Kitzingen (POW) Acht Pfarreiengemeinschaften sollen bis 2010 im Dekanat Kitzingen errichtet werden. Viele der 28 Pfarreien des Dekanats stehen noch am Anfang des Prozesses der Errichtung von Pfarreiengemeinschaften. In folgendem Interview spricht Dekan Herbert Baumann (Kitzingen) über den aktuellen Stand, über die Rolle der Ordensgemeinschaften und über Veränderungen in der Ökumene.
POW: Wie würden Sie den aktuellen Stand des Prozesses der Errichtung von Pfarreiengemeinschaften im Dekanat Kitzingen umschreiben?
Dekan Baumann: Nach meiner Einschätzung gibt es viele Vorbehalte bei Hauptamtlichen in der Seelsorge wie bei Laien. Dabei habe ich den Eindruck, dass die Mitglieder in den Pfarrgemeinderäten die Sache am mutigsten angehen. Die Prozesse selbst sind nach meiner Einschätzung noch nicht sehr weit gediehen. Einige Gemeinden arbeiten zwar schon lange zusammen, aber diese Zusammenarbeit beschränkt sich in erster Linie auf die Organisation von Gottesdiensten. Dabei verhandelt man nach dem Motto: „Schauen, dass wir noch genügend Messen haben.“ Von einer gemeinsamen Zielvorstellung aber sind diese Gemeinden doch noch recht weit entfernt. Andere Gemeinden machen sich erst jetzt auf den Weg, nachdem der Bischof eine zeitliche Frist gesetzt hat, bis zu der die Pfarreiengemeinschaften errichtet sein müssen. An wieder anderen Ecken des Dekanats hat man seit einigen Jahren gemeinsame Projekte geschaffen, die die Zusammenarbeit über die Pfarreigrenze hinaus verlangen wie einen gemeinsamen Jahrespfarrbrief oder gemeinsame soziale Projekte.
POW: Wo liegen die besonderen Probleme, wo die besonderen Chancen in Ihrem Dekanat?
Baumann: In unserem Dekanat sehe ich mehrere Probleme: die Sorge der Dörfer, dass sie nicht aufgesogen werden von den größeren Pfarreien; die Ungleichzeitigkeit in den einzelnen Pfarrgemeinden hinsichtlich der seelsorgliche Strategie und des Laienengagements. Dazu kommt in unserem Dekanat die Attraktivität von Münsterschwarzach und die noch immer gute personelle Ausstattung des Franziskanerklosters in Dettelbach. Viele Gläubige und auch Priester gehen – oft unbewusst – davon aus, dass schon ein Priester zur Verfügung stehen wird, um irgendwelche eigenen Gottesdienste und Veranstaltungen durchführen zu können. Deshalb gibt es mit wenigen Ausnahmen auch kaum sonntägliche Wort-Gottes-Feiern. Wo sie gelegentlich gefeiert oder neu eingeführt werden, stoßen sie auf enorme Vorbehalte. Die Pfarrer aber fragen sich, wie sie die Wünsche nach Gottesdiensten vor Ort und der Anzahl der möglichen Eucharistiefeiern zusammenbringen sollen, zumal die meisten Gemeindemitglieder lieber zuhause bleiben, als die heilige Messe im Nachbarort zu besuchen.
Was die Chancen betrifft: Ich betrachte die aktuelle Visitation des Bischofs und die vorausgehenden Visitationen durch meinen Stellvertreter und mich als eine gute Möglichkeit, die Verantwortlichen und die Gemeinden zu ermutigen, durch eine Zusammenarbeit die neuen Wege zu gehen, die nötig sind, um die Frohe Botschaft in die Herzen der Menschen einwurzeln zu lassen. Es gibt sehr viele Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren. Sie sind ein großer Reichtum, den wir sorgsam pflegen müssen und der ständig erweitert werden muss. Eine weitere Chance sehe ich in den Schulzentren: Ich bin davon überzeugt, dass wir hier völlig neue Möglichkeiten der Jugendseelsorge habe, denn unsere Gemeinden sind in der Regel dazu aus verschiedenen Gründen nicht mehr in der Lage. Last but not least: Weil so vieles erst beginnen muss, können die Gemeinden auch gezielt fragen: Was wollen wir gemeinsam erreichen? Sich darüber zu vereinbaren, und nicht nur organisatorische Fragen abzuklären, scheint mir unbedingt nötig.
