Würzburg (POW) Am ersten Adventssonntag, 29. November 2009, tritt die neue Ausgabe des liturgischen Buches „Die kirchliche Begräbnisfeier“ an die Stelle der bisherigen deutschsprachigen Ausgabe von 1973. Im folgenden Interview erläutert der Liturgiereferent der Diözese Würzburg, Dr. Stephan Steger, das neue liturgische Buch, das sogenannte Begräbnisrituale.
POW: Die katholische Kirche hat ein neues Rituale zur Begräbnisfeier, ein liturgisches Buch mit den vorgegebenen Gebeten und Texten zur Feier der Beerdigung herausgeben. Können Sie kurz erklären, worum es hier geht?
Dr. Stephan Steger: Beim neuen Begräbnisrituale handelt es sich um eine Neuübersetzung der gleichen lateinischen Grundform der katholischen Begräbnisfeier von 1969, die auch der bisherigen deutschsprachigen Ausgabe von 1973 zugrunde lag. Daneben gibt es eine ganze Reihe von besonderen Formen und Gebeten, die der Begräbniskultur im deutschsprachigen Raum und ihrer Entwicklung Rechnung tragen wollen. Diese neukonzipierten Texte und Feierformen greifen nicht auf eine lateinische Vorlage zurück.
POW: Werden Begräbnisfeiern künftig ganz anders gestaltet werden?
Steger: Empirische Analysen zur Begräbniskultur haben gezeigt, dass den Trauernden eine große Verlässlichkeit im Begräbnisritus eine wichtige Hilfe zur Trauerbewältigung in den emotionalsten Momenten des Abschieds ist. Insofern ist es sehr zu begrüßen, dass die vertrauten Grundformen der katholischen Begräbnisfeier gleich geblieben sind.
POW: Wie greift das neue Rituale veränderte Formen der Bestattung auf?
Steger: Das neue Rituale berücksichtigt zum Beispiel die starke Zunahme von Feuerbestattungen in den vergangenen Jahrzehnten. 1973 war die Feuerbestattung die Ausnahme, während sie heutzutage mindestens gleichauf mit der Erdbestattung liegt. Deshalb ist eine eigene Feier der Verabschiedung vor einer Einäscherung neukonzipiert worden. Mittlerweile aber zeigt sich schon wieder, dass die Veränderungen in der Begräbniskultur schnell voranschreiten. So gibt die Pastorale Einführung der deutschsprachigen Bischöfe zum Rituale auch Hinweise, wie eine Feier gestaltet werden kann, wenn statt getrennter Verabschiedung und Urnenbeisetzung nur noch eine Feier stattfinden kann oder soll. Insgesamt vollzieht sich im Moment ein schneller Wandel in der Begräbniskultur, der ein kirchliches Handeln auch über das Rituale hinaus notwendig macht. So hat Bischof Dr. Friedhelm Hofmann schon 2007 Hinweise zum Umgang mit Friedwäldern und Ruheforsten und vor einigen Wochen erst Orientierungshilfe für katholische Bestattungen auf anonymen Urnenfeldern gegeben. Und es kann davon ausgegangen werden, dass auch weiterhin Klärungsbedarf über das neue Begräbnisrituale hinaus bei der sich verändernden Begräbnispraxis besteht. So beobachten wir zum Beispiel im Moment mit großer Aufmerksamkeit die Zunahme privater Abschiedsräume, was auch für die Gestaltung der katholischen Begräbnisfeier Folgen haben wird. Dabei geht es nicht um eine Ablehnung dieser neuen Entwicklungen, sondern um eine Vergewisserung katholischer Grundlagen im Verständnis von Tod und der Verabschiedung der Verstorbenen, die auch bei neuen Feier- und Trauerformen nicht verloren gehen dürfen.
POW: Gibt es weitere Neuerungen?
Steger: Das neue Begräbnisrituale sieht erstmals auch ein Formular vor, wenn ein kirchliches Begräbnis nicht möglich ist, die Hinterbliebenen aber um die Begleitung und das Gebet der Kirche ersuchen. Neu ist auch ein Feierformular bei so genannten „Großschadensereignissen“ und Katastrophen und bei der gemeinsamen Verabschiedung oder Bestattung von tot geborenen Kindern und Fehlgeburten. Gerade hier hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, wie wichtig für die trauernden Eltern und Angehörigen der Abschied von diesen Kindern ist.
