Würzburg (POW) Zwei Millionen Seiten mit Daten über Taufen, Eheschließungen und Sterbefälle gehören zum Bestand der historischen Matrikeln im Diözesanarchiv Würzburg. Wer Familienforschung betreiben will, musste bislang Filme, sogenannte Microfiches, mit einem speziellen Gerät durchsehen. Diese umständliche Methode gehört nun der Vergangenheit an. Am Montag, 30. Januar, öffnet der digitale Matrikel-Lesesaal – in dieser Form unter den deutschen Bistümern einzigartig. Dann können die Einträge mit Hilfe eines anwenderfreundlichen Programms im Diözesanarchiv in der Domerschulstraße in Würzburg recherchiert und ausgedruckt werden. Bereits am Freitag, 27. Januar, durchsuchten Testnutzer unter den Augen von Pressevertretern die Datenbank.
Nichts ist so gefragt in den Kirchenarchiven wie die Matrikelbücher. Sie sind die wichtigste Quelle für die Familienforschung, weil es Standesämter in Deutschland erst seit den 1870er Jahren gibt. Im Diözesanarchiv Würzburg werden die historischen Matrikeln der Seelsorgestellen des Bistums aufbewahrt. „Die Einträge sind teilweise schon seit dem 16. bis ins späte 19. Jahrhundert verzeichnet. Bis 1875 sind alle Einträge digitalisiert“, erklärte Professor Dr. Johannes Merz, Leiter des Diözesanarchivs. Und diese Daten sind äußerst begehrt. Täglich gehen Anfragen aus aller Welt ein, in denen es um die Feststellung von Abstammungsverhältnissen geht. Rund 1200 bis 1500 Personen suchen jedes Jahr das Diözesanarchiv auf, um selbst in den 6600 Matrikelbüchern aus 550 Seelsorgestellen des Bistums Würzburg den Stammbaum ihrer Familie zu erforschen.
„Um der großen Nachfrage besser gerecht werden und die Benutzung in einer zeitgerechten Form anbieten zu können, fiel 2008 die Entscheidung, die Matrikelbände auch digital im Lesesaal zur Verfügung zu stellen“, erklärte Merz. Das Digitalisieren begann 2009 und dauerte ein Jahr; das Programmieren der neuen Software noch ein weiteres. Seit Herbst 2011 prüfen Testnutzer das neue System auf Herz und Nieren. „Es ist uns ein Anliegen, die vielfältigen Informationen, die unser ‚Langzeitgedächtnis der Diözese‘, das Diözesanarchiv Würzburg bereithält, in geeigneter Weise unserer Zeit zur Verfügung zu stellen“, erklärte Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand. Die Digitalisierung sei eine wichtige „Gedächtnisstütze“.
Wer im digitalen Matrikel-Lesesaal recherchieren möchte, kann ohne Anmeldung einen der 20 Arbeitsplätze nutzen. An Computern können die Matrikelbücher eingesehen werden. In einer Datenbank ist jedes einzelne Matrikelbuch mit der Art der Einträge – also Taufen, Trauungen, Sterbefälle, Firmung, Kommunion sowie Familienbuch – mit der genauen Laufzeit und den betroffenen Ortschaften erfasst. In einer Suchmaske muss lediglich die Stadt oder das Dorf und der Zeitraum eingegeben werden. „Aufgrund personenbezogener Schutzfristen sind Taufbücher ab dem letzten Eintrag für 120 Jahre gesperrt, Trauungs- und Sterbebücher für 100 Jahre“, erklärte Christiane Landois, Referentin für Archivpflege und Pfarrmatrikel. Das System sucht auf die Anfrage hin die entsprechenden Kirchenbücher aus. Die digitalisierten Matrikelseiten können dann einzeln aufgerufen, nahezu beliebig skaliert und in definierbaren Ausschnitten gedruckt werden.
Testnutzer Günther Scherpf ist begeistert. Er betreibt seit rund vier Jahren hobbymäßig Familienforschung und hat früher stundenlang mit den Microfiches herumhantiert. „Durch die Digitalisierung habe ich jetzt eine Zeitersparnis von 50 Prozent“, freute sich der Würzburger. Aber nicht nur schneller ist das neue System, auch preiswerter. Früher habe er am Tag rund 18 Euro bezahlt, da es für die Einsicht in nur zwei Matrikelbücher einen Festpreis gab und jedes weitere 1,50 Euro gekostet hat. Heute zahlt er eine Tagespauschale von fünf Euro. Er habe schon 1300 seiner Vorfahren erforschen können und will noch weiter machen. „Das ist eine richtige Sucht.“
Der nächste Schritt sei die Bereitstellung der Daten im Internet, erklärte Merz. Bis es soweit ist, müssen sich die Nutzer jedoch noch gedulden. Denn angesichts der gewaltigen Datenmengen und der beschränkten Mittel der Kirchenarchive sind „die bestehenden rechtlichen, archivfachlichen und organisatorischen Herausforderungen nur schrittweise zu bewältigen, wenn am Ende eine nachhaltige und nutzungsfreundliche Lösung stehen soll“, betonte Merz. „Wenn auch eine Umsetzung im Internet noch längere Zeit in Anspruch nehmen wird, so möchten wir doch mit der Bereitstellung im Lesesaal des Diözesanarchivs den jetzt möglichen Schritt gehen und damit gleichzeitig ein Signal setzen, dass uns diese Fragestellung wichtig ist und wir sie im Rahmen eines wirtschaftlich vertretbaren Mitteleinsatzes nachhaltig fördern“, sagte Hillenbrand.
Sollte eine eigene Recherche nicht möglich sein, kann das Diözesanarchiv beauftragt werden. Aufgrund der großen Nachfrage sei bei der Beantwortung allerdings mit Wartezeiten von zwei bis drei Monaten zu rechnen, betonte Merz. Außerdem dürften die Anfragen und Auskünfte ausschließlich schriftlich gestellt werden, um Missverständnisse zu vermeiden.
In der nächsten Zeit bietet das Diözesanarchiv jeweils montags und mittwochs ab 10 Uhr kurze Einführungen in das Recherche-Programm an. Zudem liegt ein Benutzerhandbuch aus, das auch an den übrigen Tagen beim Recherchieren mit dem Programm hilft.
Geöffnet hat das Diözesanarchiv montags und dienstags von 9 bis 16 Uhr sowie mittwochs und donnerstags von 9 bis 19 Uhr – am Freitag und Wochenende bleibt das Archiv geschlossen. Weitere Informationen finden sich im Internet unter www.abbw.bistum-wuerzburg.de.
vb (POW)
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