Würzburg (POW) Für klare Richtlinien, die eine komplette Umorganisation der künftigen Pastoralen Räume durch einige wenige starke Persönlichkeiten und damit die Ausrichtung auf diese hin verhindern, hat sich Diözesanratsvorsitzender Dr. Michael Wolf bei der Herbstvollversammlung des Diözesanrats der Katholiken ausgesprochen. „Pastorale Räume müssen unabhängig von den Hauptamtlichen sein und auch einen Wechsel im oder des gesamten Leitungsteams überstehen.“ Das betonte Wolf am Samstag, 17. Oktober, in seinem „Bericht zur Lage“. Bewusst sei die Satzungsarbeit zu einem Dekanatsratsstatut verschoben worden. Es müsse zunächst festgelegt werden, welche Aufgaben das Dekanat zukünftig haben solle. Entscheidend sei: „Auf jeder Ebene, auf der Hauptamtliche Entscheidungen treffen, benötigen wir einen demokratisch legitimierten Laienrat.“
Wolf kritisierte zudem die Mentalität, die heute in vielen Teilen der Kirche vorherrsche. Im Umgang mit Homosexuellen, Geschiedenen, Wiederverheirateten sowie der Frage nach der Priesterweihe für Frauen verstünden sich viele zu oft als Türsteher, anstatt das Feld für alle zu öffnen. Er verwies auf das YouTube-Video einer Predigt von Dr. Christoph May, Regens des Limburger Priesterseminars. Darin habe dieser sich am Erntedankfest diesbezüglich „erfrischend und Mut machend“ positioniert. Mit Blick auf den Synodalen Weg erklärte der Diözesanratsvorsitzende, er sehe keine Gefahr einer von einigen Synodalteilnehmern heraufbeschworenen „deutschen Nationalkirche“: „Gerade wir Deutschen sind international sehr gut vernetzt, ein Ausbrechen aus diesen Netzen ist eher unwahrscheinlich.“ Entscheidungen seien beim Synodalen Weg nicht zu erwarten und nicht möglich. „In der Struktur der katholischen Kirche hat das Volk keine wirkliche Stimme bei Entscheidungen. Sicherlich ist es aber hinreichend und notwendig, die Stimme des Volkes bestimmend zu berücksichtigen.“
Im Blick auf die Situation der Flüchtlinge, die versuchen, ihr Glück in Europa zu finden, kritisierte Wolf die Politik des Wegschauens und Abwartens. Auch aus Deutschland seien einst Menschen emigriert, weil ihr Leben bedroht war oder sie sich eine bessere Zukunft für ihre Kinder erhofften. „Wenn Moria brennt, beklagen wir das Feuer und die zusätzliche Belastung, sind aber nicht wirklich bereit, Griechenland und Italien und damit den Armen und Ärmsten zu helfen.“ Es gelte weiterzudenken, an morgen und an den Nächsten. „Wir werden nicht nach dem beurteilt, was wir für uns, sondern was wir für die Gesellschaft, für unseren Nächsten geleistet haben“, betonte Wolf.
Bischof Dr. Franz Jung beleuchtete in seinem Wort an die Delegierten unter anderem das Thema Ökumene. Er ermunterte, auf das zu schauen, was möglich ist, statt auf das, was nicht möglich ist. Das gelte auch im Blick auf den Ökumenischen Kirchentag im kommenden Jahr. Eine Einladung zur Mahlgemeinschaft könne katholischerseits nicht ausgesprochen werden. „Kirchengemeinschaft geht der Mahlgemeinschaft voraus.“
Die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch geht nach Bischof Jungs Worten im Bistum voran. So gebe es ein wissenschaftliches Projekt, bei dem in Zusammenarbeit mit der Universität Würzburg und Betroffenen in den kommenden fünf Jahren der Umgang der kirchlichen Verantwortlichen mit Missbrauchsfällen aufgearbeitet werde. Wie Bischof Jung erklärte, begleiche das Bistum alle materiellen Leistungen zur Anerkennung des Leids von Missbrauchsopfern aus dem Bischöflichen Stuhl und nicht dem Diözesanhaushalt. Eine unabhängige Stelle entscheide über die Zuerkennung der Einmalzahlungen.
Die von einigen Delegierten des Diözesanrats kritisierte vatikanische Instruktion zum Thema Leitung sei auch für ihn überraschend gekommen, sagte der Bischof. Entgegen den üblichen Gepflogenheiten sei kein weltweiter Konsultationsprozess vorausgegangen. Die dort zu findende Beschreibung der Situation der Pfarreien bezeichnete Bischof Jung als treffend. Das Dokument zeige insgesamt aber wenig missionarischen Geist des Aufbruchs.
Die Sozialenzyklika „Fratelli Tutti“ des Papstes bezeichnete der Bischof als „richtungsweisend für die gesamte Menschheitsfamilie“. Darin benenne Franziskus zu Recht unter anderem grenzenlosen Konsum, inhaltslosen Individualismus und Selbstherrlichkeit der Stärksten als Probleme der Gegenwart. Zugleich ermuntere der Papst dazu, den Wert der Solidarität zu erkennen, Völker- und Bürgerrechte zu stärken und Wege zu einer neuen Begegnung zu erschließen.
Mit Blick auf die Corona-Pandemie betonte der Bischof, das Phänomen habe an Ostern alle überrollt. Das Bistum werde nach wie vor von der Mehrheit als sehr präsent wahrgenommen, sei es durch seine caritativen Anstrengungen, sei es durch die – vor allem gestreamte – Liturgie. Ausdrücklich dankte Bischof Jung allen, die in den Gemeinden helfen, die Situation zu meistern, auch im Blick auf die nahenden Termine Allerheiligen, Advent und Weihnachten. Das Bistum erwarte wegen Corona in diesem Jahr einen Rückgang der Einnahmen um voraussichtlich sieben Millionen Euro (Stand Ende August). Auch für das kommende Jahr sehe die Tendenz nicht besser aus.
Für Irritation habe die Ausschreibung der Stelle des Dompfarrers im Diözesanblatt gesorgt, da darin der Eindruck entstanden sei, das Amt des Dekanats von Würzburg-Stadt sei gleichsam automatisch mit der Stelle verbunden. „Natürlich wird der Dekan gewählt – nach dem derzeitigen Dekanestatut“, sagte der Bischof. Für den Mai 2021 kündigte er zudem eine Auftaktveranstaltung für das Projekt der Sozialraumorientierung an. Pastoral und Caritas sollen in Zukunft vernetzt gedacht werden. „Dazu braucht es Instrumente für die Analyse und die Konzeption gemeinsamer Projekte.“
mh (POW)
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