen und Männern, Kindern und Jugendlichen, stärkt den eigenen Glauben. Solche Ereignisse sind wichtig, um die Größe des Glaubens zu erfahren und immer wieder auch feststellen zu können: Ich stehe da nicht allein mit meinem Glauben und meiner Treue zur Kirche, ich bin kein Exot, der von den modernen und scheinbar aufgeklärten Menschen belächelt wird.

2. Mit dem Ende des Papstbesuchs fiel für unsere Diözese die Veröffentlichung der „Richtlinien für die Errichtung von Pfarreiengemeinschaften“ zusammen, die an alle Hauptamtlichen in der Seelsorge, die Vorsitzenden der Pfarrgemeinderäte und Dekanatsräte verschickt wurden. Diese von vielen vorbereiteten und mitgetragenen Richtlinien sind ein wichtiges Instrument, um unsere Diözese in die Zukunft zu führen. Deshalb habe ich diesen Richtlinien einen Brief beigegeben. Mit ihm habe ich den nun mit aller Kraft anlaufenden Prozess der Errichtung der Pfarreiengemeinschaften in unserem Bistum mit den strukturellen und inhaltlichen Neuorientierungen unter das Leitwort „Neue Wege gehen – Die Freude an Gott ist unsere Stärke“ gestellt. Sie hören darin einen wichtigen Anklang an den diözesanen Dialogprozess „Wir sind Kirche – Wege suchen im Gespräch“, der vor zehn Jahren begonnen, nun einen vorläufigen Abschluss gefunden hat. Dazu findet am Samstag, den 25. November, ein Diözesantag statt unter dem Titel: „Blick zurück nach vorn – 10 Jahre Pastoraler Dialog – Herausforderungen für die Kirche der Zukunft“.

Hieß es damals „Wege suchen“, so geht es heute darum, „neue Weg zu gehen“. Wir können nicht beim „Wege-Suchen“ stehen bleiben, sondern müssen auch fündig werden und neue Wege gehen. Wir stehen also weiterhin in diesem Pastoralen Prozess, den mein Vorgänger Bischof Paul-Werner begonnen hat und führen ihn mit den notwendig folgenden Schritten fort.

3. Wir stehen in einer Situation des Aufbruchs. Es ist an der Zeit, neue Wege zu gehen. Diese neuen Weg müssen vor allen Dingen miteinander und aufeinander zu gegangen werden. Der Aufbruch selbst ist etwas Ambivalentes: wer aufbricht, muss meist etwas zurücklassen, nicht alles kann mitgenommen werden. Manches von dem, was zurückbleibt, ist Ballast, den losgeworden zu sein man froh ist. Manches ist aber auch Liebgewordenes, um das man Trauer tragen wird. Zudem bleibt die Frage, lohnt sich der Aufbruch? Wird die Zukunft, zu der wir uns aufmachen, das bringen, was sie verspricht, oder ist diese Zukunft selbst ungewiss und düster?

Es ist klar, dass manches nicht mehr geleistet werden kann. Und es stellt sich die Frage: Wo wäre ein Verzicht auf bisher Praktiziertes durchaus zu verantworten im Blick auf einen gerechteren und effektiveren Einsatz unserer Kräfte und Möglichkeiten?

Wichtig erscheint mir, dass dieser Aufbruch innerhalb einer zu bildenden Pfarreiengemeinschaft miteinander gewagt wird. Es geht nicht darum, dass eine Gemeinde vorprescht und andere hinterher gezogen werden müssen. Es geht auch nicht darum, dass eine Gemeinde sich die anderen einverleibt. So kann kein fruchtbares Miteinander entstehen. Denn in diesem Miteinander liegt ein Gewinn.

4. In diesem Prozess der Entwicklung von Pfarreiengemeinschaften geht es um die Schärfung des Profils. Es ist wichtig, das je eigene Profil jeder bisherigen Gemeinde wahr- und ernstzunehmen. Denn auch in der Pfarreiengemeinschaft wird die Identität der einzelnen Gemeinde nicht verloren gehen. Das eigene Profil mit den eigenen Stärken aber auch mit den Schwächen wird jede Gemeinde in die Pfarreiengemeinschaft einbringen. Dieses Profil ist Gabe und Aufgabe zugleich. Im Miteinander der Pfarreiengemeinschaft muss nicht mehr jede Einzelgemeinde alles können und leisten. Sie kann von dem, was anderen Gemeinden gut gelingt, profitieren und Hilfestellungen erfahren, sie kann selbst mit dem, was ihr selbst gelingt, andere Gemeinden beschenken. Denn keine Gemeinde, egal wie groß oder klein, kann alles, und keine Gemeinde kann nichts. Um zu entdecken, was das eigene Profil ist, ist es wichtig, ehrlich auf sich selbst zu schauen und dankbar die Synergieeffekte durch den Zusammenschluss anzunehmen. Ich denke dabei zum Beispiel an die Kinder- und Jugendarbeit, Chorgemeinschaft, etc.

