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Sonderaktion gegen die Undankbarkeit

Predigt von Bischof em. Dr. Paul-Werner Scheele beim Erntedankfest der Unterfränkischen Bäckerinnung am 2. Oktober 2005 in der Marienkapelle Würzburg

Der Erntedank als Nothilfe

Die Unterfränkische Bäckerinnung verdient Respekt und Dank dafür, dass sie Jahr um Jahr das Erntedankfest gebührend zu feiern weiß. Damit leistet sie weit über ihren Kreis hinaus vielen eine wichtige Hilfe. Das Erntedankfest ist mehr als ein löblicher Brauch; es ist eine Sonderaktion gegen eine akute Gefährdung unseres Lebens. Diese Gefährdung bedroht einzelne Menschen und ganze Gemeinschaften und schließlich unser gesamtes Volk. Diese Gefährdung heißt: Undankbarkeit. Auf Schritt und Tritt begegnet sie uns. Mancher mag meinen: Gewiss ist Undankbarkeit zu bedauern; gewiss sollte man sich vor ihr hüten, aber was ist schon Schlimmes dabei? Wieso ist sie eine Gefahr? Die Antwort heißt: Undankbarkeit ist eine ernste Gefährdung des menschlichen und des christlichen Lebens.

Undank als akute Gefährdung

Jesus, der uns Menschen wie niemand sonst kennt und wie niemand sonst liebt, wusste um diese Gefahr. Deshalb berührte es ihn tief, was er mit den zehn aussätzigen Männern erlebte. Sie begegneten ihm auf seinem Weg nach Jerusalem. Wegen der Ansteckungsgefahr wurden die Aussätzigen von den gesunden Menschen ferngehalten. Sie waren aus den Dörfern und Städten ausgeschlossen und durften anderen nicht zu nahe kommen. Bis ins Mittelalter hinein war das auch hierzulande so. Damals hatte man in Würzburg drei Leprosenhäuser eingerichtet, in denen die Aussätzigen leben und sterben sollten. Sie trugen schwarze oder graue Kittel oder ein besonderes Abzeichen und mussten mit einer hölzernen Klapper dafür sorgen, dass die Gesunden sie meiden konnten. Wie es das Gesetz vorschrieb hielten die zehn Aussätzigen den Abstand zu Jesus ein. „Sie blieben in der Ferne stehen und riefen laut: Jesus, Meister, erbarme dich unser“ (Lk 17,13). Jesus kannte die biblischen Vorschriften und beachtete sie. Er schickte die Männer zu den Priestern. Diese hatten den Auftrag, die zu ihnen Kommenden zu untersuchen. Sie hatten zugleich die Vollmacht, amtlich festzustellen, wenn jemand geheilt worden war. Dann ordneten sie an, dass die Geheilten ein angemessenes Opfer darbringen sollten.

Der Weisung Jesu gemäß gingen die zehn Männer zu den Priestern „und unterwegs wurden sie rein“ (Lk 17,14). Natürlich geschah das durch die Hilfe, die ihnen der Herr zuteil werden ließ. Das nahmen sie nicht so unmittelbar wahr als wenn er ihnen direkt die Hände aufgelegt hätte und sie sogleich geheilt hätte. Das Handeln Jesu entsprach der Art und Weise, wie Gott uns in der Regel seine Gaben zukommen lässt. Das geschieht nicht spektakulär; es vollzieht sich unauffällig und kann so still vor sich gehen, dass man nicht wahrnimmt, von wo die Hilfe kommt. Das trägt mit dazu bei, dass viele nicht erkennen, wem sie letztlich die Hilfe verdanken, und dass sie daher auch nicht zu danken wissen. Bei den zehn vom Aussatz Geheilten war das offenkundig so. Vielleicht haben sie gedacht, bei ihrer guten Kondition wären sie auch so mit der Krankheit fertig geworden. Jedenfalls kehrte nur einer von ihnen um als er sah, dass er geheilt war. Er pries Gott mit lauter Stimme. Er warf sich vor Jesus nieder und dankte ihm. Der Evangelist fügt hinzu: „Und dieser Mann war aus Samaria“ (Lk 17,16). Lukas hatte bereits zuvor von einem Samariter berichtet, der das Rechte tat als führende Mitglieder des Gottesvolkes, als Priester und Levit versagten. So schloss sich nun dem barmherzigen Samariter der dankbare Samariter an. Auch Jesus stellte heraus, dass ausgerechnet jemand aus dem verfeindeten und verachteten Samaria das tut, was unbedingt nötig ist, was wahrhaft notwendend ist. Dreimal fragt er: „Sind nicht alle zehn rein geworden? Wo sind die übrigen neun? Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren, außer diesem Fremden?“ (Lk 17,17-18)

