„Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt.“ (Joh 1,9)
Diese heilige Nacht erfüllt „das wahre Licht, das …. in die Welt kam“, wie uns Johannes zu Beginn seines Evangeliums schildert. Die Welt scheint angesichts der vielen Probleme oft genug dunkel zu sein, und viele meinen, dass – wie im Schöpfungsbericht geschildert „und Finsternis lag über der Urflut“ (Gen 1,2) – dies auch heute noch so ist, obwohl „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, in die Welt kam“.
Uns Heutigen ist der materielle Gegensatz von Licht und Finsternis angesichts der hellen Beleuchtung in unserem Lebensumfeld nicht mehr so erlebbar. Die Älteren unter uns erinnern sich noch an die Verdunkelungen während des Krieges. Mir sind noch die Nachtwanderungen meiner Kindheit deutlich in Erinnerung.
Heute braucht man nur einen Knopf zu betätigen und schon leuchtet das Licht hell auf. Unsere Wohnungen sind hell erleuchtet. Straßenbeleuchtung und Reklame vertreiben das Dunkel der Nacht. Umgekehrt gibt es eine Sehnsucht nach echtem Feuer, nach offenem Kaminfeuer und der lebendigen Flamme einer Kerze. Ist das nur Nostalgie?
Gängige Ausdrücke verraten einen tiefen Hang zur Licht/Finsternis-Symbolik: Wir sagen zum Beispiel: Etwas im Dunkeln belassen; ich brauche den Tag nicht zu scheuen; lichtscheues Gesindel; du lebst auf der Sonnenseite des Lebens.
Erst recht haben Künstler eine große Sensibilität für das Licht. Wir brauchen nur an Rembrandt zu denken, der in seiner Malerei der Lichtsymbolik huldigte. Die „Zero-Gruppe“ Anfang der 1950er Jahre hat die Lichtkinetik entwickelt und Licht als ein Medium innerhalb der modernen Kunst entfaltet. Der Künstler Lazlo Moholy Nagy bekannte: „Der immanente Geist sucht: licht, licht!“ (Kunstführer 1974, S. 46)
Die Bibel spricht im Schöpfungsbericht vom Licht als dem von Gott geschaffenen Ordnungsprinzip: „Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war. Gott schied das Licht von der Finsternis.“ (Gen 1,3 u. 4) Zugleich dient das Licht der Verherrlichung Gottes: „Dein ist der Tag, dein auch die Nacht, hingestellt hast du Sonne und Mond“, betet der Psalmist (Ps 74,16). Jesaja weissagt im Blick auf Christus: „Das Volk, das im Dunkeln lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf.“ (Jes 9,1)
Im Lobgesang des greisen Simeon, der das Christkind im Tempel auf seinen Armen trägt, vernehmen wir: „… Meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet und Herrlichkeit für dein Volk Israel.“ (Lk 2,30-32) Der Evangelist Johannes wird nicht müde, Christus als das Licht der Welt zu verkünden. Er berichtet: „Als Jesus ein andermal zu ihnen redete, sagte er: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern das Licht des Lebens haben.“ (Joh 8,12)
Das Tragische besteht darin, dass viele Menschen dies nicht erkennen. So bilanziert schon der Johannesprolog: „Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.“ (Joh 1,5) Auch Paulus mahnt: „So strahlt…(den Ungläubigen) der Glanz der Heilsbotschaft nicht auf, der Botschaft von der Herrlichkeit Christi, der Gottes Ebenbild ist.“ (2 Kor 4,4)
Den Hirten auf den Fluren Bethlehems ging ein Licht auf. Sie folgten dem Aufruf der Engel (Evangelium der Nacht, vgl. Lk 2,10ff.) und „fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. Als sie es sahen, erzählten sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Und alle, die es hörten, staunten über die Worte der Hirten.“ (Lk 2,16-18)
Das ist auch unsere Berufung: Wir sollen vom Mensch gewordenen Licht künden, ja selbst Licht werden, wie es uns Matthäus im Zusammenhang mit den Seligpreisungen aus dem Munde Jesu überliefert: „Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern man stellt es auf den Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus.“ (Mt 5,14 u.15)
Wir können nicht Licht aus uns selbst sein, sondern nur Licht werden, wenn das Licht Jesu Christi in uns und durch uns aufscheint.
Liebe Schwestern und Brüder,
wir beklagen so oft die Dunkelheit der Welt. Ändern wir damit etwas? Nein. Besser ist es, eine Kerze anzuzünden, als über die Dunkelheit zu schimpfen. Noch besser ist es, mit der Hilfe und aus dem Kind von Betlehem heraus selbst Licht zu werden. Ist es nicht wunderbar, dass Gott uns das zutraut?
Amen.