Liebe Schwestern und Brüder,
wenn man täglich die Medien verfolgt, dann kann man den Eindruck gewinnen, dass die Welt aus den Fugen gerät: Krise und Krieg im Nahen Osten, Bedrohung durch islamischen Fundamentalismus, Weltwirtschafsprobleme, Hungersnot weltweit, Korruption und Intrigen, Bespitzelung und Verrat – selbst bis in den Vatikan hinein.
Was ist eigentlich noch verlässlich? Was hat Bestand? Was Zukunft?
Es ist gut, dass die Kirche in jedem Jahr am 1. November den Blick auf die Vollendung allen Daseins richtet. Heute schauen wir fokussiert auf den Himmel, nicht auf einen Ort im Weltall, sondern auf die erlebbare, erfüllte Wirklichkeit Gottes, in der die Heiligen, das heißt die Menschen, die ihr Lebensziel in Gott erreicht haben, in den Blick genommen werden.
Das Fest Allerheiligen ist das Fest unserer – schon von den Heiligen erreichten – Zukunft. Diejenigen Menschen, die wir als Heilige bezeichnen, sind Menschen, die ihr Lebensziel in Gott erlangt haben. Die von der Kirche Heiliggesprochenen sind Frauen und Männer, Kinder und Jugendliche sind nur die wenigen, deren Leben sorgfältig geprüft wurde. Mit Sicherheit dürfen wir von ihnen sagen, dass sie ihren Platz im Ewigen Leben erreicht haben. Sie dürfen wir deshalb auch als unsere Fürsprecher bei Gott anrufen.
Gerade in den letzten Tagen wurden sieben Frauen und Männer von Papst Benedikt XVI. in Rom heiliggesprochen. Unter ihnen war auch die Regensburgerin Anna Schäffer (1882-1925), die als Mystikerin gilt und schwer leidend sühnend die Wundmale Jesu trug. In ihrem Geburtsort wird sie liebevoll auch die „Schreiner Nandl von Mindelstetten“ genannt.
Vor wenigen Monaten wurde vom Heiligen Vater die heilige Hildegard von Bingen (1098-1179) offiziell als Heilige anerkannt und vor wenigen Wochen zur Kirchenlehrerin erhoben.
Sie war Äbtissin und Theologin, Komponistin und Heilkundige.
Im vorigen Jahr wurde am 15. Mai der Oberschwarzacher Pfarrer Georg Häfner (1900-1942), der den Märtyrertod in Dachau erlitt, feierlich im Würzburger Dom seliggesprochen.
Doch es gibt noch viele, uns unbekannte, Bekenner und Märtyrer.
Zurzeit läuft der Seligsprechungsprozess für Pater Engelmar Unzeitig von den Würzburger Mariannhiller Missionaren, der ebenfalls in Dachau sein Leben für Christus hingegeben hat.
Außerdem werden die Seligsprechungsprozesse für Schwester Julitta Ritz (1882-1966) von den Würzburger Erlöserschwestern und Franziska Streitel (1844-1911), die Gründerin von den Schwestern von der Schmerhaften Mutter (SSM), in Rom geführt.
Gerade ist die von Prälat Moll erarbeitete fünfte, aktualisierte Auflage des Buches „Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts“ erschienen. Es enthält neben den zahlreichen Glaubenszeugen des vergangenen Jahrhunderts (alleine 193 Missionsblutzeugen aus Afrika, Asien und Lateinamerika) neben den bislang aus dem Bistum Würzburg aufgeführten 25 Katholiken hinaus folgende Personen, die ich kurz erwähnen möchte:
Dr. Fritz (Siegfried) Bing, ein jüdischer Rechtsanwalt, der 1908 an der Juristischen Fakultät der Universität Würzburg promoviert wurde. Nach seiner Hinwendung zum katholischen Glauben wurde er mit seiner Familie im Jahre 1942 im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet. (Vgl. BD II, 1401-1414)
Heinrich Kroder aus Rüdenhausen (bei Wiesentheid) zog nach seiner Priesterweihe nach Kroatien, wo er im Jahre 1945 unter der kommunistischen Herrschaft Titos aus Glaubensgründen umgebracht wurde. (Vgl. Bd II, 1459-1461)
Antonius Joseph Marxen, der dritte in diesem Zusammenhang zu nennende, wurde 1906 in Köln-Worringen geboren, studierte aber als Schüler im Internat der Mariannhiller Missionare in Lohr am Main. Nach seiner Priesterweihe im Jahre 1936 in München zog er nach Albanien, wo er während der kommunistischen Herrschaft unter Eva Hoxha im Jahre 1946 erschossen wurde.
Auch sein Seligsprechungsverfahren läuft seit 2002 in Rom. (Vgl. Bd II, 1480-1484)
Alle diese Genannten sind nur wenige exemplarische Glaubenszeugen, die ihr Leben für Christus hingegeben haben. In Wirklichkeit sind es unzählig viele. Ich denke zum Beispiel auch an die Frauen und Männer, die viele Jahre ihres Lebens still im Verborgenen in ihren Pfarreien und Pfarreiengemeinschaften Dienste übernommen haben.
Ich denke an die schuldlos verarmten und aus der Bahn geworfenen Menschen.
Ich denke an die Eltern und Großeltern, die im Gebet und Opfer für ihre Kinder und Enkelkinder vor Gott einstehen.
Ich denke an die Frauen und Männer, die von ihren Ehepartnern verlassen worden sind und nun oft alleine für die Erziehung ihrer Kinder einstehen.
Ich denke an die Ordensleute, Geistlichen, haupt- und ehrenamtlichen Laien, die oft unter erschwerten Bedingungen klaglos ihren Dienst tun.
Ich denke an die Vielen, die schweres körperliches oder seelisches Leid zu tragen haben und es für die Kirche und uns alle Gott anbieten.
Mich erschüttern immer wieder Briefe von Schwerstkranken, die mir versichern, dass sie ihre Leiden für mich und unser Bistum aufopfern.
Liebe Schwestern und Brüder, unter uns leben verborgen heiligmäßige Menschen, die den Segen Gottes in diese turbulente Zeit erbitten und erleiden. Sie sind die Orientierungspunkte auf dem Weg zum großen Ziel. Die Heiligen, deren wir heute gedenken, geben uns Mut. unseren eigenen Lebensweg in Treue zu Christus und der Kirche weiterzugehen. So helfen wir mit, diese Tage zu stabilisieren und für Gottes heilende Liebe zu öffnen.
Amen.