Liebe Schwestern und Brüder,
der heutige Tag ist ein Festtag – nicht vom Heiligenkalender her, sondern vom Geschehen in dieser heiligen Messe her: Sechs junge Männer auf dem Weg zum Priestertum werden zu Diakonen geweiht.
In unserer Zeit, in der wir konkret den Priestermangel als ein schmerzliches Geschehen empfinden, ist es ein besonderes Geschenk, dass unser Ruf „Herr, sende Arbeiter in Deinen Weinberg“ auch sichtbar erhört wird.
Jeder der hier anwesenden Weihekandidaten hat seine eigene Lebensgeschichte, seine eigene Berufungsgeschichte, die sehr persönlich ist. Es gibt wohl nur wenige Augenblicke, in denen man darüber sprechen kann und möchte. Vom heiligen Kilian wissen wir, dass es die Stelle aus dem Evangelium war, in der Jesus die Aufforderung an den jungen reichen Mann gerichtet hatte: „Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach.“ (Mt 19,21)
Bei jedem mag der Anruf, die innere Sicherheit von Gott gerufen zu werden, anders verlaufen sein. Aber sicher ist, dass mit dem heutigen Tag ihr Leben in einer ganz anderen Verbindlichkeit und Ausrichtung verlaufen wird.
Vielen Mitmenschen wird es unverständlich sein, dass junge Männer Ehe, Karriere, Reichtum und auch ein Stück Selbstbestimmung freiwillig aufgeben. Muss man, um das zu tun, nicht geradezu verrückt sein? Weshalb tun sie es? Ich nehme an, dass viele von Ihnen diese Fragen schon an die Weihekandidaten gestellt haben. Ehe ich hier eine Antwort darauf zu geben versuche, möchte ich eine Frage formulieren, die diese Männer auf dem Berufungsweg umgetrieben haben wird. Der Heilige Vater hat sie in Altötting in seiner Predigt vor den Seminaristen, Priestern und Ordensleuten in ganz einfache Worte gekleidet: „Sieh die Welt an und schicke Arbeiter! Mit dieser Bitte klopfen wir an der Tür Gottes an; aber mit dieser Bitte klopft dann der Herr auch an unser eigenes Herz. Herr, willst du mich? Ist es nicht zu groß für mich? Bin ich nicht zu klein dazu?“
Bei der Suche um Klärung, ob Gott mich ruft, ist zunächst die eigene Unsicherheit im Vordergrund. Kann ich einem solchen Ruf folgen? Übersteigt diese Lebensaufgabe nicht meinen guten Willen, mein Vermögen. Den Willen mag ich ja dazu haben – aber werde ich den Aufgaben auch gewachsen sein und die Versprechen von Ehelosigkeit, Gehorsam und Verpflichtung zum Breviergebet auch einhalten können?
In der Tat: die mit dieser Diakonenweihe verbundenen Konsequenzen sind nicht aus dem Ärmel zu schütteln. Was gibt ihnen und mir den Mut zu sagen: Ich bin bereit?
Es ist der Blick auf den Schatz, um dessentwillen auf alles andere verzichtet werden kann.
Sie erinnern sich sicherlich an das Gleichnis vom verborgenen Schatz im Acker und der Perle. (Mt 13,44-46) Ein Mann findet einen verborgenen Schatz im Acker und verkauft alles, um diesen Schatz zu erwerben. Ebenso ist es mit der besonders kostbaren Perle. Der Anreiz zum Erwerb ist so groß, dass kein Opfer zu gering ist, um dieses Ziel zu erreichen.
Es handelt sich bei unserem Schatz im Acker um nicht weniger, als Gott selbst. Die Heilige Schrift spricht dabei vom „Reich Gottes“. In die Wirklichkeit Gottes einzutauchen und bewusst an ihr teilzuhaben, das ganze Glück des in Gott Geborgenseins zu erfahren, ist die tiefste Motivation für die Nachfolge. Nur so kann Jesus den reichen Jüngling auffordern, alles zu verkaufen und ihm nachzufolgen (vgl. Mt 19,21). Nur so konnte in der ersten Christengemeinde Grundstücke und Häuser verkauft werden, damit alle Anteil erhielten (vgl. Apg 4,34). Nur so können diese jungen Männer sich gleich auf den Boden werfen und ihr Leben in die Hände Gottes legen.
Liebe Weihekandidaten,
was in dieser Stunde geschieht, geht weit über das Begreifen hinaus. Sie übergeben sich Christus und werden in Zukunft versuchen, ihm gleichförmig zu werden, das heißt, Ihr Leben aus dem seinen heraus zu empfangen und gestalten zu lassen.
Wie aber kann dies gelingen?
Papst Benedikt XVI. hat in Altötting auch dafür einige einfache, aber wesentliche Ratschläge gegeben: Wir müssen ganz und gar in der Gegenwart Gottes leben. Gleich wie viel Arbeit auf uns wartet, wie viele Termine uns plagen, seelsorgliche Aufgaben uns in Anspruch nehmen, wir sind gehalten, im lebendigen Austausch mit Gott zu verbleiben. Das aber gelingt nur, wenn wir täglich an der heiligen Messe teilnehmen, regelmäßig das Brevier beten und die Heilige Schrift geistlich lesen. Auch die persönliche Anbetung Jesu im allerheiligsten Altarsakrament ist kein Luxus, sondern wichtige Begegnung mit ihm.
Wir alle wissen um die Probleme bei Ehekrisen. Wenn die eheliche Beziehung gefährdet ist, hören wir oft von den Betroffenen, dass sie sich entfremdet, ja, auseinander gelebt hätten. Sie hätten keine Zeit mehr füreinander gehabt, hätten sich zu wenig ausgetauscht, einander kein anerkennendes oder lobendes Wort gesagt. – Mit Gott ist das nicht anders: Die Gemeinschaft mit ihm hat viel mit einer Liebesbeziehung zu tun. Auch hier brauchen wir das Beieinandersein, das Gespräch, den Austausch. Gott verschließt sich nie. Er hat immer Zeit. Aber er spricht leise, drängt sich nicht auf, zwingt uns nicht in seine Gegenwart.
Es mag manchmal mühsam sein, diese Begegnungen mit ihm aufrecht zu erhalten und gar noch zu intensivieren. Lassen Sie sich nicht durch noch so viele Arbeit davon abbringen. Sie werden müde, schal, leer – und wie man heute sagt: ausgepowert sein – ohne dieses ‚Beim-Herrn-Sein’. Umgekehrt empfangen Sie eine Seligkeit, die alle Belastungen, Schmerzen, Zweifel ertragen und überwinden lässt.
Sie alle, die Sie an dieser heiligen Feier teilhaben, bitte ich, beten und opfern Sie für diese jungen Männer, damit sie als Diakone und später als Priester „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“ (vgl. Mt 5,13f.), also lebendige Zeugen der Gegenwart Gottes werden. Helfen Sie ihnen durch Ihr engagiertes Leben aus dem Glauben mit, das innere Feuer und die Begeisterung, ihre erste Liebe zu bewahren.
Unsere Zeit wird wieder offener für Glaubensfragen. Die Suche nach Gott ist auch bei den jungen Menschen spürbar. Was wir brauchen sind glaubwürdige Menschen, die diese Beziehung leben und in ihrem Denken und Tun Gottes Wirken anschaulich werden lassen. Diese Menschen aber leben nicht im luftleeren wirklichkeitsfremden Raum, sondern mitten in unserer Zeit, mitten unter uns. Vernetzen wir uns in der Liebe Christi. Amen.
(3906/1288)