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„Niemand ist ohne Grund da, wo er ist“

Generaloberin Dr. Katharina Ganz und Kabarettduo entwickeln eindrückliche Theatercollage – Anlass ist der 150. Todestag von Ordensgründerin Antonia Werr – O-Töne von jungen Frauen aus dem Antonia-Werr-Zentrum

Kloster Oberzell/Gerolzhofen/Kloster Sankt Ludwig (POW) „Der Vater kommt und schlägt dich noch, bringst du kein Geld für Schnaps und Bier“, singt Silvia Kirchhof, Chansonsängerin des Kabarettduos „Café Sehnsucht“. Gemeinsam mit Schwester Katharina Ganz, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, und dem Pianisten Achim Hofmann hat sie die Theatercollage „Prinzessinnen im Drecke – Verwundbarkeit vor Augen“ entwickelt. Anlass ist der 150. Todestag von Antonia Werr, Gründerin der Gemeinschaft der Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu zu Oberzell. „Unser Anliegen ist es, tabuisierte Missstände aufzuzeigen und zu benennen“, erklärt Ganz. Die Gruppe kombiniert den Briefwechsel zwischen Werr und Freiherr Maximilian von Pelkhoven, Jurist und enger Freund der Ordensgründerin, mit dem Liederzyklus von Friedrich Hollaender und Originalzitaten von Mädchen und jungen Frauen aus dem Antonia-Werr-Zentrum Sankt Ludwig.

„Uns ist wichtig zu zeigen, dass Mädchen und junge Frauen seit Jahrhunderten mit denselben Problemen zu kämpfen haben“, sagt Ganz. Mitte des 19. Jahrhunderts, als Antonia Werr wirkte, seien junge Frauen schon wegen kleiner Vergehen ins Gefängnis oder Zuchthaus gekommen. Die Gesellschaft habe Strafentlassene als „Auswürfling der Gesellschaft behandelt“, schrieb Werr in einem Brief. „Wir wollten Werrs Arbeit nicht in der geschichtlichen Distanz lassen, sondern eine Brücke ins Heute schlagen.“ Zwischen Werrs Zitaten, den Liedern und den O-Tönen liegen jeweils mehrere Generationen, und doch greifen alle dasselbe Thema auf. „Unter anderem häusliche oder jede andere Form von Gewalt, Prostitution und Ehrverlust spielen seit jeher eine Rolle im Leben junger Frauen. Die Gültigkeit der Lieder spiegelt sich in den O-Tönen wider und zeigt, dass die Thematiken noch immer aktuell sind“, sagt Kirchhof. Die Sehnsucht nach Gott bilde ein Leitmotiv jedes Liedes.

Die Liedzeilen stammen aus dem achtteiligen Liederzyklus „Lieder eines armen Mädchens“ des Komponisten Friedrich Hollaender. „Er ist bis heute einer der bedeutendsten Kabarettkomponisten der 1920er Jahre – und das obwohl er sich mit seinem Ausdrucksweise gegen den glamourösen Kunststil der Zeit stellte“, sagt Hofmann. Schon Hollaenders Anliegen sei es gewesen, Missstände aufzuzeigen. „Er hat Phänomene angesprochen, die schon immer da waren und versteckt geschahen“, erklärt Ganz. „Hollaender nannte sich selbst den ,lachenden Melancholiker‘. Unsere Collage ist zwar schwere Kost, doch manchmal kann man das nur mit einem Lächeln verdauen – und das ist okay“, sagt Kirchhof.

„Ich war immer das Scheißkind. Ich wusste, dass meine Eltern anders waren als andere. Ich fühlte mich mit meinen Eltern nie wirklich verbunden Als ich zehn Jahre alt war habe ich erfahren: Meine Mama ist manisch-depressiv, mein Papa schizophren.“, hört man ein Mädchen aus einem Lautsprecher sagen. Die Stimme kommt vom Band. Entstanden ist die Aufnahme im Rahmen eines Buchprojekts, das die Traumapädagogin Wilma Weiß im Antonia-Werr-Zentrum initiiert hat. Unter dem Titel „Hey, ich bin normal“ erzählen Mädchen und junge Frauen, was Traumatisierung bedeutet und welche Verhaltensweisen sie hervorrufen kann. „Das Buch will zeigen, dass die Mädchen nicht unnormal sind. Sie haben völlig normal auf unnormale Dinge reagiert“, erklärt Ganz. Die O-Töne sind von den jungen Frauen selbst gesprochen. „So wird unsere Aufführung noch präsenter und näher“, sagt Kirchhof. Erstaunlich seien die Parallelen zwischen den drei Komponenten. „Es hat sich alles so wunderbar gefügt – als wäre es so gewollt!“

„Wir Künstler sind dazu da, eine Stimme zu sein, Unbegreifliches fühlbar und erlebbar zu machen, es so darzustellen, dass man nicht weg schauen oder -hören kann. Kunst kann die Zuschauer dazu bringen, zu reflektieren: Was macht das mit mir?“, sagt Kirchhof. Es ginge nicht um reine Unterhaltung, sondern um gesellschaftskritische Reflexion. „Wir möchten mit der Theatercollage für eine Bewusstseinsbildung sorgen. Junge Frauen, wie diejenigen im Antonia-Werr-Zentrum, waren lange stigmatisiert. Unser Anliegen ist es, den Blick der Menschen zu verändern“, sagt Ganz. „Niemand ist ohne Grund da, wo er ist. Es kann jede treffen“, sagt die Stimme eines Mädchen aus dem CD-Player.

Weitere Information im Internet unter www.oberzell.de und per E-Mail kloster@oberzell.de. Karten sind an den jeweiligen Aufführungsorten erhältlich: Zur Vorstellung am Dienstag, 20. Februar, um 19.30 Uhr im Pfarrsaal von Großrinderfeld gibt es keinen Vorverkauf. Für die Vorstellungen am Samstag, 24. Februar, und Dienstag, 27. Februar, in der Johanniskapelle in Gerolzhofen unter Telefon 09382/903512, am Samstag, 17. März, im Kloster Oberzell unter Telefon 0931/46010 sowie am Freitag, 23. März, im Antonia-Werr-Zentrum im Kloster Sankt Ludwig  unter Telefon 09385/80. Die Veranstaltungen starten jeweils um 19 Uhr.

ch (POW)

(0718/0164; E-Mail voraus)

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