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Im Gespräch

„Schweigen brechen!“

Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen – Interview mit Stefanie Eisenhuth

Würzburg (POW) Seit 1981 wird am 25. November der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen als Gedenk- und Aktionstag weltweit begangen. Die Akteure setzen sich gegen alle Formen von Gewalt, Diskriminierung und Unterdrückung von Frauen und Mädchen ein. Stefanie Eisenhuth, Fachkraft für Prävention im Caritasverband für die Diözese Würzburg, erläutert im folgenden Interview unter anderem, warum sie aktuell bedingt durch die Corona Einschränkungen einen Anstieg von Gewalt gegenüber Frauen und Kinder sieht.

POW: Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter, Frau Eisenhuth. Worüber reden wir hier mit Blick auf Deutschland?

Stefanie Eisenhuth: Der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen hat in der Tat viele Themen, denn das Unrecht, das Frauen und Mädchen weltweit angetan wird, schreit auch im
21. Jahrhundert zum Himmel. Es gibt deshalb weltweit Aktionen gegen Zwangsprostitution, Genitalverstümmelung, Sextourismus, Zwangsheirat und Frauenarmut. Für Deutschland gilt: Jede dritte Frau, das sagen uns die Statistiken, ist im Laufe ihres Lebens von häuslicher oder sexualisierter Gewalt unmittelbar betroffen. Einige Fälle werden bekannt, die Dunkelziffer dürfte jedoch sehr groß sein. Gewalt wird dort manifest, wo sie körperliche Blessuren hinterlässt. Beginnen tut sie oftmals viel früher. Frauen werden verbal belästigt, gedemütigt und erniedrigt. Gewalt hat auch eine psychische, eine seelische Komponente.

POW: Immer wieder ist in diesen Wochen und Monaten zu hören und zu lesen, dass die Corona-Pandemie wie ein Brennglas wirke. Was heißt das für das Thema „Gewalt gegen Frauen“?

Eisenhuth: Genaue Zahlen werden wir erst nach der Krise sehen und auch nur dort, wo es offizielle Erhebungen gibt. Aber aus unseren Beratungsstellen hören wir, dass das Problem seit Beginn der Pandemie zugenommen hat. Mit dem Coronavirus scheint sich auch das Virus der Gewalt weiterverbreitet zu haben. Paare und Familien in Quarantäne; wirtschaftliche Sorgen und Zukunftsängste. Das sind keine Entschuldigungen, sondern Aspekte, die die zunehmende Gewalt gegen Frauen und auch Kinder erklären.

POW: In wenigen Tagen beginnt der Advent, eigentlich eine schöne und besinnliche Zeit. Und in vier Wochen ist Weihnachten, das Fest der Familie. Sehen Sie erhöhte Gefahren?

Eisenhuth: Wir sollten nicht im Vorfeld spekulieren und dramatisieren. Grundsätzlich ist feststellbar: Häusliche Gewalt tritt dort vermehrt auf, wo Menschen mit bestimmten Dispositionen zusammenkommen. Weihnachten und Silvester waren schon immer durch mehr Gewalt belastet. Der erhöhte Alkoholkonsum, der auch in der Corona-Pandemie eine unheilvolle Rolle spielt, wirkt ebenfalls als Verstärker. Nicht von ungefähr hoffen die Verantwortlichen, Corona-Einschränkungen zu Weihnachten lockern zu können. Ich sehe darin auch eine Maßnahme zur Gewaltprävention im häuslichen Bereich, wenn beispielsweise Besuche und Ausflüge wieder möglich sind.

POW: Internationale Gedenk- und Aktionstage machen auf Missstände und Herausforderungen aufmerksam. Aber was raten Sie den Frauen in akuten Notlagen?

Eisenhuth: Der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen will in erster Linie die breite Öffentlichkeit für das wichtige Thema sensibilisieren. Dabei darf es jedoch nicht bleiben. Gesetze müssen sich ändern. Auch deshalb ist die Vergewaltigung in der Ehe inzwischen ein Straftatbestand, und das Stalking, mit dem Frauen verfolgt und bedroht werden, wird von den Behörden sehr ernst genommen. Mit anderen Worten: Viel hat sich im Bewusstsein der Bevölkerung und der Institutionen schon verändert. Als Caritas leisten wir unseren Beitrag durch Präventionsschulungen und -arbeit, durch den Unterhalt von Frauenhäusern, Krisen- und Beratungsdiensten. In Würzburg betreibt die Caritas einmalig in Deutschland sogar eine psychotherapeutische Fachambulanz, um sich mit Tätern auseinanderzusetzen, sodass neue Opfer verhindert werden. Wichtig ist, dass die Frauen ihr Schweigen brechen. Dafür gibt es zum Beispiel das bundesweite Hilfetelefon 08000 116 016. Im akuten Fall sollten Frauen nicht zögern, sich direkt unter dem Notruf 110 an die Polizei zu wenden.

POW: Was sagen Sie den Männern? Sie sind es ja, von denen in den meisten Fällen die häusliche und sexualisierte Gewalt ausgeht.

Eisenhuth: Nicht alle Männer sind per se Gewalttäter, aber wo häusliche oder sexualisierte Gewalt auftritt, geht sie zu einem hohen Prozentsatz von Männern aus. Sie müssen lernen, mit ihren Emotionen konstruktiv umzugehen. Auch dafür gibt es Beratungs- und Hilfsangebote. Männer müssen nicht zu Tätern werden. Deshalb richtet sich dieser Tag auch an alle Männer. Ein gutes gesellschaftliches Miteinander gibt es nur, wo auch ein gutes Miteinander von Frauen und Männern gelingt.

Interview: Sebastian Schoknecht (Caritas)

(4820/1220; E-Mail voraus)

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