POW: Bei Seelsorgern ist bereits Kritik am unhandlichen Format des Buches und an der Sprache der liturgischen Texte laut geworden. Worum geht es bei der Kritik und ist sie berechtigt?
Steger: Das im ersten Moment unhandlich wirkende Format ist ähnlich wie schon beim erneuerten Rituale zur Kindertaufe sicher auch eine Frage der Gewohnheit. Nicht ganz benutzerfreundlich ist der Umfang des Buches aufgrund des reichen Angebotes an Bibeltexten und Psalmen. Hier wäre vielleicht weniger Vielfalt besser gewesen, doch war man an die textlichen Angebote der lateinischen Vorlage gebunden. Auch bei der Sprache zeigt sich an manchen Stellen die starke Bindung an den lateinischen Originaltext. So wirken gewisse Sprachbilder beim ersten Hören und Beten ungewohnt und der nüchternen Sprachgestalt unserer Zeit nicht unbedingt angemessen. Hier ist es zum einen wichtig, aus der textlichen Vielfalt des Buches zu schöpfen und mit den unterschiedlichen Angeboten des Buches umzugehen. Zum anderen sollte aber auch mit Blick auf die Neuauflage weiterer liturgischer Bücher weiter überlegt werden, inwieweit eine wörtliche Übersetzung der oftmals wunderbaren lateinischen Gebete so nah an der lateinischen Textgestalt erfolgen kann, so dass deren Ergebnis noch verständliche Gebetssprache bleibt. Nach der Einschätzung so mancher Kritiker in den vergangenen Wochen seit Erscheinen des Buches ist das im neuen Begräbnisrituale nicht immer gelungen. Entlastend kann an dieser Stelle aber sein, dass es beim Gebet – anders als bei der Verkündigung – nicht so sehr auf ein rationales Verstehen, sondern mehr auf ein emotionales Getragen-Werden ankommt. Vielleicht wird sich so mancher Text im liturgischen Gebrauch mehr bewähren, als es jetzt beim ersten Hören und Beten erscheint.
POW: Welche Botschaft der Kirche steht im neuen Rituale im Zentrum? Geht es vor allem um Tod und Trauer oder mehr um Auferstehung und neues Leben?
Steger: Da im katholischen Begräbnisritus immer der Blick auf den Toten im Vordergrund steht, geht es in erster Linie um den Tod und das Gebet für den Verstorbenen oder die Verstorbene. Das beinhaltet auch die Hoffnung auf das neue Leben, das uns verheißen ist. Natürlich geht es auch um die Trauer der Hinterbliebenen, doch geschieht dies eher implizit im Mitfeiern und Mitbeten der versammelten Trauergemeinde. Die von der Trauer stark ergriffenen Hinterbliebenen werden durch die direkte Ansprache des Toten im Gebet emotional und rituell getragen. Erst nach den rituellen Handlungen am Grab richtet sich der Fokus der Gebete explizit auch auf die Hinterbliebenen. Dieser katholischen Grundperspektive der Begräbnisfeier als Dienst der kirchlichen Gemeinschaft am Verstorbenen bleibt auch das neue Begräbnisrituale verpflichtet. Der Übergang des Verstorbenen durch den Tod in ein neues Leben bei Gott wird im Vollzug der Begräbnisfeierlichkeiten kirchlich rituell begleitet. Dass aber auch die Sorge um die Hinterbliebenen von wachsendem Interesse ist, zeigen die bereits genannten neuen liturgischen Sonderformen. Insgesamt helfen uns die neuen und aktuellen Entwicklungen im Bereich der Begräbniskultur – wie Friedwald oder die Zunahme anonymer Bestattungen – wieder stärker die Grundlagen unseres Glaubens im Blick auf die Bestattung bewusst zu machen: Wir glauben an die individuelle Geschöpflichkeit eines jeden Menschen und an die Verheißung der Auferstehung, die uns in Jesus Christus geschenkt ist. Beides kennzeichnet unsere katholische Begräbnisliturgie und beides bleibt bei all den unterschiedlichen Formen und Möglichkeiten in der Begräbnispraxis das Unverwechselbare.
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