Dann machte Jesus klar, was das Danken des Geheilten letztlich bedeutet. Er sagte ihm: „Steh auf und geh! Dein Glaube hat dir geholfen“ (Lk 17,19). Das Danken ist mehr als ein löblicher Akt menschlicher Höflichkeit; es ist ein Akt des Glaubens und damit ein Grundakt, den wir Gott schulden, ein Heilsakt, von dem unsere Rettung abhängt. Folgerecht ist Undank Unglaube; darüber hinaus ist Undank Dummheit und Lieblosigkeit. Wer nicht zu danken weiß verkennt die Wirklichkeit. Paulus hilft uns, diese realistisch zu sehen, wenn er uns fragt „Was hast du, das du nicht empfangen hättest? Wenn du es aber empfangen hast, warum rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?“ (1 Kor 4,7). Alles was wir sind und haben verdanken wir Gott. Deshalb schulden wir ihm für alles Dank. In allem, was Gott uns gibt, will er uns seine Liebe zeigen. Mit allen seinen Gaben wendet er sich persönlich uns zu. Bei allen erwartet er unsere Antwort: die Antwort des Glaubens. Deshalb ist der Undank ein ernstliches Versagen. Zurecht schreibt der heilige Ignatius einem seiner ersten Gefährten, „dass unter allen vorstellbaren Übeln und Sünden die Undankbarkeit eines … der am meisten zu verabscheuenden Dinge ist, weil sie Nichtanerkennung der empfangenen Güter, Gnaden und Gaben ist, Ursache, Ursprung und Beginn aller Sünden und aller Übel.“ Der Undank ist ein Ausbrechen aus dem Kreis der Liebe, den Gott mit seinen Gaben schließen will. Mit den Gaben seiner Liebe will Gott die Menschen in sein Lieben hinein nehmen. Der Undankbare beraubt sich daher des wichtigsten Teils der Geschenke Gottes. Der Dankende bejaht die Liebe des Schenkenden und nimmt sie tief in sein Leben hinein. Ihm wird daher schon jetzt etwas von der Freude zuteil, die Gott allen Menschen schenken will, die sich ihm anvertrauen.

Freude aus Dank

Ein schlichter Holzarbeiter aus dem Schwarzwald hat das in der Not der russischen Gefangenschaft so gelebt, dass er vielen Mitgefangenen wirksam helfen konnte. Der evangelische Theologe Helmut Gollwitzer hat ihm ein ehrendes Gedächtnis gewidmet. Er berichtet, wie der schlichte Waldarbeiter manchen mit seiner Kraft und Geschicklichkeit unterstützt hat. Wichtiger war für viele, dass dieser Mann mitten in Elend und Not Freude und Zuversicht ausstrahlen konnte. Gollwitzer wusste darum, dass er jeden Morgen mit dem Gebet begann: „Heiligste Dreifaltigkeit, dir sei dieser Tag geweiht!“ Mit den Augen des Glaubens konnte dieser Mann selbst in der größten Not immer wieder Zeichen der Liebe Gottes entdecken, für die er von Herzen dankte. Auch ihn hat der Tod nicht verschont. Helmut Gollwitzer schreibt, wenn er ein Denkmal setzen könnte, müsste das ein großer Findling sein. Darauf käme der Name „Andreas Doll“ und dazu die Worte „Freude aus Dank“.

Bitten wir den Herrn, dass er uns die Augen für alle Gaben seiner Liebe öffnet; bitten wir ihn, dass er uns die Kraft zum Danken schenkt und dass wir so an seiner Liebe und an seiner Freude Anteil erhalten. Amen.

(4005/1258)