Verehrte Mitbrüder im Bischofs-, Priester- und Diakonendienst, liebe Angehörige unseres verstorbenen Bischofs Josef Stangl, liebe Schwestern und Brüder in Christus,
als am 8. April 1979 die Glocken den Tod des beliebten Oberhirten Josef Stangl verkündeten, wird so manch einer das Kreuzzeichen gemacht und voll Dankbarkeit ein Gebet für den Verstorbenen gesprochen haben. Bischof Josef hatte fast 22 Jahre (von 1957 bis 1979) das Bistum Würzburg väterlich und menschennah geleitet. Im vergangenen Jahr konnte er mit dem Blick auf die Wiederkehr seines 100. Geburtstages und seines 50. Bischofsweihetages unter dem Titel „Hirtenamt und Gesellschaft“ in einer beeindruckenden Ausstellung gewürdigt werden. Viel Gutes ist dabei über ihn gesagt und geschrieben worden:
Er war ein zutiefst überzeugender Mensch, ein Brückenbauer und ein Mann des Glaubens – eben ein „lebendiges Evangelium“, wie Prälat Hohmann zu dessen 100. Geburtstag einfühlsam hervorhob.
Seine Heiterkeit und Offenheit, seine natürliche Herzlichkeit waren auch Erbe eines aus dem Glauben gestalteten Lebens. Ohne viel Aufhebens von sich zu machen, packte er die ihm zugetrauten und zugemuteten Aufgaben und Ämter an: Als Kaplan, Religionslehrer, Diözesanjugendseelsorger, als Pfarrer, Ordinariatsrat und Leiter des neu geschaffenen Seelsorgereferates, als Regens im Priesterseminar und schließlich als Bischof.
Es war wahrhaftig für ihn nicht immer leicht, die mit den Aufgaben verbundenen Herausforderungen zu bestehen. Aber er ließ sich nicht entmutigen oder durch Enttäuschungen davon abhalten, die Liebe Gottes in seiner Person aufstrahlen zu lassen.
Das, liebe Mitbrüder, ist das Geheimnis unserer Berufung: Wir sind um der Menschen willen von Gott berufen. Mit unserem „Ad sum“ stellen wir uns IHM ganz und gar zur Verfügung und geben so Gott die Möglichkeit in und durch uns zu wirken.
Als wir bei der Weihehandlung auf dem Boden ausgebreitet lagen, durften wir alles loslassen: unsere eigenen Pläne von Zukunft, Karriere, Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten und Kräfte, sowie auf die Vorstellung, wir müssten die Kirche retten.
Es war auch nicht für Bischof Josef einfach, die Wehen des II. Vaticanums so aufzugreifen und umzusetzen, dass der frische Wind des Neuanfangs weder zum Sturm mutierte noch zu einem lauen Lüftchen verkam. Die Vorgänge um Klingenberg beschwerten ihn sehr, verbitterten ihn aber nicht. Seine Devise war und blieb „ganz aus Christus, dem einzigen Fundament, das gelegt ist, zu leben.“ (Barthels, Karl Josef: Der Schatz im Acker, Würzburg 1976, 54). Den Veränderungen im politischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Leben begegnete er mit den einfachen Mitteln eines Christen: Er betete viel, auch den Rosenkranz und den Kreuzweg, besuchte oft das Käppele und verbrachte viel Zeit in stiller Anbetung vor dem Allerheiligsten. Die tägliche Eucharistiefeier und die persönliche regelmäßige Beichte waren für ihn eine Selbstverständlichkeit.
Liebe Schwestern und Brüder,
wir beklagen heute oft die Umbrüche in unseren Tagen, Glaubensschwund und religiöse Gleichgültigkeit. Warum setzen wir nicht da an, wo wir wirklich etwas ändern können: Bei uns!? Warum nutzen wir nicht die Waffen des Glaubens, die uns der Heilige Paulus dringend empfiehlt und die Bischof Josef beherzigt hat: „durch große Standhaftigkeit … unter der Last der Arbeit, in durchwachten Nächten, durch Fasten, durch lautere Gesinnung, durch Erkenntnis, durch Langmut, durch Güte, durch den Heiligen Geist, durch ungeheuchelte Liebe, durch das Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, mit den Waffen der Gerechtigkeit in der Rechten und in der Linken, bei Ehrung und Schmähung, bei übler Nachrede und bei Lob.“ (2 Kor 6, 4-8)
Es ist gefährlich, sich vom Zeitgeist anstecken zu lassen, der alles aus einer innerweltlichen Perspektive grau in grau sieht und eher zur Resignation als zum Aufbruch treibt. Der Heilige Stephanus zeigt uns in der heutigen Lesung, dass er das Martyrium nicht als Ende seines Lebens begreift, sondern als Chance der Verkündigung des Evangeliums. Warum glüht er angesichts der drohenden Steinigung? Weil er den Himmel offen sieht: „Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.“ (Apg 7, 56) rief er den Ältesten, den Schriftgelehrten und dem ganzen Volk zu.
Diese Glaubensgewissheit, dass der Auferstandene als der Lebendige die Kirche in die Zukunft führt, gibt uns Hoffnung und Zuversicht. Um diese Erfahrung zu machen, brauchen wir die lebendige Begegnung mit ihm, brauchen wir Zeit zum Gebet und Anbetung, innere Umkehr und würdig gestaltete liturgische Feiern.
Gibt es etwas Wichtigeres auf Erden als Gott? Gibt es eine größere Aufgabe, als Gottes Liebe den Menschen zu verkünden und vorzuleben? Haben wir etwas Bedeutenderes und Kostbareres zu schenken als Christus selbst, der im heutigen Evangelium von sich sagt: „Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.“(Joh 6, 35) ? Wir sind angesichts der Gleichgültigkeit vieler gegenüber dem Evangelium, gegenüber Glaube und Kirche, oft in Versuchung, mutlos zu werden, weil wir so gerne die Ernte unserer Bemühungen einfahren möchten. Das war auch Bischof Josef nicht möglich. Wir sind nicht zum Ernten da, sondern zum Aussäen. Überlassen wir getrost Gott die Ernte!
Liebe Schwestern und Brüder,
zwei kleine Sätze sind von Bischof Josef überliefert, die er kurz vor seinem Tode an uns richtete, als ihm das Sprechen schon sehr schwer fiel: „Wir wollen unablässig beten“ und „Wir wollen auf jeden Fall unsere Würde bewahren.“ (POW Nr 13, 24.03.1979)
Beherzigen wir diese als sein geistliches Testament.
Amen.