Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Rastloser Priester aus Leidenschaft

Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand im Alter von 64 Jahren völlig überraschend gestorben – Mitten aus seinem reichen Priesterleben gerissen – Hoch geschätzter Theologe und Priester – Große Liebe zur fränkischen Heimat

Würzburg/Ochsenfurt (POW) Am Freitagabend referierte er noch in Retzbach bei der Pastoraltagung. Am Samstagmorgen wurde er zur Firmung in Haibach bei Aschaffenburg erwartet. Er kam nicht. Würzburgs Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand wurde am Samstagmorgen, 22. November, tot in seiner Wohnung unweit der Marienkapelle aufgefunden: im Sessel sitzend, das priesterliche Gebetbuch an seiner Seite liegend. Ein völlig überraschender Tod, der unzählige Menschen im Bistum Würzburg und weit darüber hinaus in tiefe Trauer versetzt. „Das Bistum Würzburg ist im Schockzustand“, sagte ein sichtlich ergriffener Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am Samstagabend im Würzburger Bischofshaus. „Generalvikar Hillenbrand hat mit innerer Bereitschaft bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit für das Bistum Würzburg und die Kirche in Deutschland gewirkt. Ich bin unendlich dankbar dafür, dass ich ein langes Stück meines Lebens mit ihm gehen durfte.“

Karl Hillenbrand war im Bistum Würzburg hochgeschätzt: als Priester, als Theologe, als Generalvikar, als Rundfunkprediger, als Medienexperte, als Mensch. Sein Wort hatte Gewicht, seine Entscheidungen waren überlegt und begründet. „Unser Generalvikar war ein Mann des Wortes. Was er uns gesagt hat, hat bleibenden Bestand“, würdigte Bischof Hofmann am Todestag. Weit über die Diözese Würzburg hinaus war Hillenbrand in zahlreichen kirchlichen Gremien, Ausschüssen und Kommissionen auf Bundesebene ein geschätzter, erfahrener, fachkundiger und keine Mühen scheuender Experte und Ratgeber. Bei allem Tun in der Kirche, das ihn auch zu zwei Synoden nach Rom führte, ging sein Blick zugleich stets über den katholischen Binnenraum hinaus. In der Ökumene war er ein geschätzter Gesprächspartner, Freundschaften verbanden ihn mit Vertretern anderer christlicher Kirchen. Er legte größten Wert auf die geschwisterliche Verbundenheit mit dem Judentum. Er reiste immer wieder nach Polen, um auf den Spuren des von ihm sehr verehrten früheren Sonntagsblatt-Chefredakteurs Monsignore Dr. Helmut Holzapfel an der Aussöhnung der beiden Nachbarvölker mitzuwirken.

Karl Hillenbrand stammte aus Ochsenfurt, dort wurde er am 8. Juni 1950 geboren. Auf seine fränkische Heimat war er immer stolz, noch mehr: Er liebte sie, ihre Menschen, ihre Frömmigkeit, ihre Lebensart. Die Gemeinschaft, die er im gläubigen Elternhaus in Ochsenfurt und als Internatsschüler im Kilianeum in Würzburg erleben durfte, prägte ihn und trug ihn für sein weiteres Leben. Das Wort seiner Landsleute, besonders der „einfachen“, schätzte er. Bei seinem Silbernen Priesterjubiläum zitierte Hillenbrand eine ältere Frau aus Ochsenfurt, die ihm kurz nach der Priesterweihe gesagt hatte: „Ein richtiger Priester richtet die Menschen auf, macht ihnen Mut und hilft weiter.“ Mit den wenigen Worten dieser Frau konnte Hillenbrand umschreiben, was einen Priester ausmacht und wie er selbst sein Priestersein verstand: Menschen aufrichten, ihnen Mut machen, weiterhelfen. Hillenbrand tat dies aus Leidenschaft, ohne sich selbst zu schonen, rastlos wirkte er für Kirche und Glauben, für die Menschen im Bistum Würzburg.

Theologisch war Hillenbrand bestens gebildet. Er studierte an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, wurde dort am 10. Oktober 1976 von Josef Kardinal Höffner zum Priester geweiht und promovierte in Rom auch zum Doktor der Theologie. „Heil in Jesus Christus“ lautete der Titel seiner Doktorarbeit, wie auch sonst Jesus Christus die Mitte seines theologischen Denkens bildete. „Stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes“, steht auf dem Primizbildchen Hillenbrands. Es zeigt das Kreuz als Lebensbaum: ein Motiv, das er immer wieder in Ansprachen aufgriff und bei zahlreichen Wallfahrten zum Kreuzberg in der Rhön meditierte. Aus dem Glauben heraus setzte Hillenbrand auf die Zusage, dass Gott in Jesus Christus das menschliche Leben teilt und die Wege der Menschen bis ins Dunkel des Todes mitgeht.

