Würzburg (POW) Beim traditionellen Aschermittwoch der Künstler hat Bischof Dr. Franz Jung gutes Theater als einen Ort „der Läuterung und der Umkehr“ beschrieben. „Es ermöglicht dem Zuschauer einen Außenblick, eine andere Perspektive einzunehmen und von dort auf das eigene Leben zu schauen“, sagte er vor rund 140 Künstlerinnen, Künstlern und Kunstschaffenden aus Unterfranken bei der Wort-Gottes-Feier am Mittwochabend, 14. Februar, im Probensaal des Mainfranken Theaters in Würzburg. Als Zeichen der Buße ließen sich die Gläubigen ein Aschekreuz auf die Stirn legen. Im Anschluss diskutierten Intendant Markus Trabusch, Operndirektor Dr. Berthold Warnecke, Ballettdirektorin Dominique Dumais und Dr. Jürgen Emmert, Leiter der Abteilung Kunst des Bistums Würzburg, über das Verhältnis von „Theater und Religion“.
In den kommenden 40 Tagen gehe es „um das große Drama der Erlösung“, begrüßte Bischof Jung die Künstlerinnen und Künstler. „Wir gedenken des Todes und der Auferstehung Jesu Christi. Wir fragen uns, welche Rolle wir einnehmen, wer wir sind oder sein könnten, wo wir uns verändern könnten und müssten.“ Auch König David muss sich beim Zusammentreffen mit dem Propheten Nathan über seine Rolle im Klaren werden, wie der Bischof in seiner Predigt erläuterte. David hatte mit der Frau eines seiner besten Soldaten Ehebruch begangen, ein Kind gezeugt, und dann den Mann an die Front und damit in den sicheren Tod geschickt. „Wie soll man einen König mit dieser Wahrheit konfrontieren?“ Der Prophet löse das Problem, indem er ein Theaterstück inszeniere, erklärte der Bischof. Nathan erzählt dem König die herzzerreißende Geschichte von dem reichen Mann, der dem armen Mann sein einziges Lämmchen wegnimmt, um Gäste zu bewirten. Wie erwartet, verhänge der König über den Täter eine Strafe – um dann zu erfahren: „Der Mann, von dem wir sprechen, bist Du!“
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Nach den Worten von Aristoteles solle die Tragödie dem Zuschauer zur Katharsis, zur Reinigung verhelfen, erklärte Bischof Jung: „Mit wem könnte ich mich identifizieren? Was wird gerade in meinem Leben gespielt?“ Aus diesem Blick heraus könne man über die eigene Lebensführung nachdenken und eine innere Reinigung durchleben „um ein guter und besserer Mensch zu sein in der Verantwortung vor Gott“. David habe seine Fehler erkannt und Konsequenzen gezogen. „Ich wünsche uns in diesen Tagen der österlichen Bußzeit, dass wir lernen, wo wir unser Verhalten ändern müssten, unsere Rollen bedenken, einen Blick werfen auf das Spiel, das wir gerade spielen, und dass es vielleicht auch Menschen gibt, die uns helfen zu erkennen, wo es daran wäre, noch einmal neu anzufangen.“
In der Diskussion lenkte Moderator Mathias Wiedemann, Chefreporter Kultur bei der Main-Post, den Blick zunächst auf Gemeinsamkeiten von Theater und Kirche. Er habe als Messdiener den „Zauber der Inszenierung der Kirche“ erlebt, sagte Trabusch. Für Dumais war der Kirchgang als Kind wie das Eintreten „in eine andere Welt“. „Die Kirche hat die Liturgie, das Theater die Dramaturgie, aber letztlich sind die Fragen, um die es geht, im Kern gar nicht so unterschiedlich“, sagte Warnecke. Er erzählte, dass Händel seine Opernarien auch als Oratorien verwendete und nur die Texte austauschte. Der Glaube habe in der Vergangenheit „eine ungeheure Dimension entwickelt“, sagte der Operndirektor: „Menschen haben Kathedralen gebaut, die erst nach fünf Generationen fertig wurden.“ Seit der Aufklärung sei die Kirche jedoch „sehr stark dem Wort verhaftet“, sagte Emmert. „Wir könnten viel von Euch übernehmen.“ Er bescheinigte dem Theater, dass es ungezwungener mit Themen umgehen könne.
Für Trabusch waren Antworten auf die Fragen nach Leben, Tod und dem Leben nach dem Tod ein „ganz wichtiger Bereich“, den Religion in der Gesellschaft leisten könne. „Das Theater will grundsätzlich keine Antworten geben“, erklärte er. Er bestätigte aber eine Beobachtung Emmerts, nach der gläubige Menschen auf der Bühne oft als „verlogen“ oder „deppert“ dargestellt würden. Moderator Wiedemann kam auch auf die „Körperfeindlichkeit“ der Kirche zu sprechen. Für Ballettdirektorin Dumais sind Körper und Intellekt eine Einheit, kein Widerspruch. „Wir sind Lebewesen und nicht getrennt von der Natur“, erklärte sie. Sie lese gerade das Buch eines Astrophysikers. Darin gehe es auch um die Frage, ob es einen Konflikt zwischen Gott und der Physik gebe. „Manchmal kommen sie zusammen und manchmal gehen sie voneinander weg. Wir brauchen diese verschiedenen Wege und wir müssen lernen, einen Dialog zu haben zwischen den verschiedenen Denkweisen.“
Ein Zuschauer äußerte die Befürchtung, dass das Theater aufgrund von multimedialer Überflutung und Künstlicher Intelligenz untergehen werde. Mit jährlich 33 bis 35 Millionen Zuschauern sei Theater „kein Randphänomen“, erwiderte Warnecke. Das Theater habe den Film und das Farbfernsehen überlebt, ergänzte Trabusch: „Aber bei der Kirche weiß ich gerade nicht, wo der Turnaround herkommen soll.“ Bischof Jung verwies auf die unterschiedlichen Formen von Frömmigkeit. „Es gibt viele Formen, die Liturgie zu feiern und seinen Glauben zu leben. Wir sind auf einer Suchbewegung. Es ist nicht das Ende, aber es verändert sich.“ Das Gemeinsame von Kunst und Glaube sei die Transzendenz, ergänzte Bischof em. Dr. Friedhelm Hofmann. „Sie sprechen von einer Wirklichkeit hinter der sichtbaren Welt. Ich glaube, das ist die wesentliche Aufgabe für die Kirche – dem Geheimnis der Transzendenz auf die Spur zu kommen.“
Die Feier gestalteten Charlotte Berger (Flöte und Oboe da caccia), Kantor Michael Gründel und Diözesanmusikdirektor Rainer Aberle (E-Piano) unter anderem mit Werken von Georg Philipp Telemann und Johann Sebastian Bach.
sti (POW)
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