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„Teilhabe ist ein Menschenrecht“

Neue Fachstelle für Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung – Blick auf die gesamte Lebenssituation von Menschen mit Behinderung – Beirat und Steuerungskreis achten auf Einhaltung der Unabhängigkeit

Würzburg/Kitzingen/Gemünden (POW) Die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung und von Behinderung bedrohten Menschen zu stärken: Das ist das große Anliegen der neu geschaffenen Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) der Integrationsfachdienst Würzburg GmbH (ifd). Die EUTB des ifd ist Anlaufstelle für Fragen aus allen Lebensbereichen und für alle Beeinträchtigungsformen in den Räumen Würzburg, Kitzingen, Gemünden und Main-Spessart. Sie berät zu Rehabilitation und Teilhabe, möglichen Hilfeleistungen und Einrichtungen und betrachtet dabei die gesamte Lebenssituation der Betroffenen. Das Büro befindet sich im Würzburger Kilianeum-Haus der Jugend, Ottostraße 1. Es ist eine von insgesamt fünf EUTB-Fachstellen in Würzburg.

„Wir erleben oft, dass Ratsuchende ein gewisses Misstrauen gegenüber Beratungsstellen von Leistungsträgern hegen“, erklärt Gerda Hoh, EUTB-Koordinatorin. Die Ratsuchenden würden das aufgezeigte Angebot als für sich ungeeignet betrachten oder hätten das Gefühl, dass ihnen Lösungswege verheimlicht würden. Dieter Körber, Geschäftsführer der EUTB und des ifd, sagt, dass beispielsweise der ifd vor allem zu den Themen Arbeit, Bildung und Wohnung berät. „Aber oft gibt es noch weitere Fragestellungen, die die ganze Lebenssituation betreffen.“ Die Grundidee der EUTB liege deshalb darin, das ganze Spektrum an Hilfeleistungen aufzuzeigen. Eine themenübergreifende Beratung aus einer Hand verhindere zudem, dass sich Ratsuchende an mehrere Beratungsstellen wenden müssen. Die Berater der EUTBs zeigen personenzentrierte, teilhabeorientierte und trägerübergreifende Möglichkeiten auf und besprechen Vor- und Nachteile. „Wichtig ist, dass nicht wir vorgeben, was das Richtige ist, sondern dass der Ratsuchende selbstbestimmt entscheidet, was gut für ihn ist“, erklärt Hoh.

Als Beispiel beschreibt Hoh den Fall einer Frau, die seit einem Verkehrsunfall im Kindesalter halbseitig gelähmt ist. Sie sei an die EUTB herangetreten, weil sie ein elektrisch unterstütztes Fahrrad haben möchte, um mobiler unterwegs zu sein. Im Gespräch habe sich herausgestellt, dass die Frau mit ihrem Vater zusammenlebt, der selbst bald pflegebedürftig wird. Somit ging es in der Beratung schon nicht mehr nur um das Fahrrad, sondern auch um zukünftige geeignete Wohnformen und die Unterstützung in der Hauswirtschaft. Hinzu kam, dass die Frau 20 Stunden in der Woche arbeitet, von einer Erwerbsminderungsrente hatte sie bisher jedoch noch nie etwas gehört. „Durch die Beschreibung ihrer Lebenssituation ist aus einer kleinen Anfrage ein großer Strauß gewachsen, der aber langfristig dazu dient, dass sie gut und selbstbestimmt leben kann.“

Insgesamt fünf Berater stehen für Menschen mit Behinderung und von Behinderung bedrohte Menschen zur Verfügung. Auch Angehörige, Freunde und Bekannte könnten sich beraten lassen. „Die Menschen, die zu uns kommen, müssen weder Mitglied werden, noch zahlen sie etwas“, erklärt Eva Klässer, Prokuristin des ifd. Um eine möglichst niederschwellige Beratung gewährleisten zu können, stehen für die EUTB zudem auch Tandempartner des ifd zur Seite. So entsteht eine „Peer-Beratung, also eine Beratung von Betroffenen für Betroffene“ zum Beispiel auf Gebärdensprache, erläutert Hoh.

„In der Region einzigartig ist die Tatsache, dass wir einen EUTB-Beirat mit Vertretern aus Bildung, Politik und Wirtschaft haben“, erklärt Körber. Sie seien Ratgeber und Hinweisgeber, die auf die Qualität und Einhaltung der Unabhängigkeit achten. Für die praktischen Belange unterstütze ein Steuerungskreis, ergänzt Körber.

„Die Behindertenrechtskonvention sagt im Artikel 26: Teilhabe ist ein Menschenrecht“, betont Hoh. Das schließe sowohl die Teilhabe an der Gesellschaft als auch im Beruf mit ein. Mit dem neuen Bundesteilhabegesetz, das am 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist, werde dieser Konvention nun nachgegangen. Im neuen Paragraf 32 des neunten Buches im Sozialgesetz ist die gesetzliche Voraussetzung für eine ergänzende und unabhängige Beratung geschaffen. Finanziert werden die bundesweit 500 Fachstellen der EUTB durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).

„Der Unterstützungsbedarf gesamtgesellschaftlich ist so hoch, dass man ihn überhaupt nicht mehr finanzieren kann“, erläutert Dr. Harald Ebert, Mitglied des EUTB-Beirats des ifd. Deshalb liege es für ihn nahe, dass eine unabhängige Beratung auch zivilgesellschaftliche Kräfte anspricht. „Für den Einzelnen eintreten und Dinge anfordern, die im ersten Moment verrückt oder viel zu groß klingen, ist etwas, was eine Institution nicht abdecken kann.“ Die Vernetzung mit anderen Beratungsstellen und Institutionen spiele trotzdem eine große Rolle, sagt Körber. „Wir sind überzeugt, dass eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe den Ratsuchenden am meisten bringt.“

Der ifd ist einer von fünf Trägern der neuen Fachstellen für EUTB in Würzburg. EUTB bieten auch der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund, WüSL-Selbstbestimmt Leben Würzburg e. V., Assiston e. V. und das Blindeninstitut Würzburg an. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.teilhabeberatung.de.

rh (POW)

(4718/1201; E-Mail voraus)

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