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Dokumentation

Pilgerwege als Ausdruck der Gottsuche und des Gottfindens

Predigt von Weihbischof Ulrich Boom bei der 30-Jahr-Feier der Fränkischen Sankt Jakobus-Gesellschaft am Sonntag, 18. November 2018, im Würzburger Kiliansdom

Das Kirchenjahr 2018 neigt sich dem Ende zu. Der nächste Sonntag beendet dann mit dem Christkönigsfest das kirchliche Jahr, wir treten in den Advent: Wir gehen, ER kommt! So sind die Bilder und Worte am Ende des Kirchenjahres einerseits bedrohlich, andererseits hoffnungsvoll. Es sind die Bilder des Gerichtes und Untergangs, des himmlischen Jerusalems und des Hochzeitsmahles am Ende der Zeit. Hoffnungsfroh schauen wir in die Zukunft. Wir wissen aber auch um unsere Schwäche und unser Versagen im Glauben. Es trifft sich gut, dass wir gegen Ende des Kirchenjahres auf 30 Jahre Fränkische Sankt Jakobus-Gesellschaft zurückschauen. Ist sie doch eine der vielen, wohl heute nicht eine der kleinsten Jakobusgesellschaften, die Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre neu ins Leben gerufen bzw. gegründet wurden.

Der Pilgerweg steht dafür, dass er auf den Weg des Lebens verweist. Wir Menschen sind ein Leben lang unterwegs, von der Geburt bis zum Tod. Bisweilen können wir Wege wählen, oft aber sind sie bestimmt und manchmal sind wir Getriebene. Auch das gibt es, dass der Mensch vertrieben wird, dass der Pilgerweg zum Fluchtweg wird ohne zu wissen, wo das Ziel ist. Welche Pilgerwege es auch sind, für den Gläubigen Menschen enden sie bei Gott, sind Ausdruck der Gottsuche und des Gottfindens. Das Pilgersein verbindet nicht nur Konfessionen, sondern auch Religionen, wenn auch die irdischen Ziele unterschiedlich sind. Wir nehmen ein Ziel in den Blick, das über die Gegenwart hinausweist in die Zukunft, vom Heute ins Morgen.

Diese Pilgerwege können Wege des Dankens, der Bitte und der Buße sein. Dank für gelungene Wegabschnitte des Lebens, Bitte für weiteres Weggeleit und Buße dafür, dass wir uns auf unseren Wegen im wahrsten Sinne des Wortes vergangen haben, schuldig geworden sind. All diese Intentionen gab und gibt es auf dem Camino de Santiago und den vielen anderen Pilgerwegen zu allen Zeiten. Menschen sind diese Wege gegangen, weil sie Hilfe erfahren haben; weil sie Beistand erbeten haben für schwierige Zeiten. Ja selbst Verbrecher wurden auf den Weg geschickt und vielleicht läuft der eine oder die andere heute ab, was an Versagen im Leben geschah. Wenn wir am heutigen Sonntag den Welttag der Armen begehen und der Opfer des sexuellen Missbrauchs gedenken, dann ist der Gedanke der Buße nicht so fern. Wir können auf unseren Lebenswegen nichts rückgängig machen, aber wir können Buße tun und Besserung geloben. Es bleiben die Fragen ohne Antworten, warum muss all das geschehen und warum ist das Leben so?

Eines für mich der treffendsten und beeindruckendsten Bilder für die Pilgerschaft ist die Darstellung des Emmausganges im Kreuzgang von Santo Domingo de Silos. Da sind die zwei Jünger, die fragend und suchend dem Unbekannten, dem fremden Christus folgen. Sie tragen in den Händen ihr Wissen, verweisen auf den Fremden und berühren ihn. Sie haben bestenfalls gelernt wenigstens Schritt für Schritt, einen Fuß vor den anderen zu setzen, aber ihre Blicke bleiben leer. In dem fremden Begleiter aber zeigt sich Leichtigkeit und eine tänzerische Bewegung. Die Tasche mit der Muschel und der abgebrochene Stab weisen ihn als Pilger aus: Er schaut zwar zurück, aber seine ganze Haltung ist nach vorn gerichtet. Die beiden Jünger dagegen versuchen vorwärts zu schauen, aber ihr Gehen bleibt zögerlich.

Der heutige Sonntag vor dem Ende des Kirchenjahres deutet schon auf den Christkönigsonntag hin: Wir gehen, haben Vergehen. ER kommt, kommt uns entgegen und geht mit uns. Die Schriftlesungen des heutigen Sonntags schenken bei allen Ernst und aller Nachdenklichkeit Zuversicht. Im Buch Daniel hören wir die Verheißung einer Hoffnung auf ein Leben jenseits all unserer Todesgrenzen. Der Hebräerbrief ruft uns Christus den Erlöser und Retter in Erinnerung. Wir vergessen zu oft, dass wir gerettet sind und als solche unsere Wege gehen können. Wir brauchen nicht alles machen, erst recht nicht das noch stets versuchen, was nicht in unserer Macht steht. Der Herr selbst gibt uns die Gewissheit mit seinem Wort: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“ (Mk 13,31). Wir kennen nicht die Stunde, wann alles zu einem Ende kommt in unserer Lebenszeit und in der Weltzeit. Was für ein Trost, wenn ich glauben kann und darf: Der gekreuzigte und auferstandene Herr geht mit bis zum Ende, auch zu einem bitteren Ende. Bei ihm können wir unser Vertrauen stärken und so unsere Pilgerwege des Vertrauens durch die Zeit gehen.

Der Camino endet nicht in Santiago, sondern in Finisterre, vielleicht noch mehr, wenn wir wieder da ankommen, wo wir herkommen: Zuhause. Die Alten haben gesagt: Wer beim Apostel ist, ist noch nicht beim Herrn. Finisterre, das „Ende der Erde“ ist ein treffendes Bild. Am Ende, wo festes Land, gar Felsen ins Meer übergehen, wo nichts mehr hält, darf ich vertrauen, dass ich gehalten bin. Um nicht mehr oder weniger geht es im Leben.

Die Muschel ist nicht von ungefähr Zeichen der Pilgerschaft. Leer werden auf dem Weg des Leben, um sich von dem füllen zu lassen und erfüllt zu sein, den wir Gott nennen. Das nahe Ende eines Kirchenjahres ermutigt uns, besonders in der Gemeinschaft der Kirche, im Zeichen der Muschel unterwegs zu sein. „Wo das Land ins Meer übergeht, wo ich den Boden unter den Füßen verliere, da wurde sie (die Muschel) aus der Tiefe angeschwemmt, ist sie gestrandet. Strandgut, bereit Neues aufzunehmen, empfänglich und offen. Schale, um den Durst und die Sehnsucht nach Leben zu stillen“ (Ulrich Boom, Unterwegs zum Ende der Welt, 1991). Ultreja! Buen Camino! Auf zu Gott mit Christus! Amen

Weihbischof Ulrich Boom