Würzburg (POW) Das Fest des heiligen Antonius von Padua fällt in diesem Jahr auf den Pfingstmontag. Die Franziskaner in Würzburg laden ein, den Tag des großen Heiligen ihres Ordens am 13. Juni mitzufeiern. Bei den Gottesdiensten in der Franziskanerkirche wird eine kostbare Reliquie aus Padua aufgestellt sein. Viele Menschen rufen den heiligen Antonius vor allem dann an, wenn sie etwas suchen. Im folgenden Interview erläutert Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand die Bedeutung dieses Volksheiligen.
POW: Warum wird der heilige Antonius von Padua besonders angerufen, wenn Menschen Dinge nicht finden können?
Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand: Antonius ist nicht der Leiter des himmlischen Fundbüros – das wäre ein magisches Missverständnis. Sein „Spezialpatronat“ als Helfer beim Auffinden verlorener Dinge hat historisch gesehen zwei Anhaltspunkte: Zum einen ist bezeugt, dass sich die Menschen schon zu seinen Lebzeiten (1195-1231) an ihn mit großen und kleinen Anliegen wandten, weil offenkundig von ihm eine Wirkung ausging, die viele fasziniert und Vertrauen geschaffen hat. Wenn irgendwo das Wort „Santo subito“ zutrifft, dann bei diesem populären Glaubenszeugen der ja schon ein Jahr nach seinem Tod heiliggesprochen wurde. In diesem Zusammenhang entstand dann im Zug der Antonius-Verehrung ein mittelalterliches Lobgebet, das mit den Worten „si quaeris“ beginnt – auf Deutsch: „Wenn du suchst“. Dabei werden auch Verlusterfahrungen im Glauben und im Leben angesprochen, die man dann sehr konkret auf verlorene Gegenstände („res perditae“) hin gedeutet hat. So lautete etwa früher ein häufig gebrauchtes Stoßgebet: „Heiliger Antonius, du kreuzbraver Mann, führ mich dahin wo mein Schlüssel sein kann.“
POW: Ist eine solche Verzweckung von Heiligen überhaupt für aufgeklärte Menschen und reflektierte Christen noch zeitgemäß?
Hillenbrand: Würde man Antonius als himmlischen Helfer sehen, der unsere menschlichen Schlampereien ausbügelt, wäre dies in der Tat eine verkürzte Sicht. Ich kann aber gerade heute seiner Verehrung einen sehr aktuellen Bezug abgewinnen: Unser Leben wird immer hektischer. Wir tun uns zunehmend schwer, in unseren Alltag eine Struktur zu bringen, in die wir die Einzelheiten einordnen können. Leicht macht sich eine innere Unordnung breit, die sich nicht selten so auswirkt, dass wir die Übersicht verlieren oder schlichtweg Dinge vergessen. Es war nun gerade ein Kennzeichen des heiligen Antonius, dass er Menschen, die mit ihm zu tun hatten, dabei half, wieder den Überblick über ihr Leben und seine konkrete Gestaltung zu gewinnen. Wenn man die Beziehung zu ihm von daher angeht und gleichzeitig weiß, dass gerade verlorene Dinge im Alltag viel Ärger und innere Unruhe erzeugen können, dann macht die betende Erinnerung an den Heiligen aus Padua auch heute durchaus Sinn: Er kann uns Mut machen, das alltägliche Chaos zu ordnen und auch Verlusterfahrungen vom Glauben her anzugehen.
POW: Wenn trotz der Einschaltung des heiligen Antonius der gesuchte Gegenstand verloren bleibt: Wer hat dann eigentlich versagt? Der Beter oder der himmlische Fürsprecher?
