Würzburg (POW) Bischof Dr. Friedhelm Hofmann hat in seinen jüngsten Richtlinien für die Errichtung von Pfarreiengemeinschaften festgelegt, dass bis zum 1. Fastensonntag 2010 alle Pfarreiengemeinschaften errichtet sind. In folgendem Interview äußert sich Domkapitular Hans Herderich, Leiter der Hauptabteilung Seelsorge, zu den neuen Vorgaben.
POW: Wie ist der aktuelle Stand der Errichtung von Pfarreiengemeinschaften und wie viele sollen in den kommenden Jahren errichtet werden?
Domkapitular Hans Herderich: Insgesamt sind 180 Pfarreiengemeinschaften geplant, 41 sind bereits errichtet, 139 müssen bis zum 1. Fastensonntag 2010 auf den Weg gebracht werden.
POW: Worin besteht der Aufbruch in dieser Phase des Umbruchs?
Herderich: Es geht nicht um Strukturen, es geht um Menschen. Wir müssen uns heute in der Seelsorge zum Beispiel fragen: Was brauchen diese Menschen, um ihr Leben aus dem Glauben zu gestalten und es auf Christus hin auszurichten? Wie muss die Glaubensverkündigung geschehen, in welcher Sprache, damit die Botschaft des Evangeliums überhaupt ankommt und verstanden wird? Wie kann die Weitergabe des Glaubens an die nächste Generation gelingen? Wie kann Menschen ganz konkret in ihren leiblichen und seelischen Nöten geholfen werden? Wie kann bei weniger Priestern und hauptamtlichen pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Gemeinde der Zukunft so aufgebaut werden, dass Menschen sich dort zu Hause fühlen.
POW: Welche Chancen bietet eine Pfarreiengemeinschaft im Vergleich zur kleinen Einzelpfarrei?
Herderich: In all diesen vorher genannten Fragen ist eine Pfarreiengemeinschaft eine große Chance. Nicht jede Pfarrei kann die ganze Bandbreite der Seelsorge abdecken. Jede Pfarrei hat ihre Schwächen, aber auch ihre Stärken. Gemeinschaft macht stark. Gemeinsame Überlegungen sind fruchtbarer als wenn jeder nur auf sich und den eigenen Kirchturm fixiert ist. Lasten können auf mehrere Schultern verteilt werden.
POW: Verlieren die einzelnen Pfarreien in der Pfarreiengemeinschaft ihre Selbstständigkeit? Welche Aufgaben und Verantwortungsbereiche bleiben in der Pfarrei – auch wenn sie noch so klein ist?
Herderich: „Die Kirche muss im Dorf bleiben“. Die einzelnen Pfarreien, die zu einer Pfarreiengemeinschaft gehören, bleiben selbstständig. Sie werden nicht aufgelöst, auch wenn ein und derselbe Pfarrer für sie verantwortlich ist. Sie sollen ihre Identität behalten, ihr spezifisches Gesicht entwickeln, ein eigenes Profil gestalten und in das Ganze einbringen. Für Priester und Laien stellt sich dann aber die Aufgabe, miteinander zu überlegen und verbindlich zu vereinbaren, wie die Zusammenarbeit konkret aussieht. Das kann von Pfarreiengemeinschaft zu Pfarreiengemeinschaft ganz verschieden sein.
POW: Was verändert sich für die Pfarrer und hauptamtlichen pastoralen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen?
Herderich: Es geht in der Seelsorge nicht mehr ohne Teamarbeit. Das pastorale Personal wird nicht mehr auf eine einzelne Pfarrei, sondern auf die Pfarreiengemeinschaft angewiesen. Innerhalb des Pastoralteams werden die einzelnen Mitglieder für bestimmte Aufgaben verantwortlich und auch für einzelne Pfarreien die ersten Ansprechpartner sein.
POW: Welchen Beitrag kann und soll der einzelne Gläubige in dieser Entwicklung leisten?
Herderich: Bischof Wanke von Erfurt hat es in einem Brief an seine Kirchengemeinden so ausgedrückt: „Wir alle müssen beweglicher werden.“ Unsere Gemeinden müssen sich nach außen öffnen, zu den anderen Pfarreien, die zur Pfarreiengemeinschaft gehören. Sie müssen aber auch Sorge tragen für eine Differenzierung nach innen (Gruppen, Familienkreise, geistliche Gemeinschaften, Verbände u. a.). Eine Gemeinde lebt als eine Gemeinschaft von Gemeinschaften. Und das geht nicht ohne das Mittun der einzelnen Gläubigen.
POW: Welche Aufgaben hat die eigens errichtete Steuerungsgruppe?
Herderich: Die Steuerungsgruppe hat keine beschlussfassende, sondern beratende Kompetenz. Sie berät den Bischof und die Diözesanleitung bei der Errichtung der Pfarreiengemeinschaften. Die vier Regionalsprecher der Dekane, die ganz bewusst in die Steuerungsgruppe berufen worden sind, machen vor allem auf positive Beispiele aus ihrer Region einerseits und Problemfelder anderseits aufmerksam.
POW: Der Bischof spricht auch davon, dass die Umstrukturierung mit Trauerarbeit verbunden sein wird. Wie will die Diözese der Trauer in den Gemeinden begegnen?
Herderich: Besonders das Referat „Gemeindeentwicklung“ sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeindeberatung werden die Verantwortlichen und die Gremien der Pfarreien begleiten und beraten.
POW: Welche Stimmung erhoffen Sie sich am 1. Fastensonntag 2010 im Bistum Würzburg?
Herderich: Ich wünsche mir, dass dann möglichst viele, Priester wie Laien, hauptamtliche und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserer Diözese, den Satz unterschreiben: „Es geht auch anders – und nur, wenn es anders geht, geht es noch.“
Interview: bs (POW)
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