POW: Welche Rolle kommt den Ordensgemeinschaften bei der Errichtung der Pfarreiengemeinschaften im Dekanat Kitzingen zu?
Baumann: Die Antwort auf diese Frage fällt mir sehr schwer. Bisher sehe ich keine wirkliche Unterstützung für den Aufbau von Pfarreiengemeinschaften. Das liegt nicht am mangelhaften guten Willen. Es liegt eher daran, dass wir Seelsorger im Dekanat ebenso wie die Verantwortlichen im Bistum das Gespräch darüber mit den Ordensgemeinschaften erst führen müssen. Ganz persönlich – und damit will ich solchen Gesprächen nicht vorgreifen – glaube ich, dass uns die Missionsbenediktiner Anteil geben könnten an ihren Erfahrungen mit missionarischer Seelsorge in Afrika beispielsweise. Dabei ist klar: Ein großes Kloster ist ein Magnet und hat eine spirituelle Ausstrahlung, die einer Pfarrei nicht möglich ist. Nur: Was ist in den Pfarrgemeinden beziehungsweise in den Pfarreiengemeinschaften künftig möglich, um Menschen für Glaube und Kirche zu gewinnen? Da bitte ich um Anregungen, vielleicht auch durch Vorbildarbeit in den Gemeinden, die von Patres seelsorgerlich betreut werden. Mit ähnlichem Akzent: Ich wünsche mir von meinen franziskanischen Mitbrüdern und Mitschwestern, dass sie das franziskanische Ideal in die Gemeinden einbringen, in denen sie tätig sind. Und das ist eben nun einmal anders als das benediktinische Ideal oder das eines Weltpriesters. Wie auch immer: Die Ordensleute könnten – ohne dass sie Menschen an sich persönlich binden – „Seelsorge mit Gesicht“ leisten. Das scheint mir ganz notwendig zu sein, damit die Pfarreiengemeinschaften nicht bloße Organisationsmonster und die Pfarrer nur noch Manager werden.
POW: Im Dekanat Kitzingen ist die Ökumene von großer Bedeutung. Wie wirken sich die Veränderungen in den katholischen Gemeinden auf das Verhältnis zur evangelischen Kirche aus?
Baumann: Der einzelne Pfarrer wird künftig mit mehreren Partnern von der evangelischen Seite zu tun haben. Gleichzeitig sagen mir die evangelischen Kollegen, dass wir Vorreiter sind für eine Entwicklung, die auch in der evangelischen Landeskirche ansteht. Problematisch wird es auf jeden Fall werden, wenn wir am Sonntag nicht mehr in allen Gemeinden eine Eucharistie feiern können. Dann werden manche katholische Christen in den Dörfern sagen: „Gehen wir halt in einen evangelischen Gottesdienst. Da hören wir wenigstens die Predigt eines Fachmannes.“ Zugleich wächst in einigen Pfarreien des Dekanates, in denen es sehr viele konfessionsgemischte Ehen gibt, der Wunsch nach regelmäßigen sonntäglichen ökumenischen Gottesdiensten. Mir ist bewusst, dass das so nicht möglich ist. Aber wir müssen uns im ökumenischen Gespräch ehrlich der Frage stellen, wie eine konfessionsverschiedene Ehe gelebt werden kann. Ich denke, dass die kirchliche Entwicklung uns zu dieser Auseinandersetzung zwingt, im Dekanat, im Bistum und in der Weltkirche.
POW: Was möchten Sie am ersten Fastensonntag 2010 mit Blick auf das Dekanat Kitzingen sagen können?
Baumann: Mir genügt das Motto, das der Bischof über sein Wort an die Hauptamtlichen und an die Pfarrgemeinderatsvorsitzenden geschrieben hat: „Geht die neuen Wege – Gottes Freude ist unsere Stärke“.
(1107/0407)