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Im Gespräch

Neun Tage lang Weihnachten

Pfarrer Dr. Blaise Okpanachi über Weihnachtsbräuche in Nigeria

Oberthulba (POW) Ob Weihnachtsbaum oder Krippe, bestimmte Weihnachtsgerichte und Plätzchen – jeder pflegt gewisse Traditionen. Und die genannten sind besonders deutsch. Aber wie sieht es in anderen Ländern aus? Zum Beispiel in Nigeria in Afrika. Dr. Blaise Okpanachi, Pfarrer für die Pfarreiengemeinschaft „Sankt Michael im Thulbatal, Oberthulba“, stammt aus Nigeria und berichtet im Interview, wie Weihnachten in seiner Heimat gefeiert wird.

POW: Wie wird in Nigeria Weihnachten gefeiert? Was gibt es für besondere Traditionen und Bräuche?

Pfarrer Dr. Blaise Okpanachi: Weihnachten ist in Nigeria wie in Deutschland ein Familienfest. Zu Weihnachten treffen sich alle Mitglieder der Familie im Elternhaus. Die Menschen verlassen die größeren Städte und kehren zu ihren Wurzeln zurück, um die Geburt Jesu zu feiern. Bei meiner Familie kommen zum Beispiel alle neun Geschwister mit ihren Ehegatten und Kindern. Meine Eltern haben mittlerweile 35 Enkelkinder. Insgesamt sind wir zirka 50 Personen. Wir haben acht Schlafräume. Viele der Kinder und Enkelkinder werden im Hof schlafen. Aber im Dezember regnet es nicht, da ist die Trockenzeit. Es ist zwar ein bisschen kälter, aber es hat immer noch um die 25 Grad. Außerdem haben wir nur zwei Toiletten und zwei Duschen, das heißt bei Bedarf muss man Schlange stehen.

An Heiligabend beginnen die Gottesdienste meistens um 22 Uhr und dauern meist drei bis vier Stunden. Während des Gottesdienstes wird als Zeichen der Freude über die Geburt Jesu viel getanzt. Auch die Kinder sind beim Gottesdienst dabei und singen, tanzen und klatschen mit. Manchmal schlafen sie auch ein und wachen dann wieder auf. Danach setzen sich die Familien daheim zum Feiern zusammen. Zu Weihnachten werden in meiner Region, rund um die Stadt Ankpa, Ziegen und manchmal Hähnchen geschlachtet. Jeder bekommt genug zu essen. Ein besonderer Brauch ist, dass die Nachbarn sich gegenseitig mit Essen beschenken. Christen beschenken Christen, aber auch Moslems und Anhänger der afrikanischen Religionen und vor allem Freunde. Es kommt nicht darauf an, welchem Glauben man angehört. Die Muslime beschenken einen auch umgekehrt an ihren Festen. Am Abend gibt es auch noch einen Umzug durch die Stadt. Es ist so wie Karneval mit Maskerade, und den kann man anschauen.

POW: Was war Ihr schönstes Erlebnis an Weihnachten als Kind?

Okpanachi: Für mich waren die schönsten Erlebnisse, dass ich jedes Jahr von meinen Eltern Weihnachtskleidung bekommen habe. Das ist ein Highlight für jedes Kind. Ein Kind wird sehr traurig sein, wenn es zu Weihnachten keine neue Kleidung bekommt. Die Kinder glauben übrigens nicht an das Christkind und wissen, dass sie die Kleidung von ihren Eltern bekommen. Außerdem gibt es die Weihnachtskleider schon vor dem Weihnachtsfest, damit die Kinder sie an diesem Tag tragen können. Die Kleider sind aus afrikanischen Stoffen. Schöne Erlebnisse waren auch, dass wir an Weihnachten viel Fleisch zu essen bekommen haben, was es im Laufe des Jahres nicht so gibt.

POW: Was ist der größte Unterschied zwischen Weihnachten in Deutschland und Weihnachten in Nigeria?

