Lieber Herr Generalvikar,
lieber Herr Ruppert,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Redaktion des Sonntagsblattes und unseres Medienhauses,
liebe Festgäste aus nah und fern,
Karl Valentin und das Wunder der Tageszeitung
"Es ist doch erstaunlich, dass jeden Tag genau so viel passiert, wie in eine Zeitung passt." So hat einmal gleichermaßen tiefsinnig wie humorvoll Karl Valentin gesagt. Hinter dieser These steht die mutige Annahme, die Zeitung sei ein realitätsgetreues Abbild der Wirklichkeit. Die erfahrenen Zeitungsleser wie Zeitungsmacher unter uns wissen, dass dem nicht so ist.
Was heißt „passieren“?
Und dennoch, die Feststellung, dass jeden Tag genauso viel passiert, wie in eine Zeitung passt, gibt zu denken. Denn nähme man Karl Valentin beim Wort, müsste man nachfragen, was er denn genau unter „passieren“ versteht.Vielleicht ergäbe ja eine Begriffsklärung, dass seine These trotz allen offensichtlichen Widerspruchs dennoch zu halten ist. Denn nur das, was wirklich „passiert“, „passt“ auch in die Zeitung und hat dort seinen Platz. Also: Was heißt „passieren“?
Den Willen des himmlischen Vaters tun
Darauf gibt das heutige Evangelium eine klare Antwort.„Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut.“
Eine starke Headline in Form eines aufrüttelnden Zitats. Als „passieren“ kann man nach Jesus nur Tatbestände bezeichnen, bei denen Menschen nachweislich den Willen des Vaters im Himmel tun. Nur diese Taten sind wirkliche „Fakten“. Und nur darüber lohnt es sich, zu berichten. Und nur das „passt“ am Ende des Tages in die Zeitung, in eine Kirchenzeitung zumal.
Aufsehenerregend ist allein das Werk der Liebe
Für die Medienvertreter haben wir mit dieser Unterscheidung ein Qualitätskriterium gewonnen, aus dem sich alles andere ergibt. Denn wie Jesus im Evangelium fortfährt, gibt es viele, die für sich in Anspruch nehmen, wunderbare Taten vollbracht zu haben und sich dabei noch auf seinen Namen berufen.
Aber Jesus lässt sich davon nicht überzeugen. Sein Urteil ist unbestechlich - und hart. Ihm geht es nicht wie den weltlichen Medien um aufsehenerregende Taten, die unter der Rücksicht der Aufmerksamkeitsökonomie alles andere in den Schatten stellen wollen. Ihm geht es - wie er selbst sagt - nicht um prophetische Ankündigungen, von denen die Blätter nur so strotzen. Auch nicht um vermeintliche Machterweise oder gar Dämonenaustreibungen, die nach Aufmerksamkeit heischen.
Lasst euch davon nicht beeindrucken, auch wenn das scheinbar für die Quote gut ist. Nein, Faktum ist nur, was dem Willen des himmlischen Vaters entspricht. Und das ist oft unspektakulär. Es ereignet sich im Kleinen, im Alltäglichen. Jesus hatte dafür einen hellwachen Blick. Er sieht die arme Witwe, die ihr Scherflein hochherzig in den Tempelkasten wirft. Er sieht den kleinen Zachäus, der sich im Baumwipfel verstiegen hat. Er schätzt das Jota, den kleinsten unter allen Buchstaben. Und er weiß, dass nur dem, der im Kleinen treu ist, auch einmal Großes anvertraut wird.
Übertragen könnte man sagen, dass sich das Große kirchliche Wirken nicht in einer breiten Öffentlichkeit abspielt, sondern dafür überhaupt erst Öffentlichkeit hergestellt werden muss, gerade in einer Kirchenzeitung. Für die Mühen der Kindererziehung in unseren Kindertagesstätten; für die entsagungsreiche und liebevolle Pflege in unseren Alten- und Behindertenhilfeeinrichtungen; für den Dienst an den Obdachlosen und Armen bei der Bahnhofsmission und weit darüber hinaus. Denn im Sinne Jesu passiert das wirklich und muss unbedingt seinen Platz in unseren Medien finden.
Dies gilt gerade in Zeiten, in denen viele Menschen gar keine Nachrichten mehr hören und einfach abschalten. Gute Nachrichten sind gefragt. Denn dem Phänomen der Nachrichtenvermeidung kann nur begegnet werden mit Nachrichten, die zeigen, dass das Gute möglich ist, dass die Wahrheit getan werden kann und auch schon längst getan wird, um wieder ein Herrenwort zu zitieren (Joh 3,21).
Nicht die Nachricht des Tages, sondern die Nachricht, die über den Tag hinaus wert ist, gelesen zu werden
Kritischer katholischer Journalismus weist sich unter dieser Rücksicht aus durch die Gabe der Unterscheidung, was „Kritik“ ja im eigentlichen Wortsinn bedeutet. Dieser Journalismus sieht mit den Augen des Herrn auf die Dinge. Es geht im wörtlichen Sinn von „Jour“-nalismuseben nicht um die Nachricht des Tages, auf die die Athener zum Leidwesen des Apostels Paulus derartversessen waren, so dass sie keinen Sinn mehr für wirklich Bedeutsames hatten (Apg 17,21).
Nein, nicht die Nachricht des Tages ist gefragt, sondern die Nachricht, die über den Tag hinaus Gültigkeit besitzt und lesenswert ist, weil sie auferbaut und dazu anregt, selbst zu „Tätern des Wortes“ zu werden, wie der Jakobusbrief mahnt (Jak 1,22).
