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Süßer Klang – nicht nur an Weihnachten

Reine Stimmung aus Gießerhand Friedrich Wilhelm Schillings und ein historisches Einzelstück machen Würzburger Domgeläute einzigartig – Am Heiligabend in verschiedenen Radioprogrammen zu hören

Würzburg (POW) „Süßer die Glocken nie klingen als zu der Weihnachtszeit“, heißt es in einem bekannten Weihnachtslied. Über den Äther wird deswegen in Deutschland und auch weltweit an Heiligabend das Läuten großer und bedeutender Gotteshäuser ausgestrahlt. Besonders beliebt sind die Würzburger Domglocken. Sie gehören zur Kathedrale wie ihre vier markanten Türme. Wie die Architektur des Gotteshauses ist sein Geläute einzigartig; nicht zuletzt, weil es das größte Geläute aus einer Gießerhand im gesamten Bundesgebiet ist.

„Elf der insgesamt zwölf Glocken wurden 1965 von Friedrich Wilhelm Schilling aus Heidelberg gegossen“, erklärt Siegfried Issig, Architekt und Amtlicher Glockensachverständiger im Bistum Würzburg, beim Ortstermin in den Westtürmen des Kiliansdoms. Mit dem Handballen schlägt der 55-Jährige die mächtige Salvatorglocke an und entlockt ihr so einen tiefen Summton. „Sie wiegt über neun Tonnen und hat einen Durchmesser von mehr als 2,30 Metern.“ Ihr kleinstes Gegenstück ist die Martinsglocke; mit gerade 368 Kilogramm und 75 Zentimetern Durchmesser geradezu ein Winzling.

Im Vergleich zu herkömmlichen Glocken hat Schilling das Würzburger Geläute mit besonders dicker Wandung gegossen. Die großen Glocken sind deshalb rund ein Drittel schwerer als die herkömmlicher Bauart, die kleinen fast doppelt so schwer. „Sie können sich vorstellen, dass das seinen Preis hatte, denn Glockenbronze besteht aus 78 Prozent Kupfer und 22 Prozent Zinn“, erläutert Issig. Der finanzielle Einsatz habe sich gelohnt, befindet der Experte: Der Klang der Glocken sei in Wärme und Fülle so kaum ein zweites Mal zu finden. „Scharf klingende Obertöne produzieren auch die kleineren Glocken nicht.“

Das liegt neben der Bauart nicht zuletzt auch daran, dass Issig in regelmäßigen Abständen darauf schaut, dass der Winkel, in dem die Glocke beim Läuten schwingt, nicht zu groß wird. „Die Einheit von Glocke und Klöppel ist rein physikalisch betrachtet ein Doppelpendel, das besonderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt.“ Eine falsche Einstellung führt im harmlosesten Fall zu einem übermäßig lauten Glockenschlag. Im schlimmsten Fall nimmt das Material Schaden. Die Gläubigen, die mit dem Klang den Ruf zu Gottesdienst und Gebet verbinden, wissen oft wenig über die komplizierte Technik hinter dem besonderen Klang.

Issig deutet auf die blanke Fläche im Innern der Salvatorglocke. „Hier war kurzzeitig der Winkel verstellt, und der Klöppel ist gewandert.“ Gerade in besonders heißen und daher trockenen Sommern sei das Einfetten der Lederbänder wichtig, an denen der aus Schmiedstahl gefertigte Klöppel in der Glocke aufgehängt ist. Und auch der Glockenstuhl bedürfe regelmäßiger Kontrolle. „Stahlkonstruktionen wie hier im Dom sind durch die Kombination von Feuchtigkeit und Taubenkot oft aggressiven Säuren ausgesetzt. In einem Nachkriegsglockenstuhl einer anderen Würzburger Kirche hat das dazu geführt, dass der Rost den Stahl so sehr gedehnt hat, dass mehrere Bolzen herausgesprengt wurden.“ Holz sei heute wieder erste Wahl, am besten nordische Lärche, gut abgelagert, gehobelt und mit Dickschichtlasur gestrichen. „Holz schwingt auch weniger. So kommt es weniger zu einer metallischen Verfärbung des Glockenklangs.“ In den beiden Domtürmen stehen die stählernen Glockenstühle auf dicken Eichenbohlen, um diesem Effekt vorzubeugen.

Mit gespitzten Ohren schlägt Issig mit einem kleinen Gummihämmerchen in unterschiedlicher Höhe an. „Mit etwas Übung hören sie die verschiedenen Teiltöne.“ Und schon ist er mittendrin in der umfangreichen Musiktheorie, die Teil seiner Prüfung zum Glockensachverständigen war. Man muss wohl wie Issig schon in der Jugend die fundierte musikalische Ausbildung eines Regensburger Domspatzen durchlaufen haben, um mit Hilfe einer speziellen Stimmgabel Unterton, Prime, Terz, Quinte, Oktave, Dezime und Duodezime der in Moll klingenden Glocke bis jeweils auf einen sechzehntel Halbton genau zu bestimmen. „Die Präzision ist enorm mit der Schilling seine Glocken gestimmt hat. In der Regel weichen sie nur bei Terz und Duodezime ab, und zwar fast immer um den Wert von plus zwei Sechzehntel eines Halbtons.“ Das gerade für den Laien Erstaunliche verrät Issig auch: Rein physikalisch ist der Glockenton nicht messbar, der beim Anschlag ertönt. Er setzt sich aus der Summe der verschiedenen Summ-Teiltöne zusammen.

Außer für den mechanischen Bereich ist Issig auch für die Läuteordnung der Domglocken verantwortlich. Der Dom bietet mit seinen vielen Glocken mehr als 40 unterschiedliche Klangmotive. „Das macht es möglich, in der Fastenzeit ein Motiv mit Mollcharakter, in der Osterzeit ein strahlendes Motiv erklingen zu lassen. Diese klangliche Prägung verstärkt meist noch unbewusst die Wirkung des Glockentons.“ Und sie verrät, ob der Bischof den Gottesdienst zelebriert: Nur dann kommt auch die tiefe Salvatorglocke zum Einsatz.

Am meisten schätzt der Glockensachverständige die älteste Glocke des Würzburger Geläuts: die Lobdeburg-Glocke. Weil sie 1933 aus dem Turm genommen und in die Sepultur des Doms gebracht wurde, hat sie den Feuersturm des 16. März 1945 überstanden, dem die übrigen Glocken des Doms zum Opfer fielen. „Neueste Forschungen haben gezeigt, dass sie 1257 von einem der bekanntesten Glockengießer ihrer Zeit geschaffen wurde, vom Würzburger Cunradus Citewar.“ Das bedeutet, dass diese Glocke bei der Amtseinführung von 50 der 88 Bischöfe Würzburgs sowie bis auf vier bei der Weihe aller Würzburger Weihbischöfe geläutet hat. Am Michaelstag 2007 wird sie ihr 750. Jubiläum feiern. „Für mich ein Grund mehr, ergriffen zu sein, wenn die Glocken der Würzburger Kathedrale erklingen“, sagt Issig.

(5006/1779)