Okpanachi: Ein großer Unterschied ist, dass Weihnachten in meinem Gebiet in Nigeria neun Tage gefeiert wird. In dieser Zeit besuchen Freunde und Familien sich gegenseitig. Kinder laufen von Haus zu Haus und besuchen ihre Freunde. Sie bekommen ein kleines Weihnachtsgeld als Geschenk, das sie den Eltern geben. Dieses Geld wird im Laufe des Jahres von den Eltern für das Kind verwendet, zum Beispiel für Kleidung. Richtige Weihnachtsgeschenke, wie hier in Deutschland bei der Bescherung, gibt es in Nigeria nicht. In Nigeria gibt es auch keinen Weihnachtsbaum und keine Krippe, weder in der Kirche noch zu Hause. Es gibt wenige Ausnahmen, mit Weihnachtskrippen in der Kirche, aber in der Regel handelt es sich um den Einfluss europäischer Missionare beziehungsweise die Priester haben eine Zeit in Europa verbracht. Die Ordensschwestern oder Mesner machen vor dem Gottesdienst alles picobello, dekorieren den Altar und zünden mehr Kerzen an als sonst. Auch die Wohnungen werden geputzt, damit Jesus in eine saubere Umgebung zu uns kommt. In die neuntägige Weihnachtsfeier fällt auch der Jahreswechsel, dabei ist Silvester nicht so entscheidend. Um 22 oder 23 Uhr beginnt der Gottesdienst und man feiert dann in das neue Jahr. Der Jahresbeginn ist viel wichtiger.

POW: Würden Sie gerne eine nigerianische Tradition in Deutschland einführen wollen oder andersherum?

Okpanachi: Ich fände es schön, wenn auch in Nigeria an Weihnachten Krippen in den Kirchen stehen würden. Andererseits fände ich es schön, wenn auch in Deutschland die Freude über die Geburt Jesu ersichtlich wäre, zum Beispiel, wenn im Gottesdienst getanzt und geklatscht wird. Manchmal versuche ich das auch hier in den Gemeinden, mit Tanz und Trommel, damit die Leute die Freude am Glauben spüren. Am Anfang denken viele „Oh lieber Gott, was ist das?“. Aber es dauert nicht lange, dann machen alle mit.

POW: Wird in Nigeria an Weihnachten gesungen und gibt es ein bestimmtes traditionelles Weihnachtslied?

Okpanachi: In Nigeria wird an Weihnachten viel gesungen, bekanntestes Lied ist „Silent Night“, auf Deutsch „Stille Nacht“, außerdem wird viel getanzt und geklatscht. Und es gibt noch das Lied „Igula Halleluja“. Zuhause wird dann auch nach dem Gottesdienst noch weiter gesungen.

POW: Gibt es ein spezielles Weihnachtsgericht?

Okpanachi: Das spezielle Weihnachtsgericht ist Reis mit Tomatensoße und Ziege oder Hähnchen. Am 23. und 24. Dezember werden sie geschlachtet. Am 25. Dezember stehen die Frauen schon um 4 Uhr auf und fangen an zu kochen, und die Kinder fangen dann um 7 Uhr an, Essen zu verteilen. Während dieser Tage wird auch mehr auf arme Leute geachtet, man gibt zum Beispiel den Bettlern Essen. Plätzchen gibt es nicht. Stattdessen gibt es Chin Chin, die sind aus Mehl und werden frittiert. Es ist eher ein Snack.

POW: Wie feiern Sie in diesem Jahr persönlich Weihnachten?

Okpanachi: An Heiligabend werde ich zwei Christmetten in meiner Pfarreiengemeinschaft halten, am ersten Weihnachtsfeiertag zwei Festgottesdienste. Danach werde ich mit einer Familie und Freunden zusammen feiern.

Das Interview führte Anna-Lena Ils (POW)

(5119/1378; E-Mail voraus)

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