Gemünden/Karlstein/Kahl (POW) Diese Sommerferien kommt Harald Knes nicht so viel zum Erholen wie sonst. Der Grundschullehrer aus Gemünden schreibt derzeit an einem Schulkonzept. Mit dem Schuljahr 2010 soll sein Traum Wirklichkeit werden: eine katholische Privatschule, in der nach dem ganzheitlichen Pädagogikkonzept des Schönstatt-Gründers Pater Josef Kentenich unterrichtet wird. In Kempten hat sich eine Gruppe von Menschen gefunden, die sich für die Idee stark machen. Und auch ein Schulgebäude ist bereits in Aussicht.
Knes gehört zum Säkularinstitut der Schönstätter Marienbrüder und lebte nach dem Studium und dem Referendariat von 1998 bis 2001 sowie von 2005 bis 2006 im Auftrag seiner Gemeinschaft in Chile. Dort arbeitete er am Archiv für den Seligsprechungsprozess des verstorbenen Mitbruders, dem chilenischen Ingenieur Mario Hiriart. „Seine Seligsprechung läuft derzeit in Rom und ich verfasse eine Biographie.“ Zwischendurch hatte Knes wiederholt Gelegenheit, von der Schönstattpädagogik inspirierte Privatschulen in Chile, Paraguay und Argentinien zu besichtigen. Nicht nur das: „Im Jahr 2000 konnte ich an der im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfindenden Südamerika-Konferenz von den Schulgründern und Direktoren solcher Schulen in Buenos Aires teilnehmen. Das hat meinem Wunsch bestärkt, mich in Deutschland mit der Schönstattpädagogik zu beschäftigen und auszutauschen.“ Das Angebot einer großen Privatschule in Chile, für alle Lehrer als Fortbildungsreferent in Sachen Schönstattpädagogik zu arbeiten, habe er damals abgelehnt, da er sich als Nicht-Muttersprachler der Aufgabe nicht gewachsen fühlte.
Im August 2008, inzwischen schon seit vielen Jahren wieder Grundschullehrer in Unterfranken, versuchte Knes über persönliche Kontakte in ganz Deutschland Menschen zu organisieren, die an der Schönstattpädagogik Interesse haben. Das Konzept lässt sich im Prinzip auf fünf Schwerpunkte reduzieren. „Dabei ist aber festzuhalten, dass Pater Kentenich seine Pädagogik nicht speziell für die Schule und über fünf Jahrzehnte hin entwickelt hat. Es gibt auch kein Buch mit Kentenich als Autor, das den Ansatz systematisch und komplett darstellt“, betont Knes.
Er selbst versucht es dennoch in groben Zügen zu erklären. „Basis sind die Vertrauens- und die Bindungspädagogik.“ Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass Wissensvermittlung am besten funktioniert, wenn zwischen Schülern, Lehrern und Eltern Vertrauen herrscht und die Atmosphäre so ist, dass Lernen und Erziehen sowie Persönlichkeitsentwicklung gelingen können. „Der Mensch braucht Orte und Dinge, an denen er sich ‚festmacht‘ und Heimat spürt, er braucht aber auch die Bindung an Werte.“ Hinzu kommt die Bündnispädagogik. „Das meint die spirituelle Beziehung zu himmlischen Bezugspersonen“, betont der Pädagoge. Sakramente, Gebet, Heiligenverehrung sollten selbstverständlich zum Schul- und Lebensalltag gehören und von Erwachsenen in moderner Art vorgelebt werden.
