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Nicht „Notnägel“, sondern Bereicherung

Interview mit Domkapitular Dr. Helmut Gabel zu den neuen Richtlinien für Wort-Gottes-Feiern und Gottesdienstbeauftragte in der Diözese Würzburg

Würzburg (POW) Bischof Dr. Friedhelm Hofmann hat die neuen Richtlinien und die Rahmenordnung für Wort-Gottes-Feiern und Gottesdienstbeauftragte in der Diözese Würzburg beim Tag der Wortgottesdienstleiterinnen und -leiter am Samstag, 19. November, in Würzburg vorgestellt. In folgendem Interview erläutert Domkapitular Dr. Helmut Gabel, Leiter der Hauptabteilung Außerschulische Bildung im Bischöflichen Ordinariat und Direktor des Instituts für Theologisch-Pastorale Fortbildung, die neuen Richtlinien und die Rahmenordnung.

POW: Bischof Dr. Friedhelm Hofmann hat die Richtlinien und Rahmenordnung unterzeichnet. Welche Gründe gab es, diese neuen Richtlinien zu schaffen?

Domkapitular Dr. Helmut Gabel: Die bisher geltende Ordnung ist über 20 Jahre alt. Inzwischen hat sich viel getan: Manche Probleme sind erst im Lauf der Zeit erkannt worden, manche Fragen sind aufgetaucht, zum Beispiel: Ist es wirklich sinnvoll, eine Wort-Gottes-Feier mit einer Kommunionfeier zu verbinden? Außerdem gibt es inzwischen neue Richtlinien der Deutschen Bischofskonferenz: die Pastorale Einführung zum Werkbuch „Wort-Gottes-Feier“, das im Auftrag der Bischöfe erstellt wurde, oder die Rahmenordnung für die Zusammenarbeit von Priestern, Diakonen und Laien, „Zum gemeinsamen Dienst berufen“. Mit diesen neuen Vorgaben musste die alte Ordnung in Einklang gebracht werden. Und schließlich haben wir, die Verantwortlichen für die Aus- und Fortbildung, schon lange geplant, bei den Wortgottesdienstleitern ähnlich wie bei den Kommunionhelfern eine Verpflichtung zur Fortbildung einzuführen.

POW: Welche bedeutenden Änderungen gibt es im Vergleich zur bisherigen Praxis?

Gabel: Zum einen die eben genannte Verpflichtung zur Fortbildung: Die Verlängerung der Beauftragung ist in Zukunft an die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen gebunden. In Zukunft werden alle Beauftragungen auf fünf Jahre befristet sein, und die Gültigkeit der bisher erteilten Beauftragungen endet am 1. Oktober 2006, wenn nicht eine Verlängerung beantragt wird. Auch bei Kommunionhelfern gibt es eine Befristung auf fünf Jahre, und die Verlängerung setzt die Teilnahme an Fortbildungen voraus. Personen, die sogar selbständig Gottesdienste vorbereiten und leiten sollen, brauchen erst recht eine regelmäßige Fortbildung, die nicht ins Belieben des Einzelnen gestellt werden darf. Weitere Änderungen gegenüber der alten Ordnung sind: Deutlicher als früher wird betont: Die Gottesdienstbeauftragten sind nicht nur für die sonntägliche Wort-Gottes-Feier da, sie sind nicht nur „Notnägel“, wo Priester fehlen, sondern haben eine Vielfalt von Aufgaben im gottesdienstlichen Leben einer Gemeinde. Und drittens: Die Verbindung der Wort-Gottes-Feier mit einer Kommunionfeier wird sehr kritisch beurteilt.

POW: Ist die bisher häufig praktizierte Wort-Gottes-Feier mit Kommunionspendung nicht sinnvoll?