Alles andere droht zur „Journaille“ zu verkommen.
Die Wahrheit ist krisenfest
„Jeder, der diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut.“
Mit dieser Feststellung ermutigt Jesus seine Zuhörer, seine Worte zu beherzigen. Denn die Wahrheit muss krisenfest sein. Sie muss sich bewähren gerade in den Stürmen des Lebens. Erst da zeigt sich der Wahrheitsgehalt. Wahrheit im biblischen Sinn bewährt sich in Beständigkeit. „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen,“ wie Jesus sagt (Mt 24,35). Auf seine Worte kann man bauen. Ihr unvergänglicher Glanz muss im Hintergrund der Nachrichten aufleuchten, die wir als Kirche verbreiten wollen.
Lernkurven im Leben
Im Wolkenbruch zu bestehen, ist dabei alles andere als selbstverständlich. In Lebensschicksalen anschaulich und exemplarisch darzustellen, wie Menschen im Vertrauen auf das Wort den Krisen ihres Lebens getrotzt haben, lohnt sich also. Da man bisweilen durch ein schlechtes Beispiel mehr lernt als durch ein gutes Beispiel (wie Wittgenstein zu sagen pflegte), empfiehlt es sich – in Maßen natürlich! – auch vom Misslingen zu erzählen, von den Häusern also, die in den Sand gesetzt und von den Stürmen des Lebens weggerissen wurden.
Das verlangt vom kirchlichen Journalisten, das, „was mir oder jemand anderen passiert ist“, nicht denunziatorisch unter die Leute zu bringen oder das Scheitern der Lächerlichkeit preiszugeben. Vielmehr gilt es, sensibel und einfühlsam das „passabel zu präsentieren“, was „einem als Missgeschick passiert“ ist. So kann es seinen Platz im ohnehin knapp bemessenen Raum der Kirchenzeitung behaupten. Noch im Scheitern leuchtet dann die Hoffnung auf, die wachzuhalten das Heilige Jahr uns einlädt.
Moralische Autorität statt Marktmacht
„Und es geschah, als Jesus diese Rede beendet hatte, war die Menge voll Staunen über seine Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, und nicht wie ihre Schriftgelehrten.“ Die Menge nimmt die „Vollmacht“ wahr, wie es heißt, die Jesus ausstrahlt. Es ist nicht eigentlich Macht, sondern vielmehr Autorität.
Jesus gewinnt die Akzeptanz seiner Zuhörer, weil sie spüren, dass hier jemand nicht nur über etwas spricht, sondern dass das, was er sagt, mit seinem Leben gedeckt ist. Er verkörpert in seiner Person, was er anderen mitteilen möchte. Er selbst ist die Botschaft und kann so die Herzen seiner Zuhörer mühelos gewinnen.
Die gute Botschaft braucht glaubwürdige Boten. Denn glaubhaft sind nicht Nachrichten, sondern Menschen. Journalisten eben, die diese Nachrichten nicht einfach als Ware vermarkten, sondern die mittels der Nachrichten der guten Sache als Botschafter dienen.
Dank an die Redaktion
Unter dieser Rücksicht danke ich von Herzen Herrn Ruppert und seinem Team, sowie seinem Vorgänger im Amte, Herrn Bullin und seinem Team, die über die vergangenen Jahrzehnte hinweg bis heute für das gute und glaubwürdige Renommé des Sonntagsblattes standen und stehen und die durch ihre Arbeit die Gläubigen in unserem Bistum überzeugten.
Eine 175-jährige, stolze Tradition konnte so gut weitergeführt werden, auch wenn Kontinuität beständige Veränderung verlangt. Die Anstrengungen der letzten Jahre haben sich jedenfalls ausgezahlt. Ich bin froh, dass der Mut zur Innovation und Kooperation uns geholfen hat, das reiche Erbe des Sonntagsblattes in die Zukunft zu führen.
Danke für alle Expertise, das stete Ringen um die Wirtschaftlichkeit und natürlich für alle journalistische Leidenschaft, ohne die eine Kirchenzeitung nicht bestehen kann. Als Bischof bin ich dankbar, dass sie die Herausforderungen angenommen und kreativ in neue Chancen umgemünzt haben. Möge das Sonntagsblatt weitere gute Jahre erleben, in welcher Form auch immer!
Die tägliche Anstrengung, das Berichtenswerte auszuwählen
"Es ist doch erstaunlich, dass jeden Tag genau so viel passiert, wie in eine Zeitung passt." Das, was passiert ist, passend zu machen, ist eine bleibende Anstrengung. Der Evangelist Johannes wusste ein Lied davon zu singen. Wie heißt es in den letzten Versen seines Evangeliums so schön (Joh 21,25): „Es gibt aber noch vieles andere, was Jesus getan hat. Wenn man alles einzeln aufschreiben wollte, so könnte, wie ich glaube, die ganze Welt die dann geschriebenen Bücher nicht fassen.“
Also muss man sich bescheiden. Uns trägt die Zuversicht, dass in der erforderlichen Auswahl das „eine Notwendige“ (Lk 10,42) jeweils neu getroffen wird, das die Kraft hat, die Herzen für den Herrn zu öffnen. So kann „das Ganze im Fragment“ (Hans Urs von Balthasar) immer neu aufleuchten. Dass Ihnen das als Redaktion und uns allen in unserer Verkündigung immer neu gelingt, wünsche ich uns von Herzen. Denn nur so kann die alte Dame „Sonntagsblatt“ im Herzen jung bleiben – und wir mit ihr!
In diesem Sinne: Gesegneten und frohen Geburtstag!