5. Ich will nicht verschweigen, dass der Prozess der Entwicklung einer Pfarreiengemeinschaft für manche Gemeinden ein schmerzlicher Prozess sein kann. Viele von Ihnen haben in den letzten Jahren schon entsprechende Erfahrungen machen müssen, die mit den gravierenden Umbrüchen und den vielschichtigen Veränderungen in der Pastoral einhergehen. Der schwerste Verlust für viele Gemeinden war und wird es wohl auch sein, dass aufgrund des Priestermangels kein Priester mehr vor Ort sein kann. Dies ist auch eine Belastung für die Priester, die sich um mehrere – häufig sehr unterschiedliche – Gemeinden kümmern müssen.

In vielen, vor allen in den kleinen und ländlichen Gemeinden sind die Verletzungen und Wunden der staatlichen Gebietsreform von 1972 noch spürbar. Damals wurden vielen Gemeinden ihre politische Eigenständigkeit, ihr Bürgermeister genommen. Inzwischen haben häufig auch der Laden vor Ort und das Wirtshaus geschlossen, jetzt muss man auch noch den Pfarrer hergeben oder zumindest mit anderen teilen. Oft aber liegen die Vorbehalte der einzelnen Gemeinden, die in einer neuen Pfarreiengemeinschaft zusammengeschlossen werden sollen, noch tiefer in der Geschichte verborgen oder sie sind atmosphärischer Natur. Schnell findet man scheinbare und wirkliche Gründe, warum man mit den anderen nicht zusammenarbeiten und kooperieren könnte. Das Trennende ist schneller gesehen und benannt als das Verbindende. Suchen Sie aber bitte nicht das Trennende, sondern das Gemeinsame und Verbindende. Das grundlegend Gemeinsame und Verbindende ist unser Glaube an Jesus Christus.

Ich bitte eindringlich darum, die Hilfsangebote zu nutzen, die den Prozess der Entwicklung von Pfarreiengemeinschaften begleiten sollen. So können manche Verletzungen, die aus der Geschichte überkommen sind, entdeckt und vielleicht auch geheilt werden. Nur so wird eine neu errichtete Pfarreiengemeinschaft nicht auf einem kranken und verletzten Fundament errichtet werden, sondern wirklich kraftvoll in die Zukunft gehen können. Es ist wichtig, dass sich die Gemeinden, die zu einer Pfarreiengemeinschaft verbunden werden sollen, einander wirklich kennen lernen und so auch schätzen lernen.

6. Mit Sicherheit wird es neben diesen Verlusterfahrungen aber auch Erfahrungen des Gewinns geben. Ein erster Gewinn kann es sein, wenn durch den Blick auf das Profil, die eigene Identität erkannt und vertieft wird. Es kann ein Gewinn sein, wenn eine Gemeinde eine andere beschenken und unterstützen kann, mit dem was sie gut kann und ihr gut gelingt. Genauso kann es ein Gewinn sein, selbst mit Erfahrungen und Hilfen anderer beschenkt zu werden. Ich hoffe vor allem, dass die neu erfahrene Gemeinschaft ein Gewinn ist und das Motto des Papstbesuchs, „Wer glaubt ist nie allein“ auch in den entstehenden Pfarreiengemeinschaften greifbar und erlebbar wird. Es wird auch zu einer erneuten Auseinandersetzung und Vertiefung des Glaubens kommen. Denn mit diesem strukturellen und organisatorischen Prozess muss auch ein geistiger und spiritueller Prozess einhergehen. In diesem spirituellen Prozess muss der Glaube vertieft werden. Über allem muss die Frage stehen, was konkret vor Ort versucht wird, um Menschen für den Glauben zu gewinnen, so dass sie anfangen, ihr Leben überzeugend aus dem Evangelium heraus zu gestalten. An dieser Frage entscheidet sich Zukunft.

7. Ich lade Sie ein, ermutige und bitte Sie dringend, diesen notwendigen Weg hin zur Errichtung von Pfarreiengemeinschaften mitzutragen und zu fördern. Andere Bistümer haben dies in einem wesentlich kürzeren Zeitrahmen und mit viel gravierenderen Einschnitten (Auflösen der Pfarreien und rapide finanzielle Kürzungen) bewerkstelligen müssen. In einer solchen kürzeren Zeit ist meines Erachtens wohl die strukturelle und organisatorische Einrichtung einer Pfarreiengemeinschaft möglich. Soll sie aber ein lebendiges und lebensfähiges Gebilde sein, ist es wichtig, dass neben allem Organisatorischen und Strukturellen die Vertiefung des Glaubens und der Spiritualität nicht zu kurz kommt. Ist Jesus Christus die Mitte des Glaubens und einer einzelnen Gemeinde, so muss er auch die Mitte einer Pfarreiengemeinschaft sein. Ich kann mir vorstellen, dass die notwendigen Wege miteinander und aufeinander zu vom Bild des Pilgerns und der Wallfahrt geprägt sein können und vielleicht sogar bewusst ein Stück weit als solche Wege gemeinsam gegangen werden sollten. Nutzen Sie schon bestehende Möglichkeiten und bauen Sie sie aus.

Gehen Sie mit den Haupt- und Ehrenamtlichen neue Weg, bleiben sie miteinander dabei im Gespräch auf allen Ebenen. Ermutigen Sie in den Gremien und Verbänden, diesen Prozess konstruktiv zu unterstützen und zu begleiten. Wir gehen neue Wege in die Zukunft und dürfen darin auch erfahren, dass Kirche lebendig und die Freude an Gott unsere Stärke ist.

(4206/1459)