Liebe Schwestern und Brüder,
heuer feiern wir zum 100. Mal die Gebetswoche für die Einheit der Christen. Die im Lesungstext deutlich gewordene Bitte des Herrn um Einheit im Glauben bleibt eine beständige Aufgabe. Leider müssen wir immer wieder Grenzen und Brüche in unserem Bemühen feststellen.
„Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.“ (Joh 17,21) hat der Herr zu seinem Vater und zu unserem Vater gesagt. Geht uns das nicht unter die Haut?
Unser Heiliger Vater Papst Benedikt XVI. hat in seiner Enzyklika Deus caritas est eindringlich vom Liebesaustausch in Gott selbst gesprochen. Er verweist im Blick auf diese innertrinitarische Wirklichkeit auf einen Ausspruch Augustinus’: „Wenn du die Liebe siehst, siehst du die Heiligste Dreifaltigkeit.“ (19)
Dann zeigt er auf die offene, durchbohrte Seite Jesu, seiner Liebeshingabe an den Vater für uns. Dieser hat aus Liebe zu uns (vgl. Joh 3,16) „seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt …, um den Menschen zu erlösen. In seinem Tod am Kreuz hat Jesus, wie der Evangelist berichtet, ‚den Geist ausgehaucht’ (vgl. Joh 19,30). – eine Einleitung zu jener Weitergabe des Heiligen Geistes, die er nach seiner Auferstehung verwirklichen sollte (vgl. Joh 20,22).“ (Ebd.)
Diese innergöttliche Liebeskraft soll auch das Herz der Kirche verwandeln, damit sie in der Welt die Liebe Gottes zu uns bezeugen kann.
Zu diesem Zeugnis gehört eben auch die Einheit im Glauben.
Einheit ist hier mehr als nur ein einigendes Band. Einheit bedeutet hier Bestätigung und Zeichen des Bekenntnisses an die Gottheit Jesu Christi!
Die Welt soll durch die Einheit und Einigkeit der Christen zum Glauben kommen.
Ziel dieser Evangelisierung ist, dass alle die Herrlichkeit Gottes sehen werden können.
Die doxa theou ist ein weiteres gewichtiges Stichwort. Was heißt hier Herrlichkeit?
Die Wortwurzel hängt mit kabod zusammen, d.h. schwer sein. So weist letztlich diese Wurzel auf die Gewichtigkeit Gottes hin. Im Alten Bund wurde die Herrlichkeit Gottes im Heiligtum thronend gesehen und auch vom Beter so erfahren. Sie sollte sich über die ganze Erde ausbreiten.
Das auserwählte Volk erlebte die verhüllte Herrlichkeit Gottes am Sinai. Dann verlagerte sie sich auf den Berg Zion im Tempel von Jerusalem. Hier war jetzt der Ort der erfahrbaren Nähe Gottes inmitten seines Volkes.
Auch das für die Endzeit erwartete erneute Erscheinen der Herrlichkeit Gottes ist mit Jerusalem und dem Berg Zion verbunden. Jahwe wird dann zur identifizierbaren Herrlichkeit vor den Augen der Völker.
Auch beim Evangelisten Johannes ist diese Vorstellung im Zusammenhang mit der Wiederkunft Christi am Ende der Zeiten im Bild der doxa theou in der Apokalypse zu finden: „Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herab kommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat.“ (Apk. 21,2) Und wenig später heißt es: „Da entrückte (einer von den sieben Engeln) … mich in der Verzückung auf einen großen, hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem, wie sie von Gott her aus dem Himmel herabkam, erfüllt von der Herrlichkeit Gottes.“ (Apk 21,10f.)
Dieses Ziel, die volle Gemeinschaft mit Gott in der Vollendung des Ewigen Lebens, kann nur glaubhaft verkündet werden, wenn wir die Liebe, die Jesus verkörpert und gelebt hat, selber umsetzen.
Wie können wir dies tun?
Johannes der Täufer hat als Vorläufer Jesu verkündet: „Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken, um ihm die Schuhe aufzuschnüren.“ (Mk 1,7)
Als er im Gefängnis saß verkündete Jesus: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“(Mk 1,15). Johannes schickte aber aus dem Gefängnis Boten zu Jesus und ließ ihn fragen: „Bist du es, der da kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ (Mt 11,3). Und die Antwort Jesu ist auch der Schlüssel für unser Verstehen. Er verwies auf die erfüllte Prophetie des Jesajas mit den Worten: „Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet.“ (Mt11,5)
Uns ist es nun aufgetragen, diese Botschaft der Liebe zu bezeugen. In überzeugender Weise geschieht dies bei Sant’Egidio. Wann immer wir diese Liebe leben, beginnt das Reich Gottes unter uns, wird die Botschaft Jesu glaubhaft, der in der heutigen Lesung sagte: „Ich habe ihnen deinen Namen bekannt gemacht und werde ihn bekannt machen, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und damit ich in ihnen bin.“ (Joh 17,26).
Amen.