Seine vielfältigen priesterlichen Aufgaben im Bistum Würzburg nahm Hillenbrand stets von seiner Glaubenseinstellung her an. „Als Priester habe ich dem Bischof Verfügbarkeit versprochen.“ Erste Erfahrungen in der Seelsorge sammelte er als Diakon in Leidersbach und in der Aschaffenburger Stiftspfarrei, seine Kaplanszeit führte ihn nach Riedenberg und Oberbach in der Rhön sowie in die Schweinfurter Pfarrei Heilig Geist. 1983 übernahm er als erst 33-Jähriger die Aufgabe des Regens am Priesterseminar Würzburg. Die folgenden 13 Jahre in der Priesterausbildung waren für ihn nach eigenen Angaben ein Geschenk. „Ich konnte mit sehr motivierten jungen Menschen unterwegs sein, die nach einer Lebensentscheidung suchten.“ Eine ganze Priestergeneration ist von ihm geprägt. Landes- und bundesweit engagierte er sich in diesen Jahren als Sprecher der beiden Regentenkonferenzen.

Als Bischof Dr. Paul-Werner Scheele ihn 1996 zum Generalvikar der Diözese Würzburg berief, trat Hillenbrand diese Aufgabe mit Freude an. Für ihn galt die Prämisse: Die Verwaltung muss sich danach bemessen, ob sie der Pastoral, ob sie dem Glaubensleben einer Diözese dient. Generalvikar zu sein war für ihn nicht einfach nur Verwaltungschef zu sein. Er wollte auch Seelsorger sein und blieb dies Zeit seines Lebens. Hillenbrand ging es um den Dienst an der Einheit im Bistum, um den Dienst am Glauben, für ihn ein Dienst auf dem Weg des Gesprächs und des Dialogs. Die diözesanen Aktionen „Wege suchen im Gespräch“ in den 1990er Jahren oder der aktuelle Dialogprozess wären ohne Hillenbrand nur schwer denkbar. Er scheute nicht die Debatten in Gremien, brachte sein fundiertes Wissen ein und war dabei immer wieder Vermittler zwischen unterschiedlichen Positionen. Dienst an der Einheit bedeutete für ihn weiter das Zusammenarbeiten von Priestern und Laien, was er so in Worte fasste: „Die Laien sind keine austauschbaren Ersatzspieler, sie haben ihre eigene Berufung.“ Diese Wertschätzung durften die verschiedenen pastoralen Berufsgruppen ebenso spüren wie der Diözesanrat der Katholiken oder die Jugendverbände, für die Hillenbrand stets Zeit und ein offenes Ohr hatte.

Intensiv in die Pflicht genommen sah er sich in den christlich-jüdischen Beziehungen. Als Regens des Priesterseminars Würzburg war er unmittelbar eingebunden in die Gespräche mit der jüdischen Gemeinde, die in die Rückgabe des nach dem Krieg vom Bistum erworbenen Synagogengeländes mündeten. Als Rektor der Würzburger Marienkapelle, die untrennbar mit der Ausrottung jüdischen Lebens im Jahr 1349 zusammenhängt, galt sein Einsatz dem guten Miteinander von Juden und Christen in Würzburg und darüber hinaus. Unmissverständlich stellte er immer wieder klar, dass im Wissen um die leidvolle Geschichte des jüdischen Volks eine Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust für Christen ein sündhaftes Verhalten darstelle, weil es wahrheitswidrig sei und dazu beitrage, das unsägliche Leid der Opfer zu verdrängen.

Die Marienkapelle – sie war für den geerdeten Marienverehrer spirituelle Heimat. Als Rektor der Bürgerkirche am Markt seit 1996 feierte er dort nahezu täglich in der Frühe die Heilige Messe – auch noch am letzten Tag seines irdischen Lebens. Hillenbrand ist es zu verdanken, dass die Marienkapelle fast 70 Jahre nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg sechs neue Glocken erhielt. 2013 weihte er selbst bei einem Fernsehgottesdienst das Geläut, das mittlerweile täglich das fränkische Marienlied „O himmlische Frau Königin“ vom Turm schlägt. Jetzt mag es damit auch an den verstorbenen Rektor erinnern. Und auch die Krippe in der Kirche am Markt wurde auf Hillenbrands Initiative vor wenigen Jahren aufgestellt.