Gabel: Die Verbindung von Wort-Gottes-Feier und Kommunionfeier bringt zwei große Probleme mit sich: Erstens kann leicht der Eindruck entstehen: Die Wort-Gottes-Feier ist nur die Vorbereitung auf die Kommunion. Da wird dann nicht mehr ernst genommen, dass es eine wirkliche Gegenwart Christi in seinem Wort gibt. Und zweitens kann das Missverständnis aufkommen: Die Messe dient eigentlich nur der Bereitstellung von konsekrierten Hostien für die Kommunion. Da wird dann die Bedeutungsfülle der Messe nicht mehr gesehen. Und drittens kann eine solche Feier leicht mit einer Messe verwechselt werden. Ministranten sollen schon gefragt haben: Ist die Messe heute mit oder ohne Kännchen? Deshalb bestimmen die neuen Richtlinien: Eine Wort-Gottes-Feier am Werktag soll in der Regel auf die Kommunionfeier verzichten. Wo eine Wort-Gottes-Feier am Sonntag neu eingeführt wird, soll keine Kommunionfeier mit ihr verbunden sein. Wo es seit langem üblich ist, die Wort-Gottes-Feier am Sonntag mit einer Kommunionfeier zu verbinden, soll kritisch überprüft werden, ob man wirklich mit Rücksicht auf die Gläubigen bei dieser Praxis bleiben muss.

POW: Welche Aufgaben können Gottesdienstbeauftragte nach den neuen Richtlinien leisten und wo sind ihnen Grenzen gesetzt?

Gabel: Sie können verschiedenen Arten von Gottesdiensten vorstehen: Wort-Gottes-Feiern, der Tagzeitenliturgie – also zum Beispiel Laudes (Morgenlob) oder Vesper (Abendlob), Andachten, Prozessionen, Wallfahrten, Segensfeiern. Grenzen sind ihnen dort gesetzt, wo es um Tätigkeiten geht, die eine weitergehende Beauftragung voraussetzen, wie etwa der Predigtdienst. Und natürlich bei den Aufgaben, die eine Weihe voraussetzen: So können sie beispielsweise keine Feier eines Sakramentes leiten und keinen Eucharistischen Segen erteilen.

POW: In den vergangenen Jahren war von Wortgottesdiensten die Rede. Jetzt spricht die Diözese von Wort-Gottes-Feiern. Warum wurde die Bezeichnung geändert?

Gabel: Wer die Bezeichnung „Wortgottesdienst“ hört, denkt unwillkürlich: Es handelt sich um einen Gottesdienst mit vielen Worten. Die Bezeichnung „Wort-Gottes-Feier“ dagegen macht deutlich: Es geht nicht darum, viele Worte zu machen, sondern zu feiern. Und zwar nicht irgendwelche Worte, sondern das Wort Gottes. Die Bibel und die Feier der Gegenwart Gottes im Wort der Schrift stehen im Mittelpunkt! Der Titel „Wort-Gottes-Feier“ unterscheidet diese eigenständige Feier deutlicher vom „Wortgottesdienst“, der ein Teil einer jeden gottesdienstlichen Feier der Kirche ist: Die Messe, die anderen Sakramente sowie alle Segensfeiern enthalten einen „Wortgottesdienst“ – den Abschnitt, in dem man das Wort der Schrift hört, sich darauf besinnt und darauf antwortet. Den eigenständigen Gottesdienst, in dem dieses Hören, Besinnen und Antworten im Mittelpunkt steht, nennen wir heute im Unterschied hierzu der Deutlichkeit halber „Wort-Gottes-Feier“.

POW: Zur aktuell diskutierten Frage nach der Wort-Gottes-Feier am Sonntag. Wird es eine sonntägliche Wort-Gottes-Feier als Ersatz für die Eucharistiefeier weiter im Bistum Würzburg geben und unter welchen Bedingungen ist sie möglich?

Gabel: Das Wort „Ersatz“ finde ich problematisch. Es kann der Eindruck entstehen, Wort-Gottes-Feier und Messe seien grundsätzlich gleichwertig und prinzipiell austauschbar. Es ist jedoch von Anfang christliche Überzeugung gewesen: Im Mittelpunkt des Sonntags einer christlichen Gemeinde steht die Eucharistie und nicht irgendeine andere Gottesdienstform. Wo jedoch in einer Gemeinde keine Eucharistie gefeiert werden kann – und das ist heute wegen des Priestermangels häufig der Fall – da ist es wichtig, dass eine Gemeinde sich dennoch am Sonntag zum Gottesdienst versammelt. Es muss jedoch sichergestellt sein, dass nicht der Eindruck entsteht, Messe und Wort-Gottes-Feier am Sonntag seien grundsätzlich austauschbar und gleichwertig.

POW: Ist die Wort-Gottes-Feier am Sonntagvormittag eine Notlösung oder eine pastorale Chance?

