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Patriarch Kyrill und sein Kampf gegen die Werte des Westens

Osteuropa-Expertin Dr. Regina Elsner blickte im Burkardushaus auf die Rolle der christlichen Konfessionen im Krieg zwischen Russland und der Ukraine

Würzburg (POW) Welche Rolle spielen christliche Konfessionen beim aktuellen Krieg zwischen Russland und der Ukraine? Dieser Frage hat sich am Montagabend, 7. März, Dr. Regina Elsner, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) in Berlin, angenähert. Veranstaltet wurde der Vortrag von der Domschule Würzburg und dem Lehrstuhl für Fundamentaltheologie und vergleichende Religionswissenschaft der Universität Würzburg. Weit über 200 Personen nahmen online oder im Würzburger Burkardushaus an der Veranstaltung teil.

Auf welcher Seite der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill, Erzbischof von Moskau, steht, habe dieser nicht zuletzt in seiner Predigt am Vergebungssonntag, 6. März, deutlich gemacht, erläuterte die Theologin und Osteuropa-Kennerin Elsner und zitierte: „Seit acht Jahren wird versucht, das zu zerstören, was im Donbas existiert. Im Donbas gibt es eine Ablehnung, eine grundsätzliche Ablehnung der so genannten Werte, die heute von denen angeboten werden, die die Weltmacht beanspruchen“, sagte Kyrill bei diesem Anlass. Damit habe er einmal mehr die Vorstellung genährt, der Westen propagiere seine liberalen Werte aktiv, um gegen die „wahren christlichen Werte“ und damit letztlich den Glauben vorzugehen. „Um dieses Thema wird heute ein regelrechter Krieg geführt“, sagte Kyrill in dieser Predigt. Am 27. Februar, also ebenfalls nach Kriegsbeginn, sprach Kyrill davon, Gott möge verhindern, „dass die bösen Kräfte, die immer gegen die Einheit der Rus und der russischen Kirche gekämpft haben, die Oberhand gewinnen“. Die „Rus“ bezeichnet ein historisches Gebiet in Osteuropa, das mehrheitlich von Ostslawen bewohnt war.

Diese Art des Denkens über die Zugehörigkeit der Ukraine zu Russland einerseits und über den Westen andererseits, dessen Dekadenz unter anderem durch dessen Position gegenüber Homosexualität deutlich werde, habe seit vielen Jahren zu einem engen Schulterschluss zwischen der russisch-orthodoxen Kirche und Wladimir Putin geführt. Das sei im Blick auf die russisch-orthodoxe Kirche nichts Neues, betonte Elsner. „Die Oberen haben in den vergangenen Jahrzehnten immer die herrschenden Verhältnisse theologisch verklärt. Ihre Kirche hat so viel ihrer prophetischen Kraft verloren.“ Zwar habe es auch immer kritische Stimmen gegeben, diese seien aber immer marginalisiert worden. Identität habe die russisch-orthodoxe Kirche vor allem dadurch gestiftet, dass sie auf „die anderen“ als Gefahr hingewiesen habe und sich als Hüterin des wahren christlichen Erbes verstanden habe. „Die andere Seite ist immer der Angstgegner, dem zu widerstehen sich die Kirche nur im Bündnis mit dem Staat in der Lage sah.“ Daher sei es wenig verwunderlich, dass die russisch-orthodoxe Kirche praktisch keine sozialethische Tradition aufzuweisen habe. 1997 habe die russische Orthodoxie durch den Staat eine deutliche Privilegierung erfahren. „Seit Putin ist die Zusammenarbeit nochmals gestärkt worden“, betonte Elsner.

Anders stelle sich das Bild in der Ukraine dar. Dort gebe es seit 1992 eine ukrainische orthodoxe Kirche, die sich von Moskau abgespalten habe, aber auch noch Orthodoxe, die zum Moskauer Patriarchat gehörten. Zudem gebe es dort auch griechisch und römisch-katholische Gläubige sowie Protestanten. „Deswegen sind es die Kirchen in der Ukraine gewöhnt, dass sie regelmäßig ihre Positionen abstimmen müssen.“

Indem Kyrill den Krieg in der Ukraine zum Kulturkrieg gegen die liberalen Werte des Westens erklärt habe, mache er sich zum Unterstützer eines politischen Systems, das Menschen anderer Meinung unterdrückt. Die gleiche Denkweise ist nach den Worten Elsners auch der Grund, warum die russisch-orthodoxe Kirche rechte Kirchenströmungen im Westen seit vielen Jahren auch finanziell unterstütze. Umgekehrt sei zu befürchten, dass es in Russland bei den anderen Kirchen bald zu einem Exodus der Gläubigen kommen könne, weil durch die Sanktionen vielen caritativen Einrichtungen, die mit Geld aus dem Westen unterstützt werden, das Geld auszugehen drohe.

Elsner betonte, nicht alle russisch-orthodoxen Gläubigen stünden auf Kyrills Seite. „Wir sehen in der Ukraine, dass alle Kirchen als Orte der Zuflucht offen sind und sich die Priester um die Nöte aller kümmern.“ Umgekehrt sei festzustellen, dass die militärische Aggression Putins auch Gotteshäuser, gleich welcher Konfession, nicht von Beschuss ausnehme.

Auch wenn in der aktuellen Konfliktsituation nur durch Dialog eine Lösung zu erzielen sei, warnte die Referentin davor, auf oberster Ebene Gespräche mit der russisch-orthodoxen Kirche zu suchen. Zum einen sei unklar, wer wirklich Einfluss auf Putin habe. Zudem würde die dortige Kirchenleitung jeglichen Dialog als Zustimmung zu der eigenen Position werten, sagte Elsner und belegte das mit entsprechenden (Selbst-) Darstellungen in den sozialen Medien. „Mir erscheinen Kontakte auf nachrangiger Ebene wie Studienaustausch, Begegnungen zwischen Fakultäten und Gemeinden weit besser geeignet.“

Das mehrfach kritisierte Vorgehen von Papst Franziskus seit Kriegsbeginn verteidigte Elsner. Dieser habe den Krieg angeprangert, aber bislang vermieden, Putin persönlich dafür die Schuld zu geben, „weil er sich Verhandlungsspielraum bewahren will“. Der Gang des Papstes zur russischen Botschaft in Rom sei aber sehr wohl wahrgenommen worden.

mh (POW)

(1122/0286; E-Mail voraus)

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