Schon der Begriff des „pilgernden Volkes Gottes“ in Deutschland unterstreicht den Wegcharakter jedes Erneuerungsprozesses. Den synodalen Weg unter der Führung des Heiligen Geistes betrachtet der Papst als hilfreiches Instrument in diesem Prozess. Er erinnert daran, dass dieser Weg keine Einbahnstraße ist. Synodalität ist gekennzeichnet durch eine zweifache Perspektive, der Synodalität von unten nach oben und der Synodalität von oben nach unten, wobei der Heilige Vater keinen Zweifel daran lässt, dass der Beginn bei der Basis entscheidend für das Gelingen ist. Das ist eine Ermutigung besonders für unsere Gemeinden und Räte. Gleichzeitig mahnt er zu Nüchternheit und Geduld, da dieser Weg nie alle Probleme und Konflikte lösen könne. Die Kirche bleibe Pilgerin und werde in dieser Welt nie vollkommen sein. Ein wirklicher Reifungsprozess bedürfe des langen Atems zum Gelingen.
Inhaltlich ruft Papst Franziskus zentrale Punkte seines Apostolischen Schreibens „Evangelii Gaudium – Die Freude des Evangeliums“ erneut in Erinnerung. Wichtigstes Ziel jeder Erneuerung muss der „Primat der Evangelisierung“ sein und die Ausrichtung der Kirche an Jesus Christus. Es braucht, wie er so eindringlich schreibt, den „Biss des Evangeliums“, um sich nicht vorschnell zu beruhigen mit der Reorganisation von Strukturen und einer Verbesserung der Verwaltung zum „perfekten Apparat“, die nur Menschenwerk wären. Ein augenzwinkernder Hinweis für eine vielleicht typische deutsche Versuchung angesichts einer hochorganisierten Kirche. Evangelisierung heißt für den Papst selbstverständlich immer auch Dienst an den Armen, da uns aufgetragen ist, zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit zu suchen.
Die konsequente Ausrichtung am Evangelium verhindert, sich von Statistiken und Zahlen entmutigen zu lassen. Denn die „pastorale Bekehrung“, die der Papst fordert, nimmt nicht an Irdischem Maß, sondern an der Zusage des Heils in Jesus Christus. Die Grundhaltung jeder Erneuerung ist deshalb die Freude – Leitmotiv dieses Pontifikates. Sie bewahrt vor „Verstimmung, Apathie, Bitterkeit, Kritiksucht und Traurigkeit“. Getragen von dieser Freude gehe es darum, „mit dem Geist Christi alle Wirklichkeiten dieser Erde zu salben“, wie er so schön formuliert. Diese Freude gründet in der Haltung der Anbetung, des Gebets und der Buße als Umkehr zu Gott und als Mittel gegen eine selbstgenügsame Trägheit.
Weiter erinnert der Heilige Vater daran, den Horizont der weltweiten Kirche im Auge zu behalten, ohne sich in Sondersituationen und ideologischen Grabenkämpfen zu verbeißen. Der Papst versteht diese Mahnung ausdrücklich nicht als Aufruf, nicht voranzuschreiten. Dennoch erkennt er der weltumspannenden Kirche die Funktion eines Korrektivs zu, um die notwendige Weite nicht aus den Augen zu verlieren und der Gesamtverantwortung für die Weltkirche gerecht zu werden.
Das Schreiben des Papstes verstehe ich als Ermutigung, unter der Führung des Heiligen Geistes gemeinsam als Kirche den synodalen Weg zu beschreiten. Dabei ist es wichtig, die Mitte des christlichen Glaubens im Auge zu behalten. Das Schreiben ist gleichzeitig eine Mahnung, nicht den Selbsterhalt an die erste Stelle zu setzen, sondern die Treue zum Evangelium und zu seiner Dynamik. Der Weg der Erneuerung verlangt uns Ausdauer und Geduld ab. Gegen eine Überforderung – auch des synodalen Weges – setzt der Papst getreu seiner ignatianischen Spiritualität auf den Weg des organischen Wachstums. Es geht darum, „täglich treuer, verfügbarer, gewandter und transparenter“ zu werden. Ich freue mich, dass Papst Franziskus uns als pilgerndes Volk Gottes in Deutschland zur Seite steht und unseren Weg mit seinem Gebet und seinen Gedanken begleitet, ein starkes Zeichen gesamtkirchlicher Verbundenheit.
(2719/0710; E-Mail voraus)