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„Schauen wir Gott ins Angesicht“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann in der Christmette am 24. Dezember 2010 im Würzburger Kiliansdom

Liebe Schwestern und Brüder,

wohl selten wird uns die Bedeutung des Lichtes so bewusst wie in dieser dunklen Jahreszeit. Die steigende Zahl der Lichter am Adventskranz auf Weihnachten zu wird durch die Lichtfülle des Weihnachtsbaumes gekrönt. Helligkeit und Licht schaffen eine Atmosphäre des Wohlbefindens und der inneren Freude. Tiefer aber reicht die Urerfahrung des Gegensatzpaares von Licht und Finsternis. In der Finsternis, die über unserem Dasein lastet, verbergen sich die vielen ungelösten Fragen unseres Daseins, verbergen sich Mühsal und Leid. Wir werden dabei unsicher und haben Angst. Schon in der bloßen Dunkelheit fürchten wir uns und suchen das Licht.

Wie mag es kürzlich den 33 chilenischen Bergleuten ergangen sein, als sie wochenlang nach einem Grubenunglück in der Dunkelheit des Bergwerks gefangen waren. Wie muss ihnen zumute gewesen sein, als sie am 13. Oktober nach mehr als zwei Monaten geborgen wurden und wieder an der Erdoberfläche das Licht gesehen haben. Der Schichtleiter Luis Urzúa sagte, dass die 33 trotz Hunger und Angst nicht den Mute verloren hätten, hätten sie Gott zu verdanken: „Er war der 34. Bergmann und immer an unserer Seite.“ (Die Tagespost, 14.12.2010)

In der heutigen Lesung hörten wir vom Propheten Jesaja: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf.“ (Jes 9,1) Die Ursehnsucht der Menschen nach dem Licht der Erkenntnis erfüllte sich in der Geburt des göttlichen Kindes in Betlehem. Dieses Kind zerbrach nach den Worten Jesajas „das drückende Joch, das Tragholz auf unserer Schulter und den Stock des Treibers“. Man könnte auch formulieren: Es nahm von uns die Diktatur der Unwissenheit, der Angst und der Sklaverei der Sünde und deren Folge: der Tod. Dieses Kind kam als das Licht der Welt (vgl. z.B. Joh 9,5). So wird auch sein Geburtsfest in der Heiligen Nacht mit Licht, Glanz und Herrlichkeit gefeiert.

Der Evangelist Lukas berichtet uns von der Geburt Jesu, dass den Hirten auf den Feldern Betlehems Engel im Glanz des Herrn erschienen seien und ihnen zugerufen hätten: „Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.“ (Lk 2,10/11)

Die Geburt Jesu, die wir besonders in dieser Heiligen Nacht feiern, ist Anlass zur Freude. Diese Freude gründet in der Frohbotschaft, dass der unsichtbare, ewige, allmächtige Gott in unsere Geschichte, in unser Leben eingetreten ist.

Papst Benedikt XVI. fand die starken Worte: „Gott ist nicht in sich geblieben: Er ist aus sich herausgetreten, er ist so sehr, so radikal eins geworden mit diesem Menschen, Jesus, dass dieser Mensch Jesus Gott ist, und wenn wir von ihm sprechen, können wir immer auch von Gott sprechen.

Es ist nicht nur ein Mensch geboren, der mit Gott zu tun hatte, sondern in ihm ist Gott auf der Erde geboren. Gott ist aus sich herausgetreten.

Aber andererseits können wir auch sagen: Gott hat uns in sich hinein gezogen, so dass wir nicht mehr außerhalb von Gott, sondern tief in seinem Innersten sind.“ (Weihnachtskarte Bischof Genn 2010)

Diese Freude, die uns dadurch geschenkt wird, dürfen wir uns nicht verdunkeln lassen durch all das, was im vergangenen Jahr an Finsternissen in und außerhalb der Kirche aufgebrochen ist. Ich denke dabei an die erschreckenden sexuellen Missbrauchsfälle in unserer Gesellschaft und zumal in unserer Kirche, an die Verfolgung der Christen weltweit, besonders schmerzlich im Irak. Ich denke an die vielen Attentate und auch an die deutlich erkennbare Zunahme eines aggressiven Atheismus in Europa, der sich bis in die politischen Parteien hinein formiert. Man versucht den Menschen einzureden, dass eine Welt ohne Christus, ja ohne Gott, befreiender sei als in und mit der Kirche. Bei uns wird oft genug so getan als ob Konsum in jedweder Art Gott ersetzen könne. Wie ist dem zu begegnen?

Vor einigen Tagen las ich einen Artikel mit der Überschrift „Die Freude, die auf die Spur Gottes führt“. Diese Freude gilt es wahrzunehmen. Die heilige Hildegard von Bingen fand die Worte: „Gottes Menschwerdung ist die größte Mitteilung seiner Liebe. In ihr schaut der Mensch Gott ins Angesicht.“ (Karmel Wending) Wir dürfen Gott in dem neugeborenen Kind von Betlehem anschauen. Dieses unverdiente Geschenk darf uns zugleich demütig und froh machen. Papst Benedikt XVI. hat einmal in Castel Gandolfo vor einem Schülerkreis gesagt: „Wenn wir die Ratlosigkeit der Welt vor den großen Fragen der Gegenwart und der Zukunft bedenken, dann sollte auch in uns die Freude darüber wieder aufbrechen, dass Gott uns unverdient sein Gesicht, seinen Willen, sich selbst gezeigt hat.“ (Vatican Magazin, Dezember 2010, 34)

Ja, liebe Schwestern und Brüder, schauen wir Gott ins Angesicht, indem wir den Mensch gewordenen Gottessohn, das Kind von Betlehem, anschauen. Nehmen Sie sich in diesen Weihnachtstagen Zeit mit Ihrer Familie, Ihren Freunden und den Nächsten, die Ihre Hilfe brauchen, Gott ins Angesicht zu schauen. In diesem einen Kind geschieht nicht nur Zeitenwende sondern Lebenswende. Indem wir Jesus Christus wieder als den Erlöser – auch für uns selbst – begreifen, finden wir zur Mitte, zum Glauben, zur Freude zurück. Nehmen wir uns die Zeit, damit die Freude über dieses Geschehen in uns wachsen und uns ausfüllen kann. Dann ist Weihnachten kein überholtes Fest vergangener Nostalgie, sondern Quelle unserer Freude für heute und für eine hellere Zukunft.

Amen.