Gabel: Beides. Sie ist einerseits eine Notlösung; denn wenn wir genügend Priester hätten und in jeder Gemeinde am Sonntag Eucharistie gefeiert werden könnte, bräuchten wir keine Wort-Gottes-Feier am Sonntag. Sie ist aber zugleich eine pastorale Chance: Sie macht deutlich: Es geht beim Gottesdienst der Kirche nicht darum, dass ich mir irgendwo „meinen“ Gottesdienst „hole“ – so wie ich mir eine Ware in irgendeinem Supermarkt in der Umgebung besorge – , sondern dass ich mich mit den Menschen meiner Gemeinde versammle, um gemeinsam mit ihnen Gott zu feiern. Die Gemeinschaft im Glauben zwischen den Menschen, die miteinander Gemeinde sind, ist etwas sehr Wichtiges.

POW: Gilt der Besuch einer Wort-Gottes-Feier am Sonntag als Erfüllung der Sonntagspflicht?

Gabel: Der CIC, das Gesetzbuch der katholischen Kirche von 1983, stellt hierzu fest: „Am Sonntag und an den anderen gebotenen Feiertagen sind die Gläubigen zur Teilnahme an der Messfeier verpflichtet“ (can. 1247). „Wenn wegen Fehlens eines geistlichen Amtsträgers oder aus einem anderen schwerwiegenden Grund die Teilnahme an einer Eucharistiefeier unmöglich ist, wird sehr empfohlen, dass die Gläubigen an einem Wortgottesdienst teilnehmen“ (can. 1248 §2).

POW: Wie wird gewährleistet, dass der „normale Gläubige“ die besondere Bedeutung der sonntäglichen Eucharistiefeier erkennt?

Gabel: Darauf gilt es auf den verschiedensten Ebenen hinzuwirken: in der Predigt, in der Erwachsenenbildung, im Zusammenhang der Erstkommunion, im Religionsunterricht. Es muss deutlich werden, was das Besondere der Messe gegenüber anderen Gottesdienstformen ist: Sie ist ein Mahl, in dem Jesus gegenwärtig wird mit seiner Hingabe, seinem Lebensopfer für uns Menschen. Es ist eine Feier, in der mit den Gaben unser Leben verwandelt wird; eine Feier, in der wir das werden, was wir empfangen: Leib Christi. Und wir müssen darauf achten, dass unsere Eucharistiefeiern so gestaltet werden, dass das erkennbar ist. Sie dürfen nicht lieblos und schlampig vollzogen werden. Die besondere Bedeutung der Messe würde deutlicher sichtbar, wenn wir auf bestimmte Dinge achten würden, zum Beispiel: Man sollte nur im Notfall Hostien aus dem Tabernakel verwenden. Eine Gabenprozession kann deutlich machen: Mit den Gaben bringen wir uns selbst. Das Brechen einer großen Hostie für alle Mitfeiernden könnte zeigen: Wir alle essen von einem Brot, deshalb sind wir ein Leib in Christus. Es könnte öfter Kommunion unter beiden Gestalten geben – um nur ein paar Punkte zu nennen.

POW: Die Gottesdienstbeauftragten sollen die Eucharistie mitfeiern, ehe sie die Wort-Gottes-Feier leiten. Wie stellen Sie sich die Praxis eines Gottesdienstbeauftragten einer kleinen Gemeinde am Sonntag vor?

Gabel: Unsere Rahmenordnung beschreibt eine Zielvorstellung. Wie sie praktisch durchführbar ist, darüber würde ich gerne mit den Wortgottesdienstleitern sprechen. Ich kenne Gottesdienstbeauftragte mit einer Familie mit kleinen Kindern; die werden sich damit sicher schwer tun. Das Anliegen der Rahmenordnung ist es in diesem Punkt, deutlich zu machen: Die Leitung einer Wort-Gottes-Feier ist ein herausragender liturgischer Dienst. Ihn kann nur jemand übernehmen, der sich mit den Grundüberzeugungen der Kirche identifiziert. Dazu gehört, dass er einen lebendigen Bezug zur sonnntäglichen Eucharistiefeier hat. Es wäre ein Unding, wenn ein Wortgottesdienstleiter in einer Pfarreiengemeinschaft jeden Sonntag in einer anderen Gemeinde eine Wort-Gottes-Feier leiten würde und so allmählich die persönliche Beziehung zur Sonntagsmesse immer mehr verlieren würde. Letzteres lässt sich sicherlich vermeiden, wenn es in einer Pfarreiengemeinschaft genügend Gottesdienstbeauftragte gibt, so dass der Einzelne nicht zu oft beansprucht wird.