Ergänzt wird diese Basis durch die Bewegungs- sowie die Idealpädagogik. Das persönliche Ideal sowie ein Gemeinschaftsideal seien wertvolle Hilfen, die eigenen Fähigkeiten und Talente erstrahlen zu lassen. Im Gegensatz zur Pflichtpädagogik gehe es der Idealpädagogik darum, das zu verwirklichen, was jeder von Gott individuell als seinen Weg ins Herz gelegt bekam. Knes sieht Parallelen zu Pestalozzi, der Kopf, Herz und Hand ansprechen wollte. „Wir nehmen Sinneseindrücke auf (Hand), verarbeiten sie zu Wissen (Kopf) und wägen sie nach ihrem Wert (Herz). Was ein Einzelner für sich als besonders wertvoll erkennt, behält er langfristig in Erinnerung (Kopf). Das schafft wiederum eine Gesinnung oder eine Haltung, die sich in seinen Aktivitäten in Bezug auf seine Umwelt ausdrückt (Hand).“
Ganz ohne Pflicht und Eingreifen des Lehrers funktioniere natürlich auch eine Schule nach den oben beschriebenen Prinzipien nicht. „Schule ist immer ein Spannungsfeld zwischen Eigenmotivation und genutzter Freiheit einerseits und Kontrolle andererseits.“ Der Ansatz der geplanten Einrichtung sei aber stark bewegungspädagogisch. Es gelte, ein Ziel zu formulieren und sich auf den Weg zu machen. „Als Pilger habe ich erlebt, dass Gott tatsächlich Vater im Himmel ist, der für mich sorgt. Das im Leben zu entdecken ist etwas ganz Anderes als diesen Satz irgendwo zu lesen und auswendig zu lernen.“
Gerade die ganz andere Art, Wissen zu vermitteln, soll die neue Schule von den Schulen unterscheiden, die es zum Beispiel in Trägerschaft von den Schönstätter Marienschwestern schon gebe, erklärt Knes. Diese seien nach eigenen Aussagen klassische Schulen „mit einem sehr guten Ruf“. Ein Ehepaar aus Kempten habe sich schon länger mit einer möglichen Schulgründung befasst, habe sich aber den pädagogischen Teil nicht zugetraut. „Als ich davon hörte, wurden wir gegenseitig auf uns aufmerksam.“ Gemeinsam mit sieben weiteren Pädagogen entwickelt Knes derzeit das Schulkonzept, ein Öffentlichkeitsteam kümmert sich um Logo und Medienkontakte, ein Team von Finanzexperten rechnet die Finanzierung durch. Unter dem Namen „Kentenich-Pädagogik“ ist in Kempten ein Verein eingetragen. Dieser hat sich für die Rechtsform der Bekenntnisschule entschieden, weil auf diese Weise die geringsten finanziellen Risiken entstünden und die Schule auch als ein Dienst für die Katholische Kirche verstanden werde.
Zusätzlichen Rückenwind bekam das Projekt, als die Armen Schulschwestern Kempten verließen und ihre Schule aufgaben. So wurde ein nach Knes‘ Worten „ideales Schulgebäude für eine zweizügige Grundschule und eine einzügige Hauptschule“ frei und vonseiten der Stadt in Aussicht gestellt. „Ohne unser Zutun haben sich vor Ort bekannte Persönlichkeiten wie die Witwe des früheren Bundeslandwirtschaftsministers Ignaz Kiechle zu unseren Fürsprechern gemacht“, sagt Knes. Als Beamter auf Lebenszeit hat er beim Freistaat für 2010 schon seine Versetzung angesprochen. Das letzte Jahr wird der bisher in der Grundschule Karlstein beschäftigte Lehrer in der Grundschule in Kahl arbeiten. Danach wird er – sofern alles klappt – als Pädagogischer Leiter an der neuen Schule den Dienst antreten.
Bis dahin träumt er von dem Unterricht dort, der sich am Marchtaler Plan orientiert und unter anderem zwei Stunden stille Freiarbeit pro Tag vorsieht, den individuellen Fähigkeiten der Schüler angepasst. Vorgesehen sind zu Wochenbeginn und Wochenabschluss je eine religiöse Klassenfeier. Ein vernetzter Unterricht soll den Fachunterricht mit 45-Minuten-Einheiten ablösen. Außerdem plant Knes Projekte und Angebote, die zur Persönlichkeitsentwicklung der Schüler beitragen. Er habe es als äußerst schade empfunden, dass die Leistungen und Fähigkeiten, die einer seiner Hauptschulschützlinge in seiner Freizeit als Kleinbauer mit Feldfrüchten und Kleinviehzucht entwickelte, in der Schule keinerlei Beachtung fanden. Als Schule mit freien Nachmittagsangeboten soll die Schule unter anderem für solche Talente Raum bieten, wünscht sich Knes. 2013 soll die Grundschule alle vier Jahrgangsstufen umfassen und rund 190 Schüler haben. Was es heißt, eine solche Schule zu leiten, wird er bis dahin wie ein Pilger erfahren: Schritt für Schritt.
Zur Person
Harald Knes (37) wurde 1971 als viertes von acht Kindern geboren und wuchs in Fellen (Landkreis Main-Spessart) auf. Er studierte in Passau für das Lehramt an Grundschulen und gehört seit 1995 zum Säkularinstitut der Schönstätter Marienbrüder. Als Pilger legte er zwischen 1993 und 1999 mehr als 3000 Kilometer zu Fuß zurück. Unter anderem lief er von Regensburg nach Prag, von Oberkirch nach Taizé, von Passau über die Alpen nach Sankt Veit an der Glan sowie vom argentinischen Mendoza über die Anden nach Santiago de Chile. Er lebt in Gemünden und arbeitet in Kahl am Main.
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