Liebe Schwestern, liebe Brüder!
Manche Medien bringen regelmäßig ein „Bild des Monats“. Meist sind darauf besondere Situationen festgehalten oder Personen dargestellt, die Rang und Namen haben. Auch die Kirche präsentiert uns in jedem Jahr ein solches Bild, indem sie den ganzen Monat Mai über eine Frau heraushebt, die für unseren Glauben besondere Bedeutung hat: Maria.
In der Limbacher Pfarr- und Wallfahrtskirche finden sich unterschiedliche Darstellungen, die alle helfen können, Maria im richtigen Licht zu sehen.
1. Das heutige Gnadenbild vom Ende des 15. Jahrhunderts wirkt auf den ersten Blick sehr vertraut: Es zeigt Maria mit dem Jesuskind in einem Strahlenkranz. Dahinter steht aber eine Aussage über Gott: Ihm bedeuten die Menschen so viel, dass er ihr Leben teilen will und als Kind zur Welt kommt. Maria ist bereit, sich auf diese Initiative Gottes einzulassen und bei seiner Menschwerdung mitzuwirken – sie ist von diesem für sie selbst überraschenden Geschehen so erfüllt, dass sie ihrerseits eine ungeahnte Strahlkraft entwickelt. Deshalb beten wir auch: „Gegrüßet seist du Maria, du bist voll der Gnade“. Das bedeutet: Wer von Gottes Liebe ganz ergriffen ist, wird ein Mensch mit Ausstrahlung, der Licht ins Leben anderer bringt und ihnen Mut macht. Ich frage mich vor diesem Bild: Wie steht es mit meinem Glauben? Bin ich von Gott, der in Jesus auch mein Leben teilt, so erfüllt, dass davon etwas in meine Umgebung hinein ausstrahlen kann – oder mache ich dicht und lasse ihn gar nicht an mich heran?
2. Wie ein Gegensatz dazu wirkt das ursprüngliche Gnadenbild vom Beginn des 15. Jahrhunderts, eine Darstellung der schmerzhaften Muttergottes mit ihrem toten Sohn auf dem Schoß. Auch dieses Bild enthält zunächst wieder eine Aussage über Gott: Er geht in seiner Liebe zur Welt so weit, dass er auch Leiden und Sterben nicht ausgrenzt, sondern sich in Jesus buchstäblich aufs Kreuz legen lässt. Rein menschlich ist eine solche Liebe, die auch vor dem Tod nicht halt macht, unausdenkbar – aber gleichzeitig vermittelt sie uns eine Ahnung davon wie weit Gottes Wege führen. Denn die Darstellung Marias, die uns den toten Jesus zeigt, drückt nicht nur Schmerz aus, sondern ist vor allem ein Signal der Solidarität: Ihre Trauer macht sie nicht verschlossen, sondern offen für alle Menschen, die im Leben Leid zu tragen haben und mit Verlusterfahrungen umgehen müssen. Nicht zufällig ist das Bild der schmerzhaften Muttergottes die häufigste Mariendarstellung bei uns in Franken. Auch ohne große Worte spüren die Menschen immer wieder, dass sie über Maria auch in schwierigen Lebenslagen einen Zugang zu Gottes leidgeprüfter Liebe finden. „Bitte für uns jetzt und in der Stunde unseres Todes“ dieser Gebetsruf macht deutlich, dass der Glaube nicht bloß eine Hilfe zum Leben, sondern zum Über-leben darstellt, weil er den Blick auf das neue Leben hin weitet.
3. Schließlich findet sich in der Limbacher Kirche ein weiterer Zugang zum Bild der Gottesmutter: Über der Kanzel steht eine Marienfigur aus dem 18. Jahrhundert, die ein Herz in der Hand hält. In der Sprache der Kunst drückt das Herz die Personmitte des Menschen aus, in der Gefühl und Verstand, Wille und Glaube zusammenfinden. Weil Maria ihr Herz für Gott geöffnet hat, zeigt sie auch ein Herz für die Anliegen der Menschen. Das Evangelium von der Hochzeit in Kana zeigt anschaulich, wie spontan Maria auf menschliche Notsituationen reagiert. In der heutigen Leistungsgesellschaft werden oft Gefühlskälte und Herzenshärte beklagt. Wer demgegenüber Herz zeigt, geht ein Risiko ein: Er macht sich verletzlich und verwundbar, wird aber auch sensibler und empfänglicher für das Leben in seinen verschiedensten Formen. Maria zeigt uns, wie ein „Glaube mit Herz“ aussieht. Und wenn diese Darstellung sich ausgerechnet auf einer Kanzel findet, die jahrhundertelang der bevorzugte Ort für die Glaubensverkündigung im Gottesdienst war, dann sagt mir diese Verbindung: Unsere Verkündigung wird die Menschen nur erreichen, wenn sie von Herzen kommt und zu Herzen geht. „Du bist gebenedeit unter den Frauen“ - eine tragfähige Beziehung zu Maria ist immer auch eine Herzenssache, in der das ganze Leben mit seinen Höhen und Tiefen Platz hat.
Liebe Schwestern und Brüder!
Was mich beim Besuch der Marienkirche in Limbach immer wieder nachdenklich macht, ist der Umstand, dass der berühmte Baumeister Balthasar Neumann die Fertigstellung seines letzten Werkes nicht mehr erlebt hat. Er starb kurz vor der Fertigstellung; andere mussten den Bau weiterführen.
Machen wir uns nichts vor: Auch unsere Lebenspläne werden unvollendet bleiben, vieles hoffnungsvoll Begonnene werden wir als Fragmente hinterlassen. Aber der Blick auf die verschiedenen Marienbilder hier zeigt mir genauso, dass unser Leben einen „Mehrwert“ besitzt:
An Maria wird deutlich, was Gott aus Menschen macht, die sich auf ihn einlassen und im Glauben mit-machen. So können auch in der Architektur unseres Lebens unvollendete Bruchstücke zu Bausteinen für das Reich Gottes werden. In diesem Sinn sind diese Mariendarstellungen nicht nur Bilder für einen bestimmten Monat, sondern Sinnbilder des ganzen Lebens und darüber hinaus. Amen.