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Schweigen im Wald, Singen im Weinberg

Große Pilgergruppe auf dem Weg durch die Weinberge von Thüngersheim nach Retzbach – Weihbischof Ulrich Boom und viele Ordensleute pilgern mit

Thüngersheim/Retzbach (POW) Den Campinghocker in der rechten Hand, das grüne Pilgerheft in der linken Hand – so wallt Rosalinde Hornum nach Retzbach. Mit ihr ziehen über 300 Pilger singend und betend von Thüngersheim durch die Weinberge zur „Maria im Grünen Tal“. Passend dazu tragen alle Teilnehmer der Wallfahrt einen grünen Schal um den Hals. Mal locker über die Schulter gelegt, mal ordentlich gebunden. Thüngersheim ist neben Himmelstadt, Karlstadt, Mariabuchen, Retzstadt und Würzburg einer der Ausgangspunkte für die große Sternwallfahrt am 17. Mai nach Retzbach.

Hornum ist nicht zum ersten Mal bei einer Wallfahrt dabei. Die 61-Jährige aus Münnerstadt ist heute mit ihrer Tochter unterwegs und gut vorbereitet: „Im Rucksack habe ich ein Notfallbrötchen und natürlich etwas zu trinken. Wir werden ja immer wieder aufgefordert zu trinken.“ An drei Stationen hält die Pilgergruppe. Die erste ist kurz hinter der Ortsgrenze von Thüngersheim am Beginn der Weinberge. Danach geht es bergauf an Weinstöcken und Traktoren vorbei. Langsam verschwindet der Weinort, der Weg schlängelt sich durch die grünen Weinberge. „Die Erde ist schön“, singen die Pilger. „Das Lied passt. Der Weg ist wunderschön, um die Seele baumeln zu lassen“, sagt Hornum. Der Himmel ist klar und blau, nur einzelne Wolken spenden ab und zu Schatten. Das Wetter passe perfekt, meint Hornum. Wie die anderen Pilger genießt sie den sonnigen Gang durch die Weinberge.

Einer der Pilger ist Weihbischof Ulrich Boom. Für ihn kann das Leben auch eine Autobahn sein. Schnell, unübersichtlich, auch mit Staus und Unfällen. „Nehmen wir alle die ins Gebet, die auf den Straßen dieser Welt unterwegs sind“, bittet er die Pilger. Die Fußwallfahrt aus Würzburg mit Pfarrer Josef Treutlein kreuzt den Weg der Pilger aus Thüngersheim. Die Gruppe ist morgens kurz nach acht Uhr in der Würzburger Marienkapelle gestartet. Winken und Zurufe. Einige Pilger aus den beiden Gruppen kennen sich.

Die zweite Station wartet auf einem runden Platz im Schatten einiger Birken. Dort schließt sich ein Wald an die Weinberge an. Nach dem Impuls sollen die Pilger still in sich gehen, erklärt Pfarrer Achim Wenzel. Ein kurzes Gebet zum Abschluss, dann herrscht Schweigen im Wald. Niemand spricht mehr. Als ein paar Pilger trotzdem anfangen, sich zu unterhalten, kommt ein energisches „Psssst“ aus den ersten Reihen. Nun herrscht wieder Ruhe. Nur der Gesang der Vögel und der nahen Würzburger Pilgergruppe ist zu hören. Laut zeternd fliegt ein Eichelhäher über die schweigende Gruppe hinweg. Als der Wald sich lichtet, brennt die Sonne den Wallfahrern wieder auf der Haut.

Die 36-jährige Erlöserschwester Sybille Maria Burkhard aus Würzburg trägt ihre Gitarre auf dem Rücken. Bei den Gesängen der Gruppe kommt das Instrument zum Einsatz. Immer wenn an einer Station ein Lied angestimmt wird, begleitet Schwester Sybille die Sängerinnen und Sänger. „Als Haus- und Hofmusikantin bei den Erlöserschwestern bin ich oft im Einsatz“, sagt sie und schmunzelt. Mit ihr sind in der Wallfahrtsgruppe viele Ordensleute unterwegs: Erlöserschwestern, Benediktiner aus Münsterschwarzach, Elisabethschwestern und ein Franziskaner-Minorit. Der Grund: Die Diözesanstelle Berufe der Kirche gestaltet diese Wallfahrt gemeinsam mit den Geistlichen Gemeinschaften.

Die Teilnehmer der Wallfahrt kommen aus ganz Bayern. Für ein Ehepaar aus Unterleinleiter in der Fränkischen Schweiz gehört die Wallfahrt „Patrona Bavariae“ seit zwei Jahren jeden Mai dazu. Angefangen hat die Begeisterung 2012 im Wallfahrtsort Vierzehnheiligen, erzählt Agnes Müller. Ihr Mann Karl-Heinz Müller findet die Wallfahrt nach Retzbach besser organisiert als die Wallfahrt im vergangenen Jahr zum Bogenberg im Bistum Regensburg. „Da sind 5000 Pilger auf einmal eingezogen. Hier sind die Pilgerzüge kleiner, man kann die Lieder einfacher mitsingen“, sagt der 54-Jährige. Agnes Müller ergänzt, dass die Aussicht hier so schön sei. Nächstes Jahr in Augsburg wollen sie wieder mit dabei sein. Beide sind sich einig: „Das machen wir!“

Mittlerweile ist die Benediktushöhe erreicht. Die letzten Meter geht es wieder ein Stück bergab. Auf dem Parkplatz vor dem Bildungshaus Benediktushöhe endet die gemeinsame Wegstrecke dieser Pilgergruppe mit einem Lied. Als dort zwei Bischöfe zu sehen sind, ruft der Weihbischof: „Einen Applaus für die emeritierten Würzburger Bischöfe Paul-Werner Scheele und Helmut Bauer.“ Die Pilger klatschen. Weitere Bischöfe treffen ein. Im Bildungshaus legen sie die Messgewänder an für den Gottesdienst, der in einer halben Stunde beginnt. Auch Weihbischof Boom muss sich umziehen. Die anderen Pilger verschwinden Richtung Pfarrheim. So mancher stärkt sich dort rasch mit Kaffee und Kuchen. 30 Minuten vor Beginn des Pontifikalamts sind die meisten Bänke am Wallfahrtsplatz belegt. Rosalinde Hornum macht sich keine Sorgen. Sie trägt ihren Sitzplatz immer bei sich.

Christoph Niekamp (POW)

(2114/0492; E-Mail voraus)

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