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Rund 100 vermutlich einzigartige Titel

Erschließung der Hammelburger Klosterbibliothek abgeschlossen – Sammlung mit rund 8100 Werken jetzt digital recherchierbar – Projekt von Deutscher Forschungsgemeinschaft gefördert

Würzburg (POW) Der gesamte Bestand der Bibliothek des Franziskanerklosters Altstadt in Hammelburg ist ab sofort im Internet-Katalog der Würzburger Diözesanbibliothek recherchierbar und kann im Lesesaal eingesehen werden. Den entscheidenden Mausklick in die digitale Welt führte Domkapitular Thomas Keßler, Ständiger Vertreter des Diözesanadministrators, am Freitag, 17. November, in Würzburg aus. „Das Wirken der Klöster ist ein zentraler Teil des christlichen Lebens in der Diözese“, erklärte er. Darum habe sich das Diözesanarchiv gerne der Herausforderung gestellt, die Bibliothek im Archiv aufzunehmen und fachmännisch zu erschließen. „Wenn man sich vor Augen führt, welche Kriege und Wirren die Bibliothek überstanden hat, dann ist die Überführung nach Würzburg nur ein Wimpernschlag der Geschichte.“ Bereits im vergangenen Jahr hat die Ausstellung „Weltenbummler“ ausführlich über die kostbare Sammlung informiert, die 2012 als Schenkung des Franziskanerordens im Diözesanarchiv eine neue Bleibe gefunden hat.

Für Projektleiterin Nikola Willner, Leiterin der Diözesanbibliothek, ist die Hammelburger Klosterbibliothek etwas ganz Besonderes. „Wir haben hier eine über die Jahrhunderte organisch gewachsene, in sich geschlossene Sammlung, wie es sie kaum noch woanders gibt“, beschreibt sie den besonderen Rang der Bibliothek. Herausragend sei auch, dass die Bibliothek mit ihren etwa 8100 Werken die Säkularisierung von 1803 unbeschadet überdauert habe. Damals seien besonders auch in Franken uralte Bibliotheken bedenkenlos vernichtet worden. Sie erwartet darum von ihr wichtige Aufschlüsse für die unterfränkische Regional- und Bildungsgeschichte. Doch auch erste internationale Forscher würden sich für den Bestand interessieren.

Im Bestand, dessen ursprüngliche Aufstellung beibehalten wurde, befinden sich zum Teil sehr kostbare Bücher. Rund 100 Titel seien bisher in keiner anderen Bibliothek nachweisbar, berichtet Bibliothekarin Willner. Außerdem gebe es 92 Inkunabeln, die aus der Frühzeit des Buchdrucks stammen und Unikate darstellen. Um alles ordnungsgemäß zu erfassen, haben die Mitarbeiter im Rahmen eines Projekts der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) drei Jahre gebraucht. Dabei konnten sie immer wieder auch auf das Fachwissen der Fachstelle Franziskanische Forschung in Münster zurückgreifen.

Die Schwerpunkte der Sammlung bilden Texte zur Theoretischen Theologie sowie zur Glaubensvermittlung in Predigten und der Katechese. Ungewöhnlich sind auch die vielen kleinen Schriften, etwa Andachtsbüchlein, die andernorts meist frühzeitig aussortiert wurden, um Platz zu schaffen. Auch Schriften zur Philologie, Rechtswissenschaft, Mathematik, Astronomie oder Medizin haben die Mönche gesammelt. Darunter hat sich sogar das eine oder andere „verbotene“ Buch in der Bibliothek erhalten. Selbst mit dem Exorzismus hätten sich die Mönche auseinandergesetzt. So erwarb das Kloster 1653 einen „Thesaurus exorcismorum“. Handschriftlich ist ihm auf dem hinteren Buchdeckel ein Rautensegen beigefügt. In zahlreichen Büchern fanden sich zudem gepresste Rautenzweige.

Besonders spannend sind für Willner nicht nur die Bücher selber, sondern auch die Spuren, die die Leser in ihnen hinterlassen haben, Besitzvermerke und Aufzeichnungen aller Art. Aus den Lese- und Gebrauchsspuren geht hervor, wie intensiv die Bücher überhaupt genutzt wurden. So hatte etwa ein Nutzer die Eigenart, an den Buchrand jeweils zu notieren, wann er mit der Lektüre begonnen und sie beendet hat. Anhand seiner „kleinen und krakeligen Handschrift“ war es möglich, nachzuweisen, dass er auch in Fuldaer Bibliotheken tätig war. Nicht immer scheint ihm die Lektüre gut bekommen zu sein: Einmal gibt er an, dass ihn das dreiwöchige Studium eines Buches „beinahe versehrt“ habe.

Warum etwa ausgerechnet ein „Kreuterbuch“ von 1577 dem Hammelburger Tuchhändler Johann Lebenhan (Löwenhahn) dazu diente, in ihm auf 31 Seiten als Anhang ab 1583 seine Familienchronik niederzuschreiben, bleibt rätselhaft. Für die Forschung sei das jedoch ein Glücksfund, mit dem sie nicht nur mehr über die für die Stadtgeschichte wichtige Person erfährt, sondern auch wie Pflanzen, Edelsteine oder Tiere in der Arzneikunde genutzt wurden. „Pergament war ein seltenes Gut“, erklärt die Bibliothekarin. Da verwundert es auch nicht, dass Bucheinbände aus alten Büchern hergestellt wurden. So kann es passieren, dass sich eine Schrift Plutarchs aus dem 16. Jahrhundert in einem Einband mit musikalischen Noten wiederfindet.

Die Bücher stehen nun fein säuberlich der Größe nach geordnet in massiven Drehregalen im Magazin des Archivs. Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind exakt so eingestellt, dass sie ideale konservatorische Bedingungen vorfinden. Provinzbibliothekar Franziskanerpater Dominikus Göcking sieht die Verlagerung der Klosterbibliothek mit einem „lachenden und einem weinenden Auge“. Auf der einen Seite weiß er natürlich um die historische und auch emotionale Bedeutung der Bibliothek für die Mönche und die Stadt Hammelburg, zum anderen sei der Orden jedoch nicht mehr in der Lage gewesen, sich angemessen um die Bücher zu kümmern. „Hier sind sie hoch professionell archiviert, nutzen der weltweiten Forschung und helfen, unsere franziskanische Spiritualität weiterzutragen.“

ca (POW)

(4717/1247; E-Mail voraus)

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