Würzburg (POW) An die Pogromnacht vom 9. November 1938 haben am Dienstagabend, 9. November, die Stadt Würzburg und die Israelitische Kultusgemeinde auf dem Gelände der ehemaligen Würzburger Hauptsynagoge in der Domerschulstraße erinnert. Damals wurden in Deutschland Geschäfte und Wohnungen zerstört und geplündert. Es brannten Synagogen und Gebetshäuser. Unzählige Menschen wurden allein aufgrund ihrer Religion bedroht, gedemütigt, misshandelt, ermordet oder in den Suizid getrieben. In Würzburg forderte diese Eskalation brutaler Gewalt damals drei Menschenleben, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt Würzburg.
Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Würzburg, formulierte in seiner Rede eine klare Botschaft an das Lager der sogenannten Querdenker und Coronaleugner. Wer sich heute mit der Botschaft „ungeimpft“ symbolisch auf den gelben Stern beziehe, den Holocaust-Opfer tragen mussten, verharmlose das Ermorden von Millionen Menschen. Auch der Vergleich mit Schoah-Opfer Anne Frank ist laut Schuster skrupellos. „Die Jüdinnen und Juden hätten gejubelt, wenn sie damals lediglich die Pandemie-Beschränkungen hätten erdulden müssen.“
Würzburgs Bürgermeister Martin Heilig blickte ebenfalls nicht nur auf die Verbrechen in der NS-Zeit zurück. „Die Zahl der polizeilich erfassten Straftaten mit antisemitischem Hintergrund erreichte im vergangenen Jahr mit 2428 einen neuen Höhepunkt, wobei die Dunkelziffer hoch ist. Und immer öfter bleibt es nicht bei Worten, 2020 gab es 57 Gewalttaten gegen Juden und jüdische Einrichtungen.“ Schuster und Heilig forderten einen „gesellschaftlichen Klimawandel“. Der Staat alleine könne den Antisemitismus nicht wirksam bekämpfen. „Niemand darf schweigend und tatenlos zusehen, wenn Angehörige von Minderheiten diskriminiert, ausgegrenzt, beleidigt, bedroht und angegriffen werden“, sagte Heilig.
Vizeregierungspräsident Jochen Lange von der Regierung von Unterfranken betonte neben der geforderten Zivilcourage noch einen weiteren Aspekt: „Alle Anstrengungen und Initiativen, die jüdisches Leben sichtbar machen, sind zu unterstützen.“ Er verwies insbesondere auf neue Informationsangebote im Jubiläumsjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, die schlicht neugierig auf das heutige Judentum machten. In der Öffentlichkeit müsse auch Raum für Gedenkorte sein. Lange lobte in diesem Zusammenhang den mehrfach ausgezeichneten „Gedenkort Deportationen“ am Würzburger Hauptbahnhof. Dieser habe Ableger in vielen weiteren ehemaligen Kultusgemeinden in Unterfranken.
Rabbiner Jakov Ebert trug bei der Gedenkstunde einen Psalm vor. Matthias Ernst, auch bekannt als Mr. Clarino, sorgte mit einer eigenen Komposition und einem Stück von Django Reinhardt für den musikalischen Rahmen.
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