Zeit nahm er sich trotz einer Fülle von Aufgaben im Bistum und in Deutschland auch für die Weltkirche. Bei den beiden Bischofssynoden zur Priesterausbildung im Jahr 1990 und zu Europa im Jahr 1999 in Rom engagierte er sich als berufener Experte. Hillenbrand sah diesen zusätzlichen Einsatz bei den Synoden als „Arbeit für die Kirche unter anderen Verhältnissen“. Schmunzelnd erzählte er 1999 über seine zweite Berufung zu einer Synode: „Wenn man schon einmal jemand beim Arbeiten erwischt hat, dann bekommt dieser noch etwas dazu.“ Humor hatte er, einen feinen Humor, der in solchen Aussagen immer wieder durchschien.

Wenig Bedeutung maß er Jubiläumsfeiern bei – und auch kirchlichen Ehrentiteln. Als Prälat, zu dem ihn Papst Johannes Paul II. im Jahr 2000 ernannte, wollte er nie angesprochen werden, „höchstens mit dem Doktortitel, denn den habe ich mir mühevoll erarbeitet“. Wenn ein Jubiläum anstand, wollte er dieses ohne Aufsehen feiern und „eher zur persönlichen Gewissenserforschung nutzen“. Die Begegnung, die gegenseitige Bestärkung und Ermutigung der Menschen, die seinen Weg begleiteten, ließ er aber als Argument für eine Feier dann doch gelten. „Ich bin im Feiern kein Weltmeister. Aber ich pflege Freundschaften.“ Wollte jemand ihn beschenken, so wies er auf die Stiftung „Miteinander für das Leben“ hin, die werdenden Müttern in Not hilft. Seit Gründung der Stiftung im Jahr 1999 setzte er sich dafür bis zuletzt mit Herzblut ein.

Eine schwere Bürde war für Hillenbrand die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle im Bistum Würzburg im Jahr 2010. Man sah es ihm an, wie ihm jeder neu aufkommende Vorwurf zusetzte. Doch für Hillenbrand gab es nie einen Zweifel daran: Die Kirche muss sich ihren dunklen Seiten stellen und diese aufarbeiten, schonungslos aufklären. Maßgeblich brachte er seine Erfahrungen bei der Entwicklung neuer Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz zum Umgang mit Missbrauch ein. Doch es wäre nicht Karl Hillenbrand gewesen, hätte er die Fragen von Missbrauch und Gewalt durch Kirchenvertreter nicht ins Gebet genommen. Einen „Kreuzweg der Hoffnung unter der Last von Missbrauch und Gewalt“ schrieb er und gestand: „Selten ist mir die Formulierung von Texten so schwer gefallen, weil es einem angesichts des Leids der Betroffenen die Worte verschlägt.“

Im Jahr 2001 starb ganz plötzlich Hillenbrands enger priesterlicher Freund Erzbischof Dr. Hans Schwemmer. Beim Requiem in der Oberpfalz predigte Generalvikar Hillenbrand: „Wir können dieses plötzliche Sterben kaum fassen. Zugleich aber ist mir aufgefallen: Viele Menschen erzählen aus ihrer Trauer heraus ganz spontan Erlebnisse von Begegnungen mit Hans. Oft waren es kleine, ja alltägliche Begebenheiten, die aber durch seinen Tod einen neuen Stellenwert bekommen haben, weil sie zu bleibenden Erinnerungen werden.“ Angesichts des eigenen, plötzlichen Tods könnten die Worte der damaligen Predigt auch den Trauernden im Bistum Würzburg heute helfen: dass die Begegnungen mit Karl Hillenbrand zu vielen bleibenden Erinnerungen bei den Menschen werden. Denn der Generalvikar war fest davon überzeugt: Mit dem Tod ist nicht das letzte Wort gesprochen, die Lebenden und die Verstorbenen bilden weiter eine Gemeinschaft. Diese frohe Botschaft des Glaubens hatte er erst beim jüngsten Allerseelengottesdienst Anfang November 2014 in der Sepultur des Kiliansdoms seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bischöflichen Ordinariat ans Herz gelegt.

bs (POW)

(4814/1160; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet

Weitere Bilder