Würzburg (POW) Für wen ist eigentlich ein Museum gedacht? Grundsätzlich für jeden. Doch oft gibt es Barrieren gerade für Menschen, die beeinträchtigt sind. Ein gemeinsames Projekt von Museum am Dom, der Professur für Museologie an der Universität Würzburg, den Mainfränkischen Werkstätten und dem Sankt Josefs-Stift Eisingen möchte das ändern. Auftakt des Projektseminars „Museum mitgestalten“ war ein Blocktag im Museum am Dom am Freitag, 25. Oktober. Ziel war es, dass alle Beteiligten das Museum kennenlernen konnten. Teil des Projekts ist ein „Public Painting“ von behinderten Künstlern ab Donnerstag, 31. Oktober.
Michael Koller, kommissarischer Leiter des Museums, führte die 20 Teilnehmer durch die Ausstellung, damit sich die Künstler inspirieren lassen konnten und die Studenten einen ersten Überblick bekamen. Dabei besprach er die einzelnen Werke ausgiebig, wobei Koller den Künstlern und Studenten Gelegenheit gab, zuerst ihre Eindrücke zu schildern. Bei dem Bild „The Dice“ – „Der Würfel“ von Paulis Postažs, auf dem eine Gruppe zusammen isst, fiel den Teilnehmern beispielsweise auf, dass alle trotz des gemeinsamen Mahls mit sich selbst beschäftigt sind. Anschließend hakte Koller nach und fragte: „Und was sieht man, wenn man aus den Fenstern sieht? Und wie sind die Farben?“ Dann fiel den Teilnehmern auf, dass draußen ein Sturm aufzieht, den man auf den ersten Blick gar nicht wahrnimmt. Um die Kunstwerke vollständig zu erfassen, ging die Gruppe insgesamt zweimal durch das Museum.
Das Projekt besteht aus drei Teilen. Zum einen wollen acht Studenten der Fächer Museologie und Lehramt gemeinsam mit Menschen mit Lernschwierigkeiten erarbeiten, wie letztere einfacher Zugang zu einem Museum und zu den Ausstellungsstücken erhalten. Projektleiterin Simone Doll-Gerstendörfer, Lehrbeauftragte an der Universität Würzburg für Inklusive Kulturvermittlung, nannte für das Projekt den Grundsatz „Nothing about us without us“ – „Nichts über uns ohne uns“. Dieser ist auch in der UN-Behindertenkonvention schriftlich festgehalten. Wichtig sei es, die Zielgruppe mit einzubeziehen und so oft wie möglich als Berater zu nutzen. Die Studenten sollen am Ende des Seminars Methoden entwickeln, die Menschen mit Behinderung helfen, das Museum trotz Einschränkung zu erleben. Das sei auch ein wichtiger Ansatz des Lehrstuhls für Museologie, dass „die Studierenden mit dem Thema Inklusion in Berührung kommen“.
Außerdem planen vier Studenten des Fachs Mensch-Computer-Systeme zusammen mit ihrem Seminarleiter Stefan Huber ein technisches Hilfsmittel, das die Wahrnehmung und Analyse der Ausstellungsstücke vereinfacht, wie beispielsweise eine App. Allerdings wird über die Technik noch entschieden. „Wir sind ergebnisoffen“, erklärte Huber. Bei einem vorangegangenen Projekt, das sich mit den Bedürfnissen von Blinden und Sehbehinderten beschäftigte, bildeten die Studenten ein Kunstwerk aus dem Museum am Dom nach, das auf Berührungen reagiert. Wenn eine Stelle berührt wurde, konnten die Besucher über Kopfhörer Erklärungen hören. Dabei bestand die Möglichkeit, zwischen leichter und schwerer Sprache zu wählen. Allerdings handelt es sich dabei um einen Prototypen, der nicht in der Dauerausstellung zu sehen ist. Doll-Gerstendörfer wies darauf hin, dass Barrierefreiheit nicht nur den räumlichen Zugang zu Museen beinhalte, sondern ebenso eine verständliche Sprache.
Ein weiterer Teil des Projekts befasst sich mit dem Schaffensprozess behinderter Künstler. Die Maler Thomas Pupkulies und Andreas Schütz vom Sankt Josefs-Stift sowie Anne Bahr und Maria Nußbaumer von den Mainfränkischen Werkstätten suchten sich bei der Auftaktveranstaltung Kunstwerke aus der Dauerausstellung des Museums am Dom aus, die sie bis zum Seminarende selbst interpretieren wollen. Die Maler wählten hierfür unter anderem die Werke „Colosseum“ von A. R. Penck und „Ohnmacht“ von Andreas Kuhnlein. Während der Erstellung findet ab 31. Oktober jeden Donnerstag von 10.30 bis 15 Uhr bis zum Seminarende im Januar ein „Public Painting“ statt, bei dem die Künstler im Museum am Dom malen und Besucher durch das Fenster am Durchgang zwischen Domstraße und Kiliansplatz zusehen können. Außerdem sind Passanten eingeladen, kostenlos zu den Künstlern in das Museum zu kommen, um zuzusehen oder auch Fragen zu stellen. Die Ergebnisse werden in einer Ausstellung ab Donnerstag, 30. Januar 2020, im Museum am Dom zu sehen sein.
ils (POW)
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