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Stets auf der Suche nach Wahrheit

Professor em. Dr. Wolfgang Beinert: Joseph Ratzinger ist auf Christus zentriert – Vortrag in der Katholischen Akademie Domschule Würzburg

Würzburg (POW) Ganzheitliches Denken zieht sich als Roter Faden durch das Leben und Wirken von Joseph Ratzinger. Das hat der Regensburger Theologieprofessor em. Dr. Wolfgang Beinert (74), Ratzinger-Schüler und Seelsorger in Pentling, bei einem Vortrag der Katholischen Akademie Domschule über das Denken und Handeln von Papst Benedikt XVI. am Mittwochabend, 18. April, im Sankt Burkardushaus betont.

Eine deutliche Absage erteilte Beinert der von den Medien beschworenen Renaissance des Glaubens, die mit der Wahl Ratzingers zum Papst am 19. April 2005 begonnen habe. Zwar gebe es große religiöse Events wie den Weltjugendtag und die Bayernreise. „Wenn man die Kirche des Papstes betrachtet, besteht zu Optimismus wenig Anlass. Der lange Pontifikat Wojtylas hat zu einem beträchtlichen Immobilismus geführt, der nicht allein die unaufschiebbaren Reaktionen der Kirche auf die veränderten Zeitläufe gebremst hat, sondern auch deswegen zu einem beträchtlichen Verlust des Einflusses der Kirche geführt hat.“ Benedikt XVI. unterscheide sich vor allem in einem Punkt von seinem Vorgänger: So sehr er aus der Autorität seines Amtes lebe, so sehr sei er stets, auch jetzt noch, offen für die Diskussion des Denkens, um die Wahrheit zu ergründen. Das zeige sich auch in seinem neuen Buch, das Ratzinger ausdrücklich auch als Anregung zum Dialog verstanden wissen wolle.

Ratzinger sei als Theologe geachtet. Wesentlich unterscheide ihn von Zeitgenossen wie Yves Congar, Karl Rahner, Johann Baptist Metz und Hans Küng vor allen die Tatsache, dass er kein „Markenzeichen“ besitze. „Er hat nie eine vollständige Dogmatik geschrieben oder ediert, kaum je ein systematisches Buch im klassischen Sinn geschrieben, sondern in der Regel einzelne Aufsätze und kleine Monographien publiziert.“ Ratzinger sei ein Fundamentaltheologe im engen Wortsinne, ein ganzheitlicher Mensch und Denker, der sich mit Details befasst, um im Fragment die Transparenz des Ganzen zu entdecken. Eine Spezialisierung um ihrer selbst willen sei ihm fremd. In seiner Enzyklika betone der Papst daher, dass die Begegnung mit Christus entscheidend sei. „Der Christ ist als Christi Nachfolger und also auf dessen Person konzentriert, um nicht gleich zu sagen: auf Christus zentriert.“

Diese Christusliebe ist nach Beinerts Worten in Ratzingers typisch oberbayerischen Katholizität begründet: „Bodenständig, gehalten und gestaltend zugleich durch mannigfaltige Formen des Brauchtums, der liturgischen wie außerliturgischen Feiern, der am Kirchenjahr orientierten weltlichen Feste und getragen von einer spezifischen Liberalität, der eifernder Fanatismus fremd ist.“ In dieser Christusliebe sei die aus der Tiefe strömende Freundlichkeit begründet, die dem Papst die Herzen öffne, wo immer er sich zeigt. Diese Liberalität sei es auch gewesen, die den damals in Bonn lehrenden Ratzinger veranlasst habe, als Fachberater des Kölner Kardinals Josef Frings beim Zweiten Vatikanischen Konzil Reden zu verfassen, die zum Ziel hatten, das Ungleichgewicht zwischen Primat des Papstes und bischöflichen Funktionen in der Universalkirche auszutarieren. Ratzinger habe das Denken und Agieren der herrschenden kirchlichen Kreise als lieblos und unchristlich empfunden und dagegen protestiert. „Unter diesem Aspekt ist es ein hochsymbolischer Akt, dass das Wappen Benedikts nicht mehr die Tiara enthält, sondern die bischöfliche Mitra und das Pallium, welches desgleichen Zeichen der bischöflichen Gemeinschaft ist.“

Einschneidend in Ratzingers Biographie war nach Beinerts Darstellung auch das Erleben der 68-er Revolte in Tübingen. „War es nicht auch durch seine Kirchenkritik zu dem Desaster gekommen?“ Weil die Gedanken der 68-er diametral zu seiner Existenz in allen Fasern stand, habe Ratzinger kräftig Widerstand geleistet. „Bei ihm hat das eine gewisse Ängstlichkeit geweckt gegenüber allen Neuansätzen. Wer kann garantieren, dass sie im Schoß nicht wieder schwer einzuschätzende Unheilskonsequenzen bergen, die zur Verunsicherung des Gottesvolkes, der einfachen Menschen beitragen?“

Für Ratzinger, des sich viel mit den von Plato beeinflussten Kirchenlehrern Augustinus und Bonaventura auseinandergesetzt hat, sei das Wechselspiel von Vernunft und Glaube ein zentrales Thema. Der Versuch, die menschlichen Dinge ganz ohne Gott zu gestalten, führe in Ratzingers Augen zur Abschaffung des Menschen. In der Diskussion mit Jürgen Habermas betone er daher, dass Vernunft und Glaube zur gegenseitigen Reinigung und Heilung berufen seien, einander brauchten und das anerkennen müssten. „Der Theologe Ratzinger gibt zu denken. Das tun nicht viele Zeitgenossen“, lautete Beinerts Fazit.

(1707/0623; E-Mail voraus)

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