POW: Ambo und Priestersitz sollen vom Leiter einer Wort-Gottes-Feier nicht genutzt werden. Wie soll diese Vorgabe in einem kleinen Gotteshaus umgesetzt werden?

Gabel: Der Ambo soll sehr wohl vom Gottesdienstbeauftragten genutzt werden, ja er muss sogar der Mittelpunkt sein; denn er ist der Ort der Verkündigung des Wortes Gottes, die im Zentrum der Wort-Gottes-Feier steht. Eröffnung, Gebetsteil und Entlassung gehören jedoch nicht an den Ambo – ein Grundsatz, der leider auch vielen Priestern in Bezug auf die Messe nicht klar ist. Bei Wort-Gottes-Feiern in größeren Kirchen dürfte es kein Problem sein, einen anderen Ort für den Leiter zu finden, der deutlich macht: Ich bin kein geweihter Amtsträger. In kleineren Kirchen werden sicherlich manchmal Kompromisse nötig sein.

POW: Der Bischof muss die Einführung eines sonntäglichen Wort-Gottes-Feier genehmigen. Wieso die enge Anbindung an den Bischof?

Gabel: Diese Genehmigungspflicht war bereits in den Richtlinien von 1978 durch Bischof Josef Stangl vorgeschrieben, jedoch hat man sich in der Praxis nicht daran gehalten. Sie ist sinnvoll, weil es in unseren Gemeinden manchmal ein zähes Festhalten an gewohnten Gottesdienstzeiten und eine große Unbeweglichkeit gibt. Dann kann es passieren, dass man einfach unbesehen statt jeder Messe, die wegen des Priestermangels nicht mehr gefeiert werden kann, eine Wort-Gottes-Feier einführt, obwohl vielleicht zwei Nachbargemeinden kirchlich und politisch so zusammengewachsen sind, dass eine gemeinsame Sonntagsmesse möglich wäre. Da kann ein Pfarrer auch leicht von Gemeindemitgliedern unter Druck gesetzt werden. Deshalb ist es gut, dass es noch einmal einen kritischen Blick von außen auf die jeweilige Situation gibt. Das soll durch die erforderliche bischöfliche Genehmigung sichergestellt werden.

POW: Ab 1. Oktober 2006 enden die Beauftragungen aller bisher unbefristet beauftragter Wortgottesdienstleiter. Scheiden danach viele Gottesdienstbeauftragte aus ihrem Dienst aus?

Gabel: Ich hoffe nicht. Ich hoffe vielmehr, dass unsere Gottesdienstbeauftragten bereit sind, weiterhin ihren wichtigen Dienst zu tun und sich dazu entsprechend fortzubilden. Diejenigen freilich, die längst nicht mehr aktiv sind und nicht mehr tätig sein wollen, werden diesen Stichtag wohl zum Anlass nehmen, ihren Dienst zu beenden.

POW: Wie sehen Sie die Zukunft der Gottesdienstbeauftragten im Bistum Würzburg?

Gabel: Wir brauchen Gottesdienstbeauftragte. Und zwar nicht nur als „Notnägel“ angesichts des Priestermangels; nicht nur, damit sie eine „Notlösung“ für den Sonntag anbieten. Sondern um das gottesdienstliche Leben in den Gemeinden in vielfacher Weise zu bereichern. Das Zweite Vatikanische Konzil, das vor 40 Jahren zu Ende ging, hat betont: Gottesdienst ist nicht nur Sache des Priesters, sondern die ganze Gemeinde feiert Gottesdienst. Und es gibt eine Vielfalt von gottesdienstlichen Formen! Und deshalb brauchen wir in unseren Gemeinden möglichst viele Menschen, die sich damit auseinandersetzen, was Gottesdienst bedeutet und wie Gottesdienst in sinnvoller und ansprechender Weise gefeiert werden kann. Wir brauchen in unseren Gemeinden Personen, die fähig sind, Gottesdienste vorzubereiten und zu leiten. Damit möglichst viele Menschen spüren können: Gottesdienst hat mit meinem Leben zu tun. Es ist etwas Schönes und Wichtiges, Gott zu feiern.

Interview: Bernhard Schweßinger (POW)

(4705/1538; E-Mail voraus)