Hillenbrand: Ich stelle eine Gegenfrage: Wann ist ein Gebet denn erhört? Wenn exakt das eintrifft, was ich mir wünsche, oder wenn es mir hilft, eine bestimmte Situation im größeren Zusammenhang des Glaubens zu sehen? Ich erinnere mich an einen jungen Mann, der seinen Ehering verloren hatte. Das war ihm äußerst unangenehm. Bei der intensiven Suche trieb ihn nicht in erster Linie die Unruhe nach dem Verlust eines materiellen Gegenstandes – schließlich ist ein solcher Ring ja zuerst ein Symbol für Liebe, Treue und Gemeinschaft und von daher ein ganz kostbares Zeichen der Erinnerung. In den fol-genden Wochen kamen ihm – auch beim Gebet zum heiligen Antonius – verstärkt die Bedeutung und den Wert seiner Ehe und der inzwischen größer gewordenen Familie zu Bewusstsein. Auch wenn er den Ring nicht mehr gefunden hätte – glücklicherweise ist er wieder aufgetaucht – hat ihm die „himmlische Kontaktaufnahme“ doch ein Stück weit auf die Sprünge geholfen, sich intensive Gedanken über sein Leben zu machen. Wenn Heiligenverehrung diese Wirkung hat, ist schon viel erreicht.
POW: Worin liegt für Sie selbst die Bedeutung des heiligen Antonius?
Hillenbrand: Ich sehe die Antonius-Verehrung über bestimmte Einzelanliegen hinaus noch in einem größeren Zusammenhang: Dieser Heilige wird meist mit dem Jesuskind dargestellt, das er auf dem Arm trägt. Mir macht dies zum einen ganz allgemein deutlich, dass recht verstandene Heiligenverehrung immer zu Jesus selbst hinführt. Zum anderen kann gerade Antonius als „Helfer bei Verlusterfahrungen“ deutlich machen, dass die Verbindung mit Jesus nichts Automatisches und Selbstverständliches darstellt, sondern dass es durchaus Lebensphasen gibt, in denen sie in Vergessenheit geraten oder verloren gehen kann. Da können charismatische Glaubensgestalten wie dieser mittelalterliche Franziskaner, der durch seine Predigten und sein ganzes Auftreten unzähligen Menschen zu einer tragfähigen Christusbeziehung verholfen hat, gerade in einer Zeit des oft verunsicherten und angefochtenen Glaubens Mut machen, diese Verbindung neu zu suchen und verstärkt zu pflegen.
Zur Person des heiligen Antonius:
Fernando, im Jahr 1195 in Lissabon geboren, wird Augustiner-Chorherr. 1220 wechselt er in Coimbra/Portugal zum noch jungen Orden der Franziskaner und nimmt den Namen Antonius an. Auf dem berühmten Mattenkapitel an Pfingsten 1221 in Portiuncula bei Assisi lernt er den Ordensvater Franziskus kennen, der ihn später als Lehrer der Theologie einsetzt. Nach seiner Entdeckung als Predigttalent im Jahr 1222 in Forlì/Emilia-Romagna wirkt Antonius noch neun Jahre in Südfrankreich und Norditalien, bis zu seinem Tod am 13. Juni 1231 in Arcella, vor den Toren seiner Lieblingsstadt Padua. Millionen von Gläubigen und Verehrern besuchen jährlich die Antonius-Basilika in Padua und legen bittend und dankend ihre Hand auf die Marmorplatte am Grabaltar. Diese prachtvolle Seitenkapelle wurde vor einem Jahr restauriert und ist auch für Kunstsachverständige ein Anziehungspunkt. Im Würzburger Franziskanerkloster ist am Fest des heiligen Antonius eine kostbare Reliquie aus Padua aufgestellt. Die Gläubigen sind eingeladen, die Reliquie zu berühren und dem Heiligen ihre Anliegen ans Herz zu legen. Verteilt werden Andachtsbildchen und gesegnete Antonius-Brötchen. Die Gottesdienste am Pfingstmontag in der Franziskanerkirche Würzburg finden um 6.30, 8, 9.30, 11 und 17.30 Uhr statt. Beim Festgottesdienst um 9.30 Uhr spielt die Kapelle Gropp.
(2311/0629; E